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Meine Helden tragen Strumpfhosen

29.08.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Episches Lineup meiner Lieblingshelden
Columbia Tri-Star Filmgesellschaft mbH
Episches Lineup meiner Lieblingshelden
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Mein Evergreen - Pun intended ;) Tja. Ich dachte, ich müsste lange überlegen, was mein Lieblingsfilm ist. Tatsache ist, dass ich zwar darüber nachgedacht habe...aber nur für 10 Minuten. Erst dachte ich an den ersten Sherlock Holmes von Guy Ritchie (immer noch einer der besten Filme aller Zeiten für mich) und dann an Kingsman. Aber da drängelte sich dann – frech, vorlaut und trampelig wie er ist – ein anderer vor. Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen, um ganz zu umfassen, was diesen Film so besonders macht.

Vor langer, langer Zeit...naja, zumindest lang für mich...als Klein-Ich sieben oder acht Jahre alt war, war „Filmeschauen“ noch eine Besonderheit mit der ganzen Familie am Samstag- oder Freitagabend. Und alles noch auf Video.
Und eines schönen Filmeabends beschlossen Klein-Ichs Eltern, spitzenmäßig wie sie eben sind, dass ihre Tochter endlich ein komödiantisches Meisterwerk kennenlernen sollte.
Und schon die Eröffnungsszene schaffte es, das Herz der Siebenjährigen zu erobern. Zum ersten Mal so richtig lachen musste sie bei dem Chefquäler (warum zum Geier unterringelt mein Word ein solches Wort nicht? Was hat dieses Programm für einen Wortschatz??) mit dem Zungenlockerer für Herrn Robin von Locksley...

Ja, bei meinem absoluten Lieblingsfilm, den ich an diesem Abend kennenlernte, handelt es sich um Mel Brooks‘ saudämliche, zeitlose, Kevin-Costner-durch-den-Kakao-ziehende Mittelalterpersiflage "Helden in Strumpfhosen".
Den Film zusammenfassen werde ich jetzt nicht, hier geht es um eine innige Beziehung und nicht um so nebensächliche Sachen wie Handlung! Es ist Mel Brooks in Topform, nuff said. Für die angemessene Stimmung ab jetzt folgenden Song laufen lassen:

Klein Ich verstand an diesem Abend vielleicht 50 Prozent der Witze, Anspielungen und kulturellen Zitate. Doch sie war gefesselt und hellauf begeistert. Er war albern. Und lustig. Und irgendwo ja doch verdammt spannend. Eine klasse Liebesgeschichte und eine durchgeknallte Truppe von Freunden. Und Strumpfhosen! Und gute Musik.

Und von da an ging es immer weiter. Als Klein-Ich endlich begriffen hatte, wie der Videorekorder funktionierte, wurde das samstags ausgenutzt, immer dann, wenn ihre Eltern lange im Geschäft bleiben mussten. Da konnte man frei über die Filmesammlung verfügen und sich heimlich vor die Flimmerkiste packen – und irgendwie fand immer und immer wieder dieser Film seinen Weg in den Rekorder.
Wenn Klein-Ich beim barfuß durch den Garten toben (Schuhe sind was für Loser!) mal wieder in eine Biene getreten war und verheult und mit einem Eisbeutel auf dem Fuß im Wohnzimmer saß, wurde gefragt, ob man einen Film schauen sollte.
„Helden in Strumpfhosen!“ Da meine Eltern den Film auch liebten wurde er eben eingeworfen. Der „Wieder Anschauen“-Wert dieses Films ist definitiv sehr, sehr sehr hoch. Die Witze sind niveaulos, ohne Fremdscham-Potential zu entwickeln (zumindest aus meiner Sicht), die Kostüme sind der Knaller und er ist einfach völlig vollgestopft mich Anspielungen auf ALLES.

Der Film fand mich immer wieder, auch außerhalb des Wohnzimmers. Er wurde Teil meines Leben: Als erster Nicht-Zeichentrick-Charakter wurde der Südstaatenadelige Will Scarlett O’Hara mein Filmschwarm (ist er immer noch...) und den „Men in Tights“-Song grölte ich in sehr gebrochenem, aber begeistertem Englisch mit. Robin Hood gab es für mich immer nur einen – den mit dem Patriot Arrow. Die Witze sind einfach so doof, dass sie sich immer irgendwie überall anwenden ließen. Und die Musik ist ein echter Ohrwurm. Kein Wunder – die Songs hat Mel schließlich auch geschrieben.
In der sechsten Klasse hing ich plötzlich in einer Englischstunde lachend über meinem Buch und die ganze Klasse sah mich an, als wäre ich jetzt komplett durchgedreht. Das Thema im Greenline-Englischbuch war gerade „Robin Hood“. Und zum Üben der neuen Grammatik hatte uns der Verlag mit einer langen Sprechblase über dem bösen Sheriff von Nottingham beehren wollen. Nur, dass sie ihre Infos nicht so gut beieinander gehabt hatten...auf dem Bild war keine Figur aus einem Kevin-Costner-Film abgebildet, sondern tatsächlich der Sheriff von NUTTINGHAM aus Mel Brooks‘ Version. Am selben Abend wurde der Film eingeworfen.

Über viele, viele Jahre heiterte mich dieser Film auf, wenn ich nicht gut beieinander oder krank war, und wir wuchsen irgendwie zusammen auf. So fühlte es sich zumindest an. Wir lernten einander kennen – denn mit den Jahren und der zunehmenden Lebenserfahrung und dem angesammelten Wissen verstand ich immer mehr Witze, erkannte ich immer mehr versteckte Anspielungen. Ich entlockte dem Film so langsam jedes noch so dämliche, plumpe oder vielleicht doch raffinierte Geheimnis, wie bei einem guten Freund. Ich habe ganz schön lange gebraucht, um den Namen der Kammerzofe zu verstehen. Die Anspielung auf Clint Eastwood mit dem dreckigen Luigi habe ich erst vor zwei Jahren so richtig gepeilt. Seit ich mich mehr mit Filmen und Schauspielern beschäftige, freue ich mich über den Cameo von Patrick Steward als King Richard am Schluss umso mehr. Und mit 15 stolperte ich dann über den amerikanischen Comedian Dave Chapelle und erkannte ihn kurz darauf in Robins Kumpel Hatschi wieder.
Als mein bester Freund aus Würzburg mich mit 16 nach Jahren mal wieder besuchte, erwähnte er, dass er „Helden in Strumpfhosen“ nicht kannte. Das wurde SOFORT behoben. Und das habe ich bei unzähligen Freunden und Verwandten so gemacht. Manchmal muss man Leute auch zu ihrem Glück zwingen.

Und dann wurde bis dato Klein-Ich endlich volljährig. Sie wollte etwas Besonderes als Feier machen: Kino! Nur für uns, also mich und meine Freunde. Also wurde der Kinosaal in unserer Kleinstadt für zwei Stunden gemietet. Die Frage, welchen Film wir anschauen sollten, war SOFORT beantwortet: Helden. In. Strumpfhosen.
Das Gefühl, den Film so zu erleben, wie es für die Leute, die ihn damals zum ersten Mal live gesehen hatten, war fast schon rührend. Auch auf der Leinwand konnte sich mein alter Freund in neuer Pracht echt sehen lassen. Selten habe ich so viel Gelächter in diesem Kinosaal gehört. Und niemand hat mir die Filmwahl übel genommen, im Gegenteil!

Als ich an die Uni kam und meine Unifreunde das erste Mal zu mir nach Hause kamen, wurde dieser Film ausgepackt. Inzwischen natürlich auf DVD. Sie alle haben mich und den Film verstanden. Wer ihn mag, mag vermutlich auch mich. Ich bin genauso bescheuert.

„Helden in Strumpfhosen“ ist ein Teil meines Lebens. Er ist inzwischen zu einem Teil meiner Persönlichkeit mutiert. Ich zitiere ihn am laufenden Band. Wenn irgendwo ein Freund etwas ablehnen sollte, kommt von mir ein „Sag einfach NÖ!“ und gebetet wird nur in Neu-Latein. Wenn ich wo dagegenrenne, rufe ich begeistert „Ich kann wieder sehen!“ und renne gleich nochmal dagegen.
Manchmal will ich auch das Drehbuch rausziehen und allen unter die Nase halten, damit alles so läuft, wie ich will. Und Fuchsen fände ich immer noch ein tolles Kommunikationsmittel.
Der Film hat einen Ehrenplatz im Regal und wird jedem um die Ohren gehauen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Ich liebe ihn heiß und innig und lache immer noch jedes Mal. Der Tag, an dem ich mich nicht mehr für dieses im wahrsten Sinne des Wortes "Evergreen" begeistern kann, ist der Tag, an dem ich mein Testament machen und meine DVD-Sammlung weggeben sollte. Und Will Scarlett finde ich immer noch toll. Manche Dinge ändern sich nie. Gottseidank.


~

Dieser Community-Blog ist im Rahmen der Aktion Lieblingsfilm 2015 entstanden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Medienpartnern und Sponsoren für diese Preise:


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