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Meine erste Begegnung mit Hannibal Lecter

29.08.2015 - 09:00 Uhr
Hannibal
MGM
Hannibal
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Herzlich willkommen in der Symphonie des Grauens!

Als ich "Hannibal" das erste Mal sah, konnte ich nur grob erahnen, was in den folgenden 135 Minuten auf mich zukommen würde. Ich freute mich an jenem Samstag darauf, den Abend alleine verbringen zu können, während meine Eltern auf einer Geburtstagsfeier waren. Mein 14-jähriges Ich konnte nur an all die Horrorfilme denken, die mir noch verwehrt waren. Ich musste die Chance nutzen und erhaschte ein interessantes Bild in der Fernsehzeitung: Ein Mann mit einer seltsamen Maske, die seinen Mund vollständig verhüllt. Schlagwörter wie "Kannibale" und "Serienkiller" entfachten meine Neugier. Doch vor allem bei einem Namen wurde ich stutzig: "Hannibal Lecter? Sagt mir irgendwas."

Prompt sah ich mir diesen Film namens "Hannibal" an und es dauerte nicht lang bis mein Bauch kribbelte vor Aufregung. Was über diesen Hannibal im Film erzählt wurde, sorgte für große Augen und riesige Neugier. Mir wurde mulmig, vor allem als ich Mason Verger sah und anschließend hörte wie er von diesem Hannibal so entstellt wurde. Wer ist dieser Mann, den alle jagen wollen? Wann sieht man ihn? Wo lauert er? Was macht so jemand in der Freiheit? Schon da war mein Kopfkino enorm.

In der Capponi-Bibliothek im wunderschönen Florenz begleitete ich schließlich den örtlichen Chef-Inspektor Rinaldo Pazzi zu einer Befragung von einem gewissen Dr. Fell. Pazzi trat näher zu einem äußerst elegant gekleidetem, schon etwas älterem Mann. Er drehte sich um, ich sah sein Gesicht und plötzlich bekam ich eine Gänsehaut. "Das ist er doch...oder?" Ich war mir sicher, aber nicht gänzlich. Ich lauschte dem Wortwechsel von Pazzi und Dr. Fell und staunte über die Rede-Gewandheit dieses Doktoren. "Scheint ein sehr schlauer und sehr höflicher Mann zu sein", dachte ich mir. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies ein kannibalistischer Serienkiller sein soll. Aber irgendetwas war faul an ihm. Dieser Blick. Dieser kalte, unnachgiebige, einschüchternde Ausdruck in den Augen. Als ob er den Inspektor genau durchleuchten will. Von diesem Moment an, war ich vollends in diesem Film drin und er hat mich nicht eine Sekunde wieder losgelassen.

Es war unvergleichlich spannend, mit Inspektor Pazzi über diesen Dr. Fell nachzuforschen und ihn zu beobachten bis uns klar wurde: Das ist Hannibal Lecter! Mörder von mindestens 14 Menschen und einer der 10 meist gesuchten Straftäter des FBI! Wenn Pazzi und Lecter von nun an aufeinander trafen, war die mögliche Bedrohung nahezu spürbar. Pazzi und ich wussten über Lecter bescheid. Wir waren quasi in der selben Zwickmühle. Dieser Doktor könnte aus heiterem Himmel angreifen und beißen. Jetzt schön cool bleiben und nichts anmerken lassen. Doch da war wieder dieses seltsame Gefühl, als Lecter sich die Handschuhe über zog und Pazzi zwar freundlich, aber auch eindringlich anstarrte. "Könnte Lecter etwa wissen, dass er entlarvt wurde? Nein, woher sollte er? Naja, er ist auf der Flucht. Er muss vorsichtig sein. Wer weiß wie stark er sicher geht? Oh, mein Gott. Pazzi, lass uns raus hier!", sagte ich...

Das ging noch mal gut. Doch auch das nächste Mal? Ich ließ mich einfach wieder von der Geschichte fesseln und hörte auf zu denken. Ich schaute einfach nur noch zu und ließ mich von dieser Geschichte ins Sofa pressen. Mein Bauch kribbelte, meine Augen waren weit geöffnet und ich erlebte einen Film mit dämonischen Bildern sowie eine an den Nerven zerrende Spannung, die ich niemals vergessen werde.

