Die Romanvorlage für Das Dschungelbuch von Rudyard Kipling habe ich ehrlich gesagt noch nie gelesen und auch keine der weiteren Verfilmungen, wie z.B. der Real-Film von Stephen Sommers aus dem Jahr 1994, ist jemals in voller Länge über meinen Bildschirm gelaufen. Für mich ist die Geschichte vom Dschungelkind Mowgli einfach untrennbar mit den Disney-Figuren verbunden und findet nur im Zeichentrickfilm ihren wahren Ausdruck. Eine Motion-Capture Version mit Andy Serkis als King Louie könnte ich mir gerade noch vorstellen, aber bis es so weit kommt, ist Disneys Das Dschungelbuch die optimale filmische Umsetzung: unterhaltsam, anrührend und zeitlos.
Warum ich Das Dschungelbuch mein Herz schenke
Das Dschungelbuch ist der erste Disney-Film, der in meinen Kindheitserinnerungen auftaucht. Kein anderer wurde so oft geschaut, kein anderer begeisterte meine Eltern so wie dieser. Insbesondere meine Mutter konnte gar nicht genug davon bekommen. Zusätzlich zu der VHS-Kassette schaffte sie die Klaviernoten an. Und so wurde es der Höhepunkt des Videoabends, dass sich meine Mutter ans Klavier setzte und wir alle gemeinsam die großen Hits „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ und „Hör auf mich“ sangen. Daher ist Das Dschungelbuch für mich nicht nur einfach ein toller Kinderfilm, sondern auch die Erinnerung an ganz besondere Familienabende.
Warum auch andere Das Dschungelbuch lieben werden
Wie eigentlich alle Disney-Filme besticht Das Dschungelbuch vor allem durch Humor. Noch heute kann ich darüber Tränen lachen, wie Baloo der Bär sich als Affenfrau verkleidet, um den Affenkönig König Louie zu betören, der sein geliebtes Menschenkind Mowgli gefangen hält. Überhaupt verleitet die wahnwitzige Affenparty mich noch heute zum rhythmischen Kopfnicken und in unbeobachteten Momenten zum Schulterzucken im Takt nach Baloos Vorbild. Auch die Schlange Kaa bringt jeden zum Lachen, wenn sie versucht, ihre menschliche Beute vor dem Tiger Shere Khan zu verstecken und vorgibt, sich selbst zu hypnotisieren. Und dann ist da noch der übermotivierte Colonel Hathi, der seine Elefantenherde auf Trab halten will und dabei grundsätzlich übers Ziel hinaus schießt. Irgendwo zwischen der Rüsselkontrolle und seinen fehlerhaften Anweisungen, die zu einer elefantösen Massenkarambolage führen, muss einfach jeder lachen.
Warum Das Dschungelbuch einzigartig ist
Besonders toll finde ich, dass Das Dschungelbuch nicht pädagogisch daher kommt und trotzdem ein ganz wichtiges Thema behandelt: Wo gehöre ich hin? Mowgli wächst als Menschenkind im Dschungel auf, wird zunächst von den Wölfen groß gezogen und später unter die Fittiche von Baloo dem Bären und Bagheera dem Panther genommen. Menschen hat er noch nie zuvor gesehen und so erscheint es ihm auch total absurd, dass er fortan mit ihnen leben soll. Er will im Dschungel bleiben, wo er seiner Meinung nach hingehört. Auf der anderen Seite dieses Konflikts steht die Figur des Baloo als Vater- oder gar Mutterfigur, die lernen muss, den Zögling zu seinem eigenen Wohle ziehen zu lassen und sein Glück über die eigenen Bedürfnisse zu stellen. Diese komplexen und elementaren Probleme werden aber in eine leichte Geschichte verpackt und nicht mit dem moralischen Zeigefinger oder unerträglichem Pathos transportiert. So kann sich Jung und Alt fast unbemerkt mit den Figuren identifizieren.
Warum Das Dschungelbuch die Jahrzehnte überdauert
Neben der Suche nach Identität und der Beziehung zwischen Eltern und Kindern geht es in Das Dschungelbuch um einen zeitlosen Spagat zwischen Vergnügen und dem Ernst des Lebens. Klar wollen wir alle ewig im Dschungel leben, die Bananen direkt vom Baum essen, während wir in der Lagune schwimmen und die Ruhe und Gemütlichkeit genießen. Aber so einfach ist das Leben eben nicht. Da ist noch die Verantwortung für das ein oder andere „Menschenkind“, es gibt Tiger und Schlangen, die uns böses wollen, gierige Affen, die nach Macht streben und gegen die wir uns auflehnen müssen. Aber zum Glück gibt es auch Filme wie Das Dschungelbuch, die uns aus dem Alltagsstress heraus wieder zurück in den Dschungel entführen: „Probiers mal mit Gemütlickeit mit Ruhe und Gemütlichkeit, jagst du den Alltag und die Sorgen weg…“