Nein, ich habe keinen wirklich unbekannten Film für unsere Rubrik Mein Herz für Klassiker ausgewählt. Das ist mir bewusst. Irgendwann musste das Meisterwerk von Michael Curtiz an dieser Stelle gewürdigt werden. Da Casablanca dieses Jahr außerdem sein 70. Jubiläum feiert (wir berichteten), passt das doch ganz hervorragend.
1942 wurde Casablanca in den USA erstmals vorgeführt. Das Drehbuch zu dem Melodram basiert auf einem Theaterstück des Lehrerehepaars Murray Burnett und Joan Alison. Der Mitarbeiter, der bei Warner Bros. für die Prüfung der potentiellen Drehbücher zuständig war, bezeichnete die Vorlage als anspruchsvollen Kitsch und prophezeite einen großen Erfolg. Er sollte Recht behalten. Casablanca wurde als bester Film, für die beste Regie und das beste adaptierte Drehbuch mit einem Oscar ausgezeichnet.
Erst 1952 kam Casablanca in die deutschen Kinos – doch was da gezeigt wurde, hatte kaum noch etwas mit dem amerikanischen Original zu tun. Die Fassung, die in der BRD ausgestrahlt wurde, war um 24 Minuten kürzer als Original. Alles, was auf den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus hinwies, wurde vom Verleih herausgeschnitten. Das deutsche Publikum schien dem Verleih damals wohl noch nicht bereit für einen Propagandafilm der anderen Seite. Erst 1975 kam eine Neusynchronisation ins BRD-Fernsehen.
Warum ich Casablanca mein Herz schenkte
Für mich ist und bleibt Humphrey Bogart einer der charismatischsten Hutträger aller Zeiten. In der Rolle des Rick Blaine darf Bogey natürlich auch seinen geliebten Trenchcoat ausführen – dass der in einer Szene klitschnass ist und in der nächsten wieder trocken, tut ja nichts zur Sache. Und überhaupt: Was wäre dieser Film ohne seinen männlichen Hauptdarsteller? Nun ja, wegen Bogeys geringer Körpergröße musste am Set schon etwas getrickst werden, doch wozu wurden Hocker, Plateausohlen und Kameraeinstellungen von unten erfunden? Bei den Küssen zwischen ihm und Ingrid Bergman fällt ja schließlich meistens nichts mehr auf. Seine 1,67 m sind mir jedenfalls sehr sympathisch. Damit bin ich genauso groß wie einst Bogey.
Warum auch andere Casablanca lieben werden
Casablanca ist spannend, witzig, romantisch und hat einen zeitgeschichtlichen Hintergrund – was wollen wir mehr? Da können viele Filme schon mal nicht mithalten. Es ist für jeden etwas dabei. Auch Ästheten kommen auf den Geschmack, wenn sie auf die Schattenspiele dieser Perle in Schwarz-Weiß achten. Die schlechten Rückprojektionen bei den Autofahrten waren zwar keine Meisterleistung, aber unterhaltsam sind sie allemal. Allein wegen des spektakulären Filmschlusses müssen wir Casablanca lieben. Bogey ist Gott.
Warum Casablanca einzigartig ist
In Casablanca findet ein wahrer Zitatereigen statt. Beinahe alle fünf Minuten fällt ein bedeutungsschwangerer Satz, den man so schnell nicht vergisst. Das American Film Institute wählte stolze sechs Casablanca-Zitate in die Liste der Top 100 Filmzitate aus hundert Jahren amerikanischer Filmgeschichte. So viel hat kein anderer Film zu bieten. Aber für mich gibt es einen Dialog in Casablanca, der Here’s looking at you, kid (Platz 5 der Top 100-Liste und bereits in unserem Filmzitate-TÜV) und Co. um Längen schlägt:
Herr Leuchtag: Liebchen… Sweetnessheart, what watch?
Frau Leuchtag: Ten watch.
Herr Leuchtag: Such much?
Dieser Übungsdialog des Emigrantenehepaars Leuchtag (Ilka Grüning, Ludwig Stössel) hat sich ganz tief in mein Herz gebrannt. Authentischer geht’s doch nicht.
Warum Casablanca die Jahrzehnte überdauerte
Mal ganz ehrlich: Liebesgeschichten gehen doch immer. Liebe gab’s schon immer und die stirbt auch nicht aus. Haben schon viele versucht, klappt aber nicht. Und es wird auch in hundert Jahren noch Zuschauer geben, die sich bei Casablanca die Seele aus den Äuglein weinen. Ein weiteres Argument für die Unsterblichkeit dieses Klassikers: Anti-Nazi-Filme gehen immer, weil die Dummheit leider auch nicht ausstirbt. Es gibt Filme, die können mit der Zeit einfach nur besser werden – wie ein guter Wein. So ist es auch mit Casablanca, besonders weil wir uns heute in der einen oder anderen Szene ein genüssliches Schmunzeln nicht verkneifen können. As time goes by… Ganz großes Kino und unnachahmlich… Und wer demnächst zufällig in Casablanca ist: Rick’s Café soll’s dort wirklich geben.
Was verbindet ihr mit Casablanca?