Bei In den Händen der Borg (The Best of Both Worlds), der letzten Folge der dritten Staffel von Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert, geht es tatsächlich um alles. Um den Cliffhanger gebührend würdigen zu können, schildere ich zunächst, worum es in der Folge eigentlich geht. Die eine Staffel zuvor als unbesiegbare Gegner eingeführten Borg melden sich mit Karacho zurück, und diesmal haben sie es darauf abgesehen, die ganze Erde zu assimilieren, also alle dortigen Menschen ebenfalls in Zwitterwesen aus Mensch und Maschine zu verwandeln. Während der ganzen Episode wird dem Zuschauer klar gemacht, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass die Föderation den Borg einfach nichts entgegensetzen kann. Es herrscht eine Stimmung der Ausweglosigkeit; so fragt sich Picard (Patrick Stewart) in einer Szene schicksalsergeben, ob nicht einfach das Ende der Menschheit gekommen sein mag.
Dieser Konflikt im ganz großen Maßstab wird auf einer persönlichen Ebene widergespiegelt, nämlich in der Sinnkrise von Commander Riker (Jonathan Frakes). Der hat zum dritten Mal sein eigenes Kommando angeboten bekommen, doch er kann oder will sich einfach nicht von der Enterprise trennen, auch und gerade nicht von der Vaterfigur Captain Picard. Nicht genug, dass der ihm unverhohlen sagt, aus Laufbahn-Gesichtspunkten habe Riker keinen Platz mehr auf seinem Schiff; nein, da gibt es auch noch Borg-Expertin Commander Shelby (Elizabeth Dennehy): jünger, energischer und risikofreudiger als Riker. Die ganze Zeit muss Riker mitansehen, wie sie das Ruder übernehmen möchte und die Entscheidungen treffen will, die er nicht trifft. Keine Frage, dass das einem “echten Mann” wie Riker schwer zu schaffen macht.
Immer klarer wird, dass die einzige Möglichkeit, die Borg aufzuhalten, darin besteht, ihr Schiff zu zerstören, wofür die Enterprise aber nur einen Schuss hat. Schließlich passiert das Unglaubliche: Picard wird von den Borg entführt, und Riker bleibt gar nichts anderes übrig, als im Kapitänssessel Platz zu nehmen. Nachdem auch die Mission, den Captain zurückzuholen, fehlschlägt, kommt es zur entscheidenden Konfrontation. Riker muss endlich Farbe bekennen, ob er will oder nicht: Picard, in einen Borg verwandelt, erscheint auf dem Bildschirm der Enterprise und teilt der geschockten Besatzung emotionslos-maschinenhaft mit, er sei nun Locutus von Borg; Widerstand sei zwecklos, von nun an müssten die Menschen den Borg dienen.
Während die kühl synthetische Borg-Musik noch die entsetzten Gesichter der Crew untermalt, setzen beim Schnitt auf Riker dramatisch anschwellende Streicher ein, die Kamera schwenkt ganz auf sein Gesicht, und, ähnlich emotionslos wie Locutus, befiehlt Riker Worf … zu feuern! Doch anstatt das Ergebnis dieses Befehls zu sehen, erscheinen plötzlich die Worte “to be continued …” auf dem Bildschirm, begleitet von Streichern und Pauken, die an emotionaler Wucht nicht zu überbieten sind. Ich sitze geschockt vor dem Fernseher und weiß nicht, was ich denken soll. Das kann doch nicht wahr sein! Mitten in der dramatischsten Szene, die Star Trek bisher hervorgebracht hat, einfach Schluss? Aus? Vorbei? Einen Cliffhanger gab es doch noch nie bei der Next Generation! Was wird denn nun werden? Der Captain, ein Borg! Riker lässt auf ihn schießen! Auf Picard! Und jetzt? Das geht doch nicht!
Zugegeben, ganz so dramatisch war die Sache in Deutschland gar nicht, da hier die Fortsetzung schon am nächsten Tag kam (wenn auch gegenüber den USA mit drei Jahren Verspätung), und nicht wie in Amerika erst nach drei Monaten. Aber wenn ich mir vorstelle, wie entsetzt Star Trek-Fans vor den amerikanischen Bildschirmen gesessen haben müssen, läuft mir noch immer ein wohliger Schauer über den Rücken.
Diesen Cliffhanger hat für mich in seiner Intensität keine andere Star Trek-Folge, und auch keine Folge einer anderen Serie, je wieder erreicht. Im Hintergrund die Konfrontation Menschheit gegen Borg, im Vordergrund das Duell Picard gegen Riker, “Vater” gegen “Sohn”. Und für Riker ist die einzige Entscheidung, die er zum Wohle der Menschheit treffen kann, ja treffen muss, ein Schwert, wie es zweischneidiger nicht sein kann: Endlich ist die Chance da, aus Picards Schatten zu treten, allen zu zeigen, dass er Verantwortung übernehmen kann. Zugleich bedeutet sie aber auch, seinen Captain zu töten. Und alles kulminiert in dieser letzten Szene, die die Folge in genau dem Augenblick beschließt, in dem die Handlung eigentlich weitergehen muss! Diese Szene ist es, die mir auch beim x-ten Ansehen noch die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.
Und jetzt seid ihr dran: Was ist euer Lieblings-Cliffhanger, und warum?