Ein knusprig-brauner Wolfgang Bosbach gastiert in der ersten Neo Magazin Royale-Ausgabe seit der Sommerpause, quasi als legitime Fortführung der öffentlich-rechtlichen Sommer-Interview-Reihe, nur eben im Hipster-Rahmen von ZDFneo. Mit dem professionellen Talkshow-Frequentierer Wolfgang Bosbach schnackt Jan Böhmermann auch knapp zehn Minuten über Dinge, die man ebenso in einer Gesprächssendung hätte besprechen können oder besser gar nicht. "WoBo" ist ein auserzählter, ausgewrungener Studiogast, und bei Wetten, dass..? hätte man gesagt, der kommt nur, weil er es nicht weit hat bis ins Studio. Das Neo Magazin Royale - dort geschieht nach wie vor selten wirklich Unüberlegtes - weiß sehr genau um diesen Umstand und Wolfgang Bosbach wahrscheinlich ebenfalls, weshalb er die zeitfüllenden Böhmi-Spielchen bereitwillig über sich ergehen lässt. Aber was heißt schon, über sich ergehen lassen? Am liebsten sitzt Wolfgang B., von dem wir erfahren, dass seine Frau schon vor der Verehelichung Bosbach hieß*, doch bei Markus Lanz, ist also großer Anhänger des unjournalistischen belang,-inhalts,- und gänzlich würdelosen Spätabendgeplänkels. Weil das Neo Magazin weiß, dass es für Wolfgang Bosbach nur eine weitere Kerbe am Bettkasten ist, bügelt Jan Böhmermann ihm stilisierte Logo-Buttons jener Talkshows auf eine Jeans-Weste, bei denen er bereits zu Gast war. Für alle hätte der Platz wahrscheinlich nicht genügt.
Im
Grunde tun wir in dieser Auftakt-Sendung der neuen Neo Magazin-Staffel
nichts anderes, als der Show beim reflektierten Verhandeln ihres gegenwärtigen Seins zuzuschauen. Dazu gehört die Langeweile, der Stillstand im
Studio, der einsetzt, als Wolfang Bosbach dorthinein hüpft,
dynamisch wie ein junges Reh, mit fescher Sneaker-Anzug-Kombination, fast Grandpa-Dandy-Hipster. Dazu gehört aber auch alles, was vorher
passierte, im August, Juli, Juni, Mai und April. Jan Böhmermann
verwaltet seit Erdogate behutsam den kochenden Kreativitätskessel
der Neo Magazin Royale-Redaktion. Das Neo Magazin Royale dreht sich währenddessen vor allem um sich selbst. Der Verafake war, im
Nachhinein betrachtet