Dass Johnny Depp einmal zig Millionen für einen Film kassieren würde, war bei seinem Durchbruch zum Kinostar nicht absehbar. Dazu war Depp im ersten Jahrzehnt seiner Karriere zu sehr Indie-Darling und Enfant terrible. Den ganz großen Blockbustern öffnete er sich erst mit der exzentrischen Nebenrolle des Captain Jack Sparrow in Fluch der Karibik, die seine Gage in ungeahnte Höhen treiben sollte. Heute feiert Johnny Depp seinen 50. Geburtstag und wir gratulieren.
Sollte jemand ein Lehrbuch für die Karrieplanung in Hollywood schreiben, gäbe Johnny Depp ein ganz hervorragendes Beispiel zum Nachahmen ab. Zu Beginn ließ sich der am 9. Juni 1963 in Kentucky geborene John Christopher Depp II. noch im Slasher-Klassiker Nightmare – Mörderische Träume abmurksen, bevor er in einer TV-Serie mit einer ehrlich gesagt völlig lächerlichen Ausgangsidee zum Teenie-Idol aufstieg. 21 Jump Street beherbergte einige junge Darsteller mit Filmstar-Ambitionen, doch wer erinnert sich heute an Richard Grieco? Die ersten Anzeichen von Berühmtheit am Horizont erblickend, vollzog Johnny Depp eine Kehrtwende, die langfristig gesehen Grundlage seiner heutigen Popularität werden sollte. Anstatt sich auf sein gutes Aussehen – die Währung jedes Teenie-Idols – zu verlassen, wählte Johnny Depp einen Pfad, der von einer generischen Serie nicht weiter entfernt sein konnte. In seinen folgenden Filmen sollte er Außenseiter par excellence spielen. Diese Rolle nahm er jedoch auch im System Hollywood an.
Im Nachhinein liest sich die Liste von Regie-Göttern und -Exzentrikern, in deren Filmen sich Johnny Depp in den 90er Jahren als Indie-Star schlechthin profilierte, fast schon zu perfekt, um wahr zu sein. Angefangen bei John Waters, Emir Kusturica und Jim Jarmusch, über Sally Potter, Terry Gilliam, Julian Schnabel und Roman Polanski hakte Depp die Festival-Lieblinge konsequent ab. Bei keinem Regisseur verschmolzen Image und Rolle Johnny Depps indes so perfekt wie in den Filmen von Tim Burton, mit dem er später ironischerweise die Box Office-Milliarde knacken sollte. Als Alter Ego des wuschelhaarigen Hollywood-Außenseiters gab Depp in Edward mit den Scherenhänden, Ed Wood und Sleepy Hollow mal mehr, mal weniger wuschelhaarige Außenseiter der Gesellschaft, verlassene Kinder, die sich dem Erwachsenwerden nie vollends ergeben. Führen die Arbeiten von Johnny Depp und Tim Burton heute zu wiederholtem Stirnrunzeln, insbesondere bei Exzessen wie Alice im Wunderland und Dark Shadows, so müssen wir konstatieren, dass kein anderer Regisseur Depps Spiel derart gekonnt einzusetzen wusste. Die in Ed Wood und Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street porträtierten manischen Seiten des exzentrischen Kindmanns werden in Mainstream-Werken wie der Fluch der Karibik-Reihe mittlerweile ob der Massentauglichkeit verschleiert. Der Deppsche Außenseiter hallt auch im gesetzlosen Piratenkapitän nach, dem trotz des Vorbilds Keith Richards jegliche Subversion ausgetrieben wurde. Mit Mick Jagger, OBE, hat diese Inkarnation seines Figurentypus mehr gemein.
Dass Johnny Depp die kindliche Naivität mit 50 nicht mehr so leicht von der Hand gehen dürfte, ist zu begrüßen. In Rollen wie der des Verbrechers John Dillinger in Public Enemies von Michael Mann legt Depp eine konventionellere Leading Man-Maskulinität an den Tag, die neben all den Exzentrikern in den Filmen von Tim Burton und Gore Verbinski schon wieder revolutionär wirkt. Die sind längst zur Marke verkommen, dank der kostenintensive Blockbuster wie Lone Ranger grünes Licht erhalten. Ob es wirklich nötig ist, Jack Sparrow, den ewig betrunkenen Halunken vom Dienst, durch einen fünften Fluch der Karibik-Film zu scheuchen, werden die Zuschauer an den Kinokassen entscheiden. Da freuen wir uns eher auf sein Musical Into the Woods, das ihn wieder Stephen Sondheim -Melodien trällern lässt. Zu seinem heutigen Ehrentag wünschen wir Johnny Depp jedenfalls alles Gute!