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„Ich kann den Hype nicht nachvollziehen!“

26.02.2020 - 12:17 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Joker
Warner Bros. Entertainment
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Eine Begriffsanalyse im Wandel der Zeit


„Ich kann den Hype nicht nachvollziehen“.

„Ich bin total gehypt“.

„Alle hypen diesen Film“.

Wer hat sie noch nicht auf diesen Seiten gelesen? Diese oder ähnliche Äußerungen. Alleine schon diese drei Sätze zeigen deutlich auf, dass große Uneinigkeit darüber herrscht, was ein Hype eigentlich ist. Dieser Artikel ist nicht als belehrende Äußerung meinerseits gedacht. Als passionierter Linguist interessiert mich vielmehr, wie Begriffe verwendet werden, und wie sich diese im Laufe der Zeit auch ändern. Bei keinem Begriff ist dies derart deutlich live zu verfolgen wie bei dem ominösen Hype.

Man kann es sich einfach machen, und im Duden nachschlagen. Dort wird ein Hype als das bezeichnet, was auch für mich viele Jahre dieser Begriff war. Nichts anderes als eine ausgeklügelte Marketingkampagne, die darauf abzielt, dass ein unübersehbarer Teil der Zielgruppe, ein Produkt derart positiv wahrnimmt, dass eine äußerst effektive Mund-zu-Mund-Propaganda zum Selbstläufer wird. Bei einem Film hieße das, dass die Promotion derart gut gemacht ist, dass beispielsweise auf Moviepilot jeder über diesen Film spricht, und idealerweise ihn auch jeder sehen will. Und sei es nur um mitzureden.

Doch man sieht es hier täglich, dass für viele ein Hype wohl eine andere Bedeutung hat. Wenn jemand einen Hype als nicht gerechtfertigt empfindet, dann wäre dies in Bezug auf obige Definition ein reiner Pleonasmus. Daher liegt nahe, dass hier Hype auf eine andere Art verstanden und verwendet wird. Auch ich selbst kann nach dieser Definition nicht gehypt sein, denn das hieße, mich hätte jemand persönlich zum Werbeprodukt erklärt, das nun jeder haben will. Und auch die User auf dieser Seite können einen Film nicht hypen, außer sie arbeiten für den entsprechenden Film oder Vertrieb.

Liegen also alle falsch? Hat die Mehrzahl der Leute den Begriff nicht verstanden? Ja und nein. Eindeutig ist, dass diesen Leuten die ursprüngliche Wortbedeutung nicht bekannt zu sein scheint, und sie das Wort anders verwenden. Wenn aber nun die Mehrheit an Leuten einen Begriff anders benutzt, als er im Duden steht, zeigt dies deutlich auf, wie Sprache funktioniert. Sprache ist kein statisches Gebilde, wie uns das leider in der Schule indirekt vermittelt wird. Sprache befindet sich in einem stetigen Wandel, und in keiner Sprache der Welt hat eine Normierung jemals auf Dauer funktioniert. Weder auf einer grammatikalischen, noch auf einer lexikalischen Ebene. Sprache ist ein Werkzeug, das zur Kommunikation dient. Zweck sollte es also sein, durch Sprache ein Konzept einem anderen Menschen zu vermitteln. Wenn mir das gelingt, ist es zunächst völlig irrelevant was der Duden sagt. So wichtig ich den Duden auch finde, sollte man sich klar machen, dass dieses Werk der Sprache die es beschreibt immer etwas hinterherhinkt. Wenn der Duden irgendwann sagt, dass man den Genitiv auch über den Dativ ausdrücken kann, dann nicht weil die Leute vom Duden aus einer guten Laune heraus beschlossen haben, der Genitiv sei zu kompliziert. Eine solche Entscheidung findet statt, weil bereits die große Mehrheit so spricht. Der Duden passt sich also den natürlichen Prozessen von Sprache an. Da kann sich Bastian Sick noch so sehr auf den Kopf stellen, und behaupten Deutschland verdumme. Entweder hat er nicht begriffen wie Sprache funktioniert, oder er spielt bewusst mit dem niedrigen Selbstbewusstsein vieler Leser, die dann glauben anderen überlegen zu sein.

Es wäre also mal interessant zu analysieren, wie das Wort Hype noch definiert werden könnte. In den meisten Äußerungen auf diesen Seiten lese ich eine negative Konnotation heraus. So als ob der Begriff etwas beschreibt, dass zwar alle Leute toll finden, dies allerdings aus den Augen des Autors nicht gerechtfertigt ist. Hierzu also mein erster Definitionsversuch:

1.) Ein Hype ist ein subjektives Empfinden gegenüber einem Produkt, wobei der Begriff impliziert, dass die hohe Reputation die das Produkt wiederfährt, nicht gerechtfertigt sei.

Oft steckt in dieser Begriffsverwendung ein elitäres Denken. Der eigene Geschmack ist der Maßstab, und alle anderen haben schlicht und einfach mal keine Ahnung. Ein „Hype“ kann also in dieser Hinsicht als Totschlagargument verwendet werden.

Ich bin aber auch auf deutlich positivere Konnotationen gestoßen. Es gibt Leute die schreiben, sie seien selber total gehypt. Hierzu glaube ich folgende Definition herauszulesen:

2.) Ein Hype ist ein individuelles Gefühl, ähnlich vergleichbar mit Neugier, Euphorie oder einer gewissen Erwartungshaltung, das einen dazu bringt, sich dem Produkt zu nähern. Ein Motor sozusagen.

Aber auch Konsumenten können scheinbar etwas hypen, was zu meiner dritten These führt:

3.) Ein Hype ist nichts anderes als ein durch Mund-zu-Mund-Propaganda entstandenes Phänomen, ähnlich dem im digitalen Bereich verwendeten Adjektiv „viral“. Anders als bei der Dudendefinition, steckt hier jedoch nicht zwangsläufig eine Marketingkampagne dahinter.

Diese Definitionen schließen sich teilweise gegenseitig aus, was allerdings für viele Wörter in der deutschen Sprache gilt. Da der Duden hierzu noch keine wirkliche Auskunft gibt, habe ich nun versucht drei Definitionen aufzustellen, die keinen Anspruch auf Richtigkeit oder gar Vollständigkeit haben. Ich hoffe mir dadurch allerdings auch von den Lesern die diesen Eintrag so interessant fanden, dass sie bis an dieser Stelle hier gelangt sind zu hören, wie sie diesen Begriff verwenden, oder ob es sogar noch bessere oder gar andere Definitionsversuche gibt. Dabei geht es mir wie gesagt nicht darum was richtig oder falsch ist, sondern darum zu verstehen, wie dieser Begriff von der Mehrheit verstanden wird.

Ist der "Joker" im Titelbild also gehypt? Ich weiss es nicht, denn zum einen habe ich den Film noch nicht gesehen, und zum anderen bin ich was die Begriffsbedeutung angeht, immer noch nicht schlauer. Ich weiss nur, dass ich einen Film sehen will, der ansonsten überhaupt nicht in mein Beuteschema passt. Irgendwie habe ich das Gefühl, das habe irgendetwas mit "Hype" zu tun...


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