In Treatment - Minimaler Aufwand, maximaler Ertrag

10.01.2012 - 08:50 Uhr
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HBO
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Mal schnell in eine der vielen Serienwelten eintauchen, mag bei Two and a Half Men problemlos funktionieren, bei meiner bevorstehenden Empfehlung In Treatment wird diese Larifari-Attitüde aber schnell bestraft.

Die 2008 in Amerika angelaufene HBO-Serie In Treatment – Der Therapeut ist alles andere als leichte Kost und fordert dem Zuschauer, der genauer betrachtet vielmehr Zuhörer ist, ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe ab. Wieso? Ganz einfach: In Treatment funktioniert fast ausschließlich über den Dialog.

Der Vorzeige-Therapeut
Paul Weston (Gabriel Byrne) ist Psychologe. Kein schlechter dazu. Genauer gesagt, gehört er zu den anerkanntesten und renommiertesten Medizinern auf seinem Gebiet. Er spricht abwartend, überlegt und selten impulsiv. Durch sein souveränes und freundliches Auftreten fällt es ihm leicht, schnell Zugang zu seinen Patienten zu finden. Kurzum: Paul ist extrem vertrauenswürdig. Und genau darin liegt das Erfolgsrezept der Serie. Bei mir weckte Paul schon in der ersten Episode dieses warme Gefühl von Vertrautheit und Symphatie, das in diesem Format, das auf den ersten Blick absolut ereignisarm daherkommt, so extrem wichtig ist und die Verbindung zwischen Therapeut, Patient und Zuschauer herstellt.

Kleinster gemeinsame Nenner
In Treatment unterliegt einer klaren Struktur. Pro Staffel gibt es vier Patienten, die jede Woche aufs Neue zu Paul kommen, um ihm ihr Herz auszuschütten. Von Montag bis Donnerstag behandelt er selbst, freitags verarbeitet er seine Woche in seiner eigenen Therapie bei seiner langjährigen Bekannten Gina. So ensteht eine ganz eigene Dynamik und Dramaturgie. Zu Beginn scheinen die einzelnen Patienten nichts miteinander zu tun zu haben, doch durch kreative Kniffe der Drehbuchschreiber verweben sich die Handlungssstränge mit zunehmender Dauer immer mehr und werden meist am Ende der Woche in Pauls Therapie behutsam zusammengeführt. Denn unterm Strich ist er der kleinste gemeinsame Nenner, der alle Figuren vereint. Der Einblick in seine Gefühlswelt offenbart nicht selten auch Wissen über seine Arbeitsweise und sein weiteres Vorgehen mit selbigen.

Die ganz normale Woche
Staffel 1 verlangt Paul bereits sein komplettes Können als Therapeut ab. Die attraktive Anästhesistin Laura, die ihn jeden Montag aufsucht, hat Beziehungsprobleme. Schon nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass sie sich Hals über Kopf in Paul verliebt hat und ihn von einem gemeinsamen Leben überzeugen will. Da es auch in Pauls Ehe kriselt, fällt es dem Arzt schwer, sich der charmanten Art seiner Patientin zu entziehen. Dienstags bekommt es Paul mit dem Kampfpiloten Alex zu tun, der auf Grund einer Fehlinformation seines Befehlshabers eine Bombe auf eine Schule im Irak abfeuerte und mehrere Kinder tötete. Er sucht bei Paul eine Antwort auf die Frage, wieso er nicht in der Lage ist, Schuldgefühle zu entwickeln. Woche um Woche dringen die beiden immer weiter in Alex’ Psyche vor und decken immer weitere Abgründe bei dem arroganten und selbstverliebten Amerikaner auf.
Am dritten Tag der Woche empfängt Paul die 16-jährige Kunstturn-Olympiahoffnung Sophie. In der Therapie soll geklärt werden, ob ein Unfall, bei dem sie sich beide Arme brach, nicht in Wirklichkeit ein verkappter Selbstmordversuch war. An jedem Donnerstag bekommen wir einen Einblick in die Welt von Jake und Amy. Zu Beginn gestaltet sich die Paar-Therapie noch als recht simpel. Als Paul allerdings durch einen therapeutischen Faux-Pas indirekt in das Leben der beiden eingreift, sieht er sich mit einer großen Herausforderung konfrontiert.

Israelische Serie BeTipful als Vorbild
Durch die minimalistische Inszenierung lebt In Treatment von seinen bärenstarken Darstellern, keine Frage. Denn nur selten verlässt die Kamera das Büro von Paul Weston. Eine typische Episode beginnt mit dem Ankommen des Patienten und endet mit seinem Gehen. Dazwischen sitzen sich Therapeut und Patient gegenüber und reden. Schnitt/Gegenschnitt auf höchstem Niveau. Umso bemerkenswerter sind die Leistungen der Schauspieler einzuschätzen, die sich fast ausschließlich auf ihre Mimik und ihre Stimme verlassen müssen. In Staffel 1 überzeugten mich vorallem Blair Underwood und Newcomer-Star Mia Wasikowska, die ihren Figuren eine unheimliche Tiefe verleihen konnten.

In Treatment lief 2008 beim US-Erfolgssender HBO an und basiert auf der israelischen Serie BeTipful aus dem Jahre 2005, dessen Erfinder, Regisseur und Produzent Hagai Levi auch an der amerikanischen Version mitgearbeitet hat. Oftmals sind die Skripte sogar Wort-für-Wort Übersetzungen der hoch gelobten Vorlage und wurden meist nur minimal an die amerikanische Kultur angepasst. Nach drei Staffeln scheint die weitere Existenz der Serie momentan in der Schwebe. Die Produzenten wollen In Treatment zwar am Leben halten, denken aber über eine Änderung im Konzept nach. Wir sind gespannt wie es weitergeht!

Allen, die jetzt Lust auf In Treatment bekommen haben, sei gesagt, dass ihr Geduld mitbringen müsst. Doch wer auf Dauer konzentriert dran bleibt, wird mit einer unkonventionnellen, aber bärenstarken Serie belohnt, die so einige Überraschungen bereit hält.

Ist euch In Treatment zu anstrengend oder gebt ihr der Serie eine Chance?

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