Malcolm Mittendrin - Der amerikanische Traum?

18.01.2011 - 08:50 Uhr
Malcolm Mittendrin
Fox
Malcolm Mittendrin
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Über sechs Jahre konnten wir Malcolm und seiner definitiv anormale Familie beim Chaos zuschauen. In unserer Reihe Ein Herz für Serien gedenke ich der kultigen Serie, die mit einzigartigem Charme und unverwechselbarer Handschrift nicht nur mein Herz gewann.

Ein Ehepaar, das sich aufrichtig liebt. Dazu ein paar Kinder, ein Haus im Vorort, ein Auto, ein sicherer Job. Klingt im ersten Moment nach einem mehr oder weniger erfüllten Leben – nach dem, wonach so viele Menschen streben, nach dem amerikanischen Traum. Für die Familie Wilkerson (deren Name überaus selten genannt wird) stellt es sich eher als ein Albtraum heraus. Malcolm mittendrin erzählt in Parallelmontagen von den Abenteuern und vor allem Problemen der schrägen, absolut chaotischen und dennoch liebenswerten Familie aus der unteren Mittelschicht. Dass es sich hierbei um alles andere als eine Familien-Sitcom á la Alle unter einem Dach oder Hör mal, wer da hämmert dreht, wird unmittelbar klar. Dafür ist die Figurenzeichnung zu heftig, die Inszenierung zu böse und der Humor schlicht und ergreifend zu tiefgründig. Malcolm mittendrin bot von 2000 bis 2006 in sieben Staffeln und 151 Episoden ein in den Grundlagen so simples wie in der Ausführung so originelles und geniales Serienformat.

Viel Raum für viel Ärger
Der Titelheld Malcolm muss sich Tag für Tag in seiner chaotischen Familie zurecht finden. Zusammen mit seinen Eltern Hal und Lois sowie seinem größeren, hohlköpfigen Bruder Reese und dem kleineren, ebenfalls hochbegabten Bruder Dewey (und ab Staffel 4 dem jüngsten Spross Jamie) lebt er in einem kleinen Häuschen in dem imaginären Vorort Newcastle. Nachdem festgestellt wird, dass Malcolm einen IQ von 165 hat und somit hochbegabt ist, kommt er in eine Klasse für Schüler seinesgleichen. Doch seine Intelligenz schützt vor Problemen nicht – ganz und gar nicht. Dabei fokussiert sich die Malcolm mittendrin nicht nur auf seine Erlebnisse, sondern bietet aufgrund der zahlreichen Familienmitglieder und Nebencharaktere immer erneut Stoff für die schrägsten Alltagsgeschichten. Das was Malcolm im Kopf hat, fehlt seinem älteren Bruder Reese in dem seinigen. Der kleine Bruder Dewey lässt aufgrund seiner verrückten Weltansicht Eltern nicht nur lachen, sondern gleichzeitig schaudern. Der älteste Sohn Francis wurde aufgrund seiner Rebellion gegen die Mutter auf die Militärakademie geschickt – doch dort hält es ihn nicht lange. Vor dem Bindeglied der Familie und gleichzeitig der Herrscherin über Gut und Böse, Mutter Lois, haben alle Angst. Auch Vater Hal, der genauso tollpatschig und naiv wie gutmütig und liebevoll ist. Doch alle Charaktere wissen im Laufe der Serie zu überraschen und zeigen uns, was Menschen nunmal sind: keine Stereotypen.

Dank der ambivalenten Figurenzeichnung entstehen die bei Malcolm mittendrin aberwitzigsten Situationen, Konflikte und Probleme – und die Lösungen eben solcher. Immer wieder werden wir in den Mikrokosmos der Protagonisten hinein gezogen. Der Zuschauer hat beinahe das Gefühl, es geht für die einzelnen Figuren jedes mal wieder um Leben und Tod, um ein Problem, was nicht nur sie beschäftigt, sondern allem Anschein nach die ganze Welt erfüllt. Jeder Charakter ist auf seine Weise egozentrisch.

Absurder als das wahre Leben?
Malcolm mittendrin ist alles andere als eine Sitcom vom Fließband. Zu jeder Zeit sieht der Zuschauer den Geschichten um die schrulligen Charaktere ihre liebevolle, detailverliebte und hochklassige Produktion an. Die Drehbuchautoren um Gary Murphy und Larry Strawther gehören für mich zur absoluten Spitzenklasse der amerikanischen Serienautoren. Ihre Geschichten sind trotz ihrer Absurdität und Übertreibung weitaus näher am realen Leben als der naive Zuschauer im ersten Moment meinen mag. Denn was ist absurder und krasser als das Leben selbst? Aus kleinen Missverständnissen werden größte Eskapaden, aus guten Absichten entstehen böseste Folgen. Trotz der für Serien typisch oft wechselnden Regisseure bleibt sich die Serie im Kern treu. Auch wenn sie sich verändern, harmonieren die Inszenierungen mit den Geschichten. Malcolm mittendrin ist einfach eine runde Sache. Das mag auch daran liegen, dass die Köpfe hinter der Serie, die sie zum Leben erwecken – die Drehbuchautoren – in US-amerikanischen Produktionen weitaus mehr Einfluss auf die Inszenierung ausüben als wir das hierzulande kennen.

Subtil ernst
Einen nicht unwesentlichen Teil zum verdienten Erfolg von Malcolm mittendrin tragen die Schauspieler bei. Sie alle verkörpern herrlich überspitzte und gegensätzliche Charaktere, ob Frankie Muniz als Malcolm, Bryan Cranston als panischer Vater Hal, Justin Berfield als dämlicher Bruder Reese oder Jane Kaczmarek als cholerische, strenge Mutter Lois. Einfach eine moderne, überaus gelungene und katastrophale Version einer schrecklich netten Familie. Die Nebendarsteller stehen in ihrer Wirkung dem Hauptcast in nichts nach. Trotz aller Gagdichte und der Aufgabe, den TV-Zuschauer zu unterhalten, hält die vielschichtige Serie den Zuschauern den Spiegel vor und beherbergt einen für Sitcoms markant ernsten, tiefgründigen Unterton. Parallelen zu den Simpsons entstehen, denn beide Serien rechnen mit der Gesellschaft ab und verpacken das auf ihre Weise in intelligentem Humor.

Dass die Serie hervorragend ohne eingespielte Lacher funktioniert, unterstreicht die Qualität der Gags, auch wenn einem das Lachen das eine oder andere Mal im Halse stecken bleiben mag. Malcolm mittendrin steht für mich außer Konkurrenz, denn die Serie ist einfach nicht mit anderen zu vergleichen. Sie vereint auf eine unnachahmliche Art vielseitigen Humor mit Subtilität und Wahrheiten über das Leben – ohne wie bei vielen anderen Serien peinlich rührselig zu werden. Nehmen wir vieles nicht genau wie unsere Serienlieblinge viel zu ernst? Anderes hingegen wieder zu locker? Malcolm mittendrin ist Anarchie. Ist unser Leben das nicht irgendwie auch?

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