Gleich drei Tage hintereinander und zur besten Sendezeit zeigt das ZDF die neue Serie Gestern waren wir noch Kinder. Die Mischung aus Krimi und Familiendrama protzt mit bekannten Gesichtern und einer Story voller überraschender Wendungen. Auf dem Papier kommt da also ein spannendes Serien-Highlight auf uns zu. Aber lohnt es sich, den Feierabend mit der Serie zu verbringen?
Worum geht's in der ZDF-Serie?
Im Mittelpunkt der Serie steht die Familie Klettmann, die ein gut betuchtes Leben führt, mit drei Kindern, Hund, Einfamilienhaus und Zugang zur Privatschule. Doch während die älteste, Vivi (Julia Beautx), sich mal wieder vor dem Sportunterricht drücken will, passiert daheim eine Tragödie. Die Mutter Anna (Maria Simon) wird erstochen und ihr Ehemann Peter (Torben Liebrecht) gesteht die Tat. Auf einmal steht Vivi mit ihren beiden kleinen Geschwistern allein da. Schnell wird klar: Diese Familie steckt voller dunkler Geheimnisse.
Erzählerisch setzt Gestern waren wir noch Kinder auf ein allzu bekanntes Muster. Am Anfang steht ein Mord und der Rest der Serie schlüsselt in Rückblenden auf, wie es dazu kam. Die Episoden springen dabei teils Jahrzehnte zurück, sodass wir die jüngeren Versionen von Peter und Anna kennenlernen. Irgendwann begaben sich die beiden auf einen Pfad, der an diesem Tag auf dem blutverschmierten Küchenboden enden sollte. Wie es dazu kam, will die Serie ergründen.
Mithilfe einer jüngeren Besetzung um Damian Hardung (How to Sell Drugs Online (Fast)) wird das Bild von Generationen übergreifender Schuld, Geheimnissen und unglücklicher Zufälle gezeichnet. Was die Klettmanns in ihrer Jugend trieben, verfolgt ihre Kinder bis in das Hier und Jetzt. Damit hebt sich die Serie schon mal positiv vom Krimi-Einerlei ab, das einem die Öffentlich-Rechtlichen zwischen Tatort und SOKO: Sonstwo vorsetzen.
Gestern waren wir noch Kinder: keine Angst vor absurden Wendungen
Was die Serie von Natalie Scharf (Frühling) ebenfalls von der TV-Masse unterscheidet: Mit dem Eifer einer Telenovela und einem an internationalen Krimis geschulten Erzähltempo stürzt sie von einer Wendung zur nächsten. Da explodieren Autos nach dem Abiball, werden tödliche Bienen-Häppchen verspeist und genügend Traumata aufgefahren, die jeden Anflug von Langeweile vertreiben.
Von der beeindruckenden Anzahl an Sexszenen, die einem zum Zölibat bekehren, können House of the Dragon oder Game of Thrones indes nur träumen.
Diese Erzählwut verwandelt Gestern waren wir noch Kinder allerdings in ein unfreiwillig komisches Serien-Erlebnis. Die dramatischen Wendungen melden sich mit der Subtilität einer Brechstange in der Handlung, während die Dialoge dermaßen bedeutungsschwanger daher poltern, dass sie selbst aus den Mündern erfahrener Cast-Mitglieder hölzern klingen. Es ist eine Leistung, Schauspieler:innen wie Maria Simon und Ulrich Tukur hilflos aussehen zu lassen – nur verdient sie keinen Applaus.
So nah war das ZDF noch nie an Netflix dran
Wer also das deutsche Mare of Easttown, Big Little Lies oder Broadchurch erwartet, sollte die Erwartungen gehörig herunterschrauben. Denn obwohl die Serie sich als kriminalistisches Familienepos gebärdet, hat sie am Ende wenig über diese Menschen, ihre Beziehungen oder gar ihre Umgebung zu sagen – am wenigsten wohl über die Hauptfigur. Die von Julia Beautx gespielte Vivi wird nämlich wie eine Marionette durch die Story geschleift, bis ihr Eigenleben auf der Strecke bleibt.
Gestern waren wir noch Kinder ähnelt daher einer heteronormativen Post-Boomer-Version von Elite oder einem oberbayerischen Wer hat Sara ermordet? So nah war das ZDF noch nie dran an den süchtig machenden Netflix-Ratespielen. Ob das ein Lob ist, muss jede:r für sich entscheiden.
Gestern waren wir noch Kinder läuft ab 9. Januar 20:15 Uhr im ZDF und streamt in der ZDF-Mediathek.