Doch mit dem Älterwerden entdeckte ich weitaus mehr als nur den größten Nervenkitzel überhaupt für mich, der nebenbei in einem berüchtigten Abendessen gipfelte und mir schließlich völlig den Magen umgedreht hat. Ich verstand Charaktere und Geschichte nach jedem Mal immer besser und begann, diesen Film mehr denn je zu lieben. Mir wurde immer klarer wie einzigartig, weitreichend, bizarr und tatsächlich auch wie wunderschön dieser Film ist. Bis heute bin ich immer wieder fasziniert von dieser sehr romantischen Horrorgeschichte, die sich um Themen wie Zuneigung und Korruption dreht. Des Weiteren findet man hier einen fesselnden Krimi und einen geistreichen Psycho-Thriller mit unvergesslichen Charakteren, Bildern und Musik.

Es gibt 4 sehr wichtige Charaktere. Jeder von ihnen kocht sein eigenes Süppchen, verfolgt eigene Ziele und hat mindestens einen Glanz-Moment. Eine klare Einteilung von Schwarz und Weiß gibt es nicht wirklich. Man kann die Perspektive eines jeden Charakters nachvollziehen und das Sympathie-Empfinden von mir als Zuschauer wechselt ständig. Anfangs bin ich auf Clarice Starlings Seite und auch ein wenig auf der von Mason Verger, danach bin ich voll in Pazzis Perspektive drin, dann folgt sogar Hannibal und letztendlich war ich wieder vollends hinter Clarice Starling. Ihren emotionalen Zwiespalt gegenüber Lecter vermittelt Julianne Moore super. Auch die knallharte und disziplinierte FBI-Agentin spielt sie gut heraus, ebenso ihre Einsamkeit im FBI. Eine starke Persönlichkeit, die von Lecter etwas Wunderschönes lernt, dass mir jedes Mal Gänsehaut bringt:

Alles, was sie braucht um sich ihren Mut und ihre Unbestechlichkeit vor Augen zu halten sind nicht die Urkunden vom FBI, sondern ein Blick in den Spiegel. Der Film hat ein hervorragendes Ende, in dem Starling sich trotz allem treu bleibt. Obendrein bleibt im Abspann immer noch ein Schauer übrig, wenn man an Hannibals letzte Szene denkt.

Ich habe selten einen Film gesehen, der in Sachen Bildgestaltung und Musik so wunderschön ist und gleichzeitig auch so teuflisch sein kann. Es entspricht perfekt dem ambivalenten Charakter Hannibals. Die Filmmusik vermittelt hervorragend die zwei Seiten Hannibals. Da ist einerseits dieser intelligente, kultivierte, überaus höfliche Genießer und andererseits auch der Psychopath. Angst und Schönheit vermittelt die Musik mit wunderschönen Melodien zugleich grandios. Einer der wundervollsten Soundtracks überhaupt.

Dr. Hannibal Lecter ist einer dieser Charaktere, die man nie vergisst. Eine derartige Faszination und gleichzeitige Furcht habe ich selten empfunden, als ich Dr. Lecter das erste Mal erlebt habe in diesem Film. Es war schockierend und überwältigend. Als ob der Teufel mich höchstpersönlich anblickte. Ein Genie, dem keiner was anhaben kann und welcher letztendlich alle Fäden in der Hand behält. Ein Film voller unvergesslichen Szenen, bei denen es einen kalt den Rücken runter läuft, unvergesslichen Dialogen, die so spannungsgeladen sind, dass sie niemals langweilig werden und hochinteressante Charaktere. Gigantischen Dank an Ridley Scott, Thomas Harris, Anthony Hopkins und allen weiteren Beteiligten, die hier wahrlich Großes Kino geschaffen haben.

Dieser Film ist eine Symphonie! "Tata, Hannibal."

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Dieser Community-Blog ist im Rahmen der Aktion Lieblingsfilm 2015 entstanden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Medienpartnern und Sponsoren für diese Preise:


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