Ich bin eine Frau - Holt mich hier raus!

18.07.2011 - 08:50 Uhr
Die Mädels aus Brautalarm
Universal Pictures Germany
Die Mädels aus Brautalarm
63
19
Frauen im Film – das ist ein unendliche Geschichte, häufig trauriger als der dramatischste Tränenzieher. In meinem heutigen Blick in die Zukunft geht’s um die Frage, ob Frauen im US-Kino doch noch eine Chance haben.

Manchmal sind sie groß, manchmal klein, manchmal dick, manchmal dünn. Es gibt sie in allen Farben und Formen, ob langhaarig oder mit Glatze. In etwa die Hälfte der Weltbevölkerung machen sie aus. Doch wenn wir nach dem Hollywood-Kino gehen, ist nur knapp jeder dritte Mensch eine Frau. Diese 30 Prozent der Bevölkerung sind meist aufreizend gekleidet oder Mütter. Häufig findet ihr sie als ahnungslos im Hintergrund stehende Passanten. Denn in der Filmwirklichkeit, die Hollywood suggeriert, spielen Männer die Hauptrollen, haben Männer die Ziele, Charaktere, Konflikte und sonstige Dinge, die die Handlung eines Films eben antreiben. Falls ihr euch jetzt am Kopf kratzt, weil ich solche Zahlen ins World Wide Web hinaus posaune: sie sind wissenschaftlich nachgewiesen. Zum Kinostart der erfreulich weiblichen Komödie Brautalarm steht die Frage im Raum, ob Frauen in der Zukunft des US-Kinos endlich eine größere Rolle spielen werden.

Film-Frauen taugen nur zum Eye Candy
Natürlich ist das US-Kino nur eines von vielen, aber Hollywood ist und bleibt die dominierende Filmkultur der westlichen Welt. Wir wachsen mit Hollywood-Filmen auf, schauen vor allem Hollywood-Filme im Kino und setzen in erster Linie Hollywood-Filme auf unsere Vormerkliste. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Doch Filme transportieren auch Lebensentwürfe, sie transportieren wie andere Medien Geschlechterbilder. Auf einer pädagogischen Ebene ist das relevant, weil Kinder und Jugendliche auch Filme als Orientierung für ihre Identitätsbildung nutzen. Ich bin aber keine Pädagogin. Ich bin eine Cineastin und ich hasse es, Frauen auf der Leinwand zu hassen.

Denn vielmehr bleibt mir oft nicht übrig, wenn ich Actionfilme mit strunzdoofen oder charakterlosen Frauen sehen muss, die nur dazu da sind, um vom Held gerettet zu werden. Oder Komödien, in denen die Hauptaufgabe der weiblichen Figuren darin besteht, heiß auszusehen, scheinbar unerreichbar zu sein und/oder den Helden zu domestizieren. Etwas anderes können wir anscheinend nicht. Frauen in Hollywood-Filmen sind entweder Spaßverderber oder hübsche Verzierung, Karriere-Bitches oder charakterlich (bloß nicht äußerlich!) flache Wesen, die sich allein nicht mal die Schuhe zubinden können.

Ein paar Zahlen gefällig? Eine Studie (pdf) untersuchte die 100 erfolgreichsten amerikanischen Filme des Jahres 2007 und fand heraus, dass von den 4.379 Sprechrollen nur 29,9 Prozent von Frauen eingenommen werden. In Animationsfilmen waren es sogar nur 20 Prozent. Von diesen 100 Filmen hatten ganze 18 eine waschechte weibliche Protagonistin. Die aktuelle Liste der erfolgreichsten Filme 2011 kommt auf einen ähnlich ernüchternden Prozentsatz. Frauen werden im Hollywood-Kino auch nach über hundert Jahren Filmgeschichte immer noch marginalisiert oder auf misogyne Klischees reduziert. Das trifft auf kaum eine Genre so stark zu wie auf die “chick flicks”, die romantischen Komödien wie Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns, Sex and the City und Die nackte Wahrheit.

WTF, eine lustige Frau!
Und dann saß ich eines Tages im Kino und habe mir Brautalarm, den angeblichen “Hangover für Frauen” angeschaut. In dem spielen fünf sehr unterschiedliche und sehr witzige Frauen die Hauptrolle, allen voran Heldin Kristen Wiig. Was seh’ ich da? Einen Film, in dem sich das weibliche Personal zur Abwechslung mal nicht durch einen (Traum-)Mann definiert. Einen Film mit einer Heldin, die eine Passion hat, Neurosen klar, aber auch Humor. Eine erwachsene (!) Frau eben und eine, die lustig ist, ohne mit ihrer Dummheit zu kokettieren. Brautalarm hat mir die Hoffnung zurückgegeben, dass das amerikanische Kino doch noch einen angemessenen Platz für den weiblichen Teil der Bevölkerung findet.

Wiege dieser Hoffnung ist auch das US-Fernsehen, das in Serien wie Alias – Die Agentin, Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn, Nurse Jackie, The Closer und vielen mehr komplexe und intelligente weibliche Hauptfiguren mit eigenen Zielen und Träumen erschaffen hat. Einer der Gründe für diese Vielfalt ist zweifellos, dass das US-TV eine größere Zielgruppe hat als Blockbuster. Für letztere sind Frauen nur eine Randgruppe, die aus dem 14-25-jährigen männlichen Zielpublikum herausfällt. Andererseits: Wer würde ernsthaft behaupten, dass Alias seinen Erfolg so wie die Twilight-Filme nur den weiblichen Zuschauern zu verdanken hatte?

Ein Trend oder Ausnahmen, die die Regel bestätigen?
Es gibt sie, die weiblichen Heldinnen in der Tradition von Ripley aus Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt und Sarah Connor aus Terminator. Sie heißen The Bride, Shosanna, Evelyn Salt und vielleicht bald Lisbeth Salander. Demnächst präsentiert das viel geliebte Animationsstudio Pixar mit Merida – Legende der Highlands seinen ersten Film mit einer weiblichen Protagonistin. Es wurde auch langsam Zeit. Fraglich ist jedoch, ob die Kassenerfolge von Salt, Wer ist Hanna? und Brautalarm Vorboten eines Wandels sind. Ungeachtet der Qualität bleibt Salt schließlich ein einmaliges Phänomen, weil hier der ursprünglich angedachte Tom Cruise durch Angelina Jolie ersetzt wurde, ohne dass das Drehbuch wesentliche Änderungen erfahren musste.

Ich für meinen Teil kann mich mit männlichen wie weiblichen Helden im Kino identifizieren, sofern nur ihre Charaktere und Schauspieler interessant genug sind. Die Studiobosse sehen das zur Zeit noch anders. Deshalb macht der aktuelle Blick auf die Box Office keine Hoffnung auf Änderungen. Doch bei weiter zurückgehenden Zuschauerzahlen könnten sie irgendwann gezwungen werden, ihre Zielgruppe auszuweiten. Dann müssten ihre Filme – Gott bewahre! – vielleicht sogar die andere Hälfte der Bevölkerung mit einem Minimum an Respekt darstellen.

Wie seht ihr das: Könnt ihr euch Frauen vermehrt als Hauptfiguren in Actionfilmen und Komödien vorstellen oder sollen sie in ihren chick flicks bleiben?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News