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"Mr. DeMille, I'm ready for my close-up"

20.01.2015 - 22:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Dass Billy Wilders Film „Sunset Boulevard“, in dem er meisterhaft Krimi, Thriller, Drama und Satire kombiniert, ein ausgezeichneter Klassiker der Filmgeschichte ist, das ist (hoffentlich) allen Filmfreunden klar. Über den Film selbst muss man daher kaum noch weitere Worte verlieren. Da aber eine weitere Ehrdarbietung nie schaden kann, möchte ich das hier mit einem modifizieren alten Kommentar tun.  Eine Verbeugung vor dem Star des Films. Eine Verbeugung vor Norma Desmond, dargestellt von Gloria Swanson.

Als einst großartige Schauspielerin, als Star der Stummfilmzeit wurde sie gefeiert. Scharen von Fans hatte sie, Verehrer. Mit den bekanntesten Regisseuren ihrer Zeit hat sie gearbeitet. Sie hatte alles: Schönheit, Macht, Geld, Erfolg. Doch ihre Karriere ging bergab. Nun lebt sie zurückgezogen in einer halb verfallenen Villa, zusammen mit ihrem Diener Max von Mayerling (Erich von Stroheim). Lediglich das Geld ist ihr geblieben. Und, noch wichtiger für sie, ihr Selbstbild, ihr Ego, ihre Allüren. Ihr Star-Sein.

I am big. It's the pictures that got small.

Sie sieht sich immer noch als den großen Star. Zu groß für die Filme. Zu berühmt. Sie braucht darum einen Film, der ihrer scheinbaren Größe würdig ist. Norma träumt noch immer davon, wieder ins große Scheinwerferlicht Hollywoods treten zu können. Und dies will sie mit Hilfe des Drehbuchautor Joe Gillis (William Holden) schaffen, der das von ihr verfasste Drehbuch bearbeiten soll. Ich persönlich bin einerseits von dieser Frau angewidert. Von ihrer Oberflächlichkeit, von ihrer Kurzsicht. Aber dennoch, sie hat was. Diese Figur ist gehört zu den besten und größten Figuren, die ich bisher in der Filmwelt sehen durfte. Irgendwie bin ich merkwürdig fasziniert von ihr. Wahrscheinlich genauso wie Joe Gillis.

Und an diesem Zauberfädchen,
das sich nicht zerreißen lässt,
hält das liebe, lose Mädchen
mich so wider willen fest.
Muss in ihrem Zauberkreise
leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung, ach wie groß.
Liebe! Liebe! Lass mich los.

Liebe ist es zwar wohl eher nicht und trotzdem finde ich diese Strophe aus Goethes „Neue Liebe, neues Leben“ enorm passend für die Beziehung von Joe zu Norma. auch er findet diese Figur einerseits abstoßend oder zumindest nicht gerade attraktiv, andererseits ist er auf eine gewisse Art und Weise von ihr angezogen. Liebe ist es zwar sicher nicht. Zunächst ist es wohl nur ihr Geld, er will seine eigene Situation einfach verbessern, dann aber auch nach und nach vom opulenten Lebensstil. Und letztlich von ihrer Dominanz, Geradlinigkeit, ihrer opernhaften Theatralik. Er wird in ihren Bann gezogen. Als es ihm zu viel wird, da will er fliehen, will sein eigenes Leben leben. Auf seine Weise. Aber er kann es nicht. Sie hält ihn fest bei sich. Sie duldet es nicht, dass er sie wieder verlässt, denn nur Norma bestimmt, wann er geht - und ob er geht.

Die Figur alleine wäre aber wahrscheinlich nur halb so grandios, wenn sie nicht von Gloria Swanson so perfekt verkörpert worden wäre. Ach, was heißt verkörpert, die Schauspielerin verschmilzt quasi mit ihrer Figur. Wenn man so will eine Glorma. Swanson hat selbst erlebt, wie es Norma im Film erging. Auch sie war in der Stummfilmzeit ein gefeierter Star. Sie hat zwar den Übergang zum Tonfilm vielleicht noch einigermaßen meistern können, doch auch ihr Stern begann sehr schnell zu sinken, wie es schon so vielen anderen Star ergangen ist. Erst durch die Rolle in Wilders Film konnte sie noch einmal zu großem Ruhm kommen. Ähnlich, wie es auch Norma mit ihrem Film in Sunset Boulevard - Boulevard der Dämmerung schaffen wollte.

Dass Swanson die Figur Norma Desmond vielleicht nicht nur spielte, meinte wohl auch Billy Wilder, der über seine Hauptdarstellerin sagte, dass sehr viel von Norma auch in ihr stecke. Nicht nur die Parallelen im Werdegang, auch das Verhalten der realen und der erfundenen Filmdiva gleichen sich sehr: Arroganz, Selbstverliebtheit. Starallüren. Swanson sah es nämlich als überflüssig an, dass ein Star ihres Kalibers sich auch noch zu einem Vorsprechen herablassen sollte. Sie war größer als der Film. Der Film musste ihr entsprechen, nicht umgekehrt. She is big. It's the pictures that got small. Zum Glück aber hat Swanson es getan. Sie hat sich sozusagen gedemütigt, ist von ihrem hohen Ross heruntergekommen und zu diesem Vorsprechen gegangen. Es war das beste, für sich (Oscarnominierung) und auch für den gemeinen Filmfreund. Denn sie spielt diese Norma einfach toll.

We didn't need dialogue. We had faces!

Schon Mimik und Gestik sind phänomenal. So übertrieben, wie es nur ein Stummfilmstar machen konnte, aber dabei so glaubwürdig, als erzähle Swanson von ihren eigenen Sehnsüchten, Hoffnungen, Wünschen, Träumen. Man kann die Sehnsucht nach Ruhm in jeder Sekunde in ihren Augen lesen, ihre Leidenschaft für die Schauspielerei sowie schließlich auch den Wahnsinn, der nach und nach von ihr Besitz ergreift. Ihre Augen zeigen darüber hinaus noch etwas anderes: Kälte und Kalkül. Sie beobachtet ganz genau und duldet dabei keinen Widerspruch. Sie, Norma ist es, die bestimmt. Sie hält jeden anderen in ihrem Zauberkreis. Joe. Auch Max. Und sie zeigt allen anderen, dass sie der Star ist. Sie steht im Mittelpunkt und sie würde alles dafür tun, wieder in der anerkannte Star zu sein und in der Öffentlichkeit zu stehen. Wie Gloria Swanson es auch tat.

Um die Person Norma Desmond vollends zu beschreiben, ist diese letzte, abschließende Szene des Films für mich am beeindruckendsten. Sie zeigt alles, wofür Norma lebt, wofür sie isst, schläft, atmet und sie sagt so viel mehr aus über Norma als alle geheimnisvollen Darstellungen zuvor: Zwischen zahlreichen Journalisten und ihren Kameras schreitet Norma Desmond die Treppe hinab, alle Blicke auf sie gerichtet. Sie selbst wandelt mit Schmuck und Tüchern bepackt langsam vorwärts, Schritt für Schritt, wie in Trance. Ihr Gesicht schon fast zur Grimasse verzogen. Am Fuß der Treppe bleibt sie stehen. Hier fühlt sie sich zu Hause, hier ist sie daheim. Auf der großen Bühne, im Scheinwerferlicht. Hier ist sie sie selbst.

You see, this is my life! It always will be! Nothing else! Just us, the cameras, and those wonderful people out there in the dark!... All right, Mr. DeMille, I'm ready for my close-up.

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