Im Kino nichts Neues, unken seit geraumer Zeit Filmkritiker und Zuschauer und wenden sich lieber den end- und zahllosen Serien zu, die angeblich so irrsinnig innovativ sein sollen. In der Tat enttäuscht das Blockbuster-Kino der letzten Jahre, Ausnahmen bestätigen die Regel, doch sollte man mit einem vorschnellen Pessimismus vorsichtig sein, denn im Horror-Genre wird gerade wild experimentiert, mal mehr oder weniger erfolgreich. Immerhin aber denkt man bei diesen Experimenten neu über den Film an sich nach. Filme wie Der Babadook, Ich seh, ich seh und Unknown User sind bei weitem nicht vollends geglückt, aber sie wecken im Zuschauer eine große Lust, sich wieder mehr mit der Form zu beschäftigen. Spätestens seit den 70er Jahren ist das Horror-Genre prädestiniert für filmische Neuerungen, für intelligente Gesellschaftskritik und natürlich für das Abseitige in allen erdenklichen Formen. Weil dieses kleine, schmutzige Genre von einem marginalisierten Standpunkt aus zum Zuschauer spricht und es häufig ungewöhnliche Distributionswege beschreitet, liegt in ihm per se etwas Rebellisches.
Für einen Paukenschlag, dessen Schwingungen erst mit ein paar Monaten Verspätung die deutschen Kinos erreicht haben, sorgte nun David Robert Mitchell mit seinem Horrorfilm It Follows, der das Genre auf eine neue Ebene hebt – formal wie inhaltlich. Erzählt wird die Geschichte eines 19-jährigen Mädchens, das durch Sex bei einem Date einen mysteriösen Fluch übertragen bekommt, den sie nur loswerden kann, wenn sie wiederum mit einem anderen Mann, am besten mit vielen anderen Männern, schläft. Eifrig wird über die Plotkonstruktion diskutiert: Handelt es sich bei It Follows möglicherweise um einen konservativen Film, der Enthaltsamkeit predigt und Sex als etwas Gefährliches brandmarkt? Einige Kritiker warnen regelrecht vor dem Film und ziehen eine Parallele zur einstigen Stigmatisierung von AIDS. Ist dieser Film also Ausdruck einer neuen Prüderie? Doch was, wenn das Gegenteil der Fall ist? Ist der sexy Slogan „Have Fun!“ nicht längst überall angekommen?
Autoritäten (kirchliche, politische, familiäre), die sich für
Enthaltsamkeit aussprechen, muss man heute suchen und man findet sie höchstens
noch an den Rändern. It Follows zeigt uns die Janusköpfigkeit der sogenannten
sexuellen Befreiung.
Mehr dazu im Video!
_______________________________________________________________________________________Kino anders gedacht. Wolfgang M. Schmitt jun. beleuchtet für seinen YouTube-Kanal “Die Filmanalyse” aktuelle Großproduktionen aus einer etwas anderen Perspektive. Er will mit seinen provokanten Kritiken die Ideologie Hollywoods offen legen, die sich mal offensichtlich, mal im Verborgenen, aber in aller Regel unfreiwillig in den Blockbustern des Kinos auftut. Schmitt jun. schreckt bei seinen oft polarisierenden Analysen auch vor den großen Theorien und Denkern aus Vergangenheit und Gegenwart nicht zurück und sorgt damit immer für kontroverse Diskussionen.