Michael Haneke verknotet Das weisse Band zu einer meisterhaften Parabel

15.10.2009 - 08:51 Uhr
Das weiße Band
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Das weiße Band hat die deutschsprachigen Feuilletons im Sturm erobert. Doch was darf Otto-Normal-Zuschauer erwarten: Lehrstück mit erhobenen Zeigefinger oder Meisterwerk in Schwarzweiß?

In einem Dorf im protestantischen Norden Deutschlands am Vorabend des Ersten Weltkriegs herrschen klassisch-patriarchische Strukturen bis sich eines Tages mysteriöse Unfälle ereignen. Dies ist das Handlungsgerüst von Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte, dem neuen Film von Michael Haneke, der heute anläuft.

Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte wurde dieses Jahr in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, dem wichtigsten Preis für Arthouse-Filme. Darüber hinaus geht das Dorf-Drama für Deutschland ins Rennen um den Oscar. Die Kulturjournalisten sind sich weitgehend darüber einig, dass Michael Haneke einen herausragenden Film abgeliefert hat. Doch unter die Lobeshymmnen mischen sich auch negative Stimmen.

Anke Westphal von der Berliner Zeitung sah einen großartigen Film: “Dieser Film ist das Ungeheuerlichste, Schönste und Größte, was dem deutschsprachigen Kino seit langem widerfahren ist: Er ist spannende Kriminalerzählung, analytisches Gesellschaftsbild und horrendes Psychogramm in einem. Er zeichnet das Porträt einer Gemeinschaft, die sich ausschließlich auf Autorität gründet und ihre Prinzipien durch das permanente Erzeugen von Schuldgefühlen, ständige Strafandrohung und tatsächliche Bestrafung durchsetzt.” Besonderes lob spricht sie den Nachwuchs-Darstellern aus: “Jedes Kind, das nun in diesem Film zu sehen ist, hätte einen Darstellerpreis verdient.”

“Ein Meisterwerk” nennt Christina Tilmann vom Tagesspiegel Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte: “Das sind Bilder, wie man sie aus der Kunst kennt, aus den aufgeräumten Stuben, den leeren Landschaften der Niederländer, den kargen Interieurs eines Edvard Munch, aber auch aus den existenzialistischen Filmen eines Ingmar Bergman. Und wie Kunstwerke sind auch die einzelnen Einstellungen gebaut, mit Blicken durch Türen, durch Fenster, die als Rahmen stehen bleiben, ein ewiges Spiel mit Drinnen und Draußen, mit Begrenzung und Ausblick, jedes Bild eine Bühne, und gespielt wird das große Stück von Leben und Tod.”

Bereits aus Cannes berichtete Tobias Kniebe von der Süddeutschen Zeitung: "Michael Haneke erklärt […] nicht gern, das kennt man schon, aber die bewussten Verrätselung im “Weißen Band” wirkt aufgesetzt." Man folge der Handlung jedoch gern und hoffe “die ganze Zeit, die vielen bösen Miniaturen mögen sich zu einem zwingenden Thema verdichten. Aber das passiert nie, und am Ende fallen die Einzelteile, die auch in der Tonalität wild zwischen Vorkriegspathos, Bierbichler-Grummelei und Rückfällen ins Psychodrama der Gegenwart schwanken, recht folgenlos auseinander.”

Unterm Strich lässt sich festhalten, dass Hasser der Filme von Michael Haneke wohl kaum von Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte bekehrt werden. Feuilleton-Junkies hingegen haben keine andere Wahl, als sich ins nächstgelegene Arthouse-Kino zu begeben.

Hier ist der Trailer zu Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte

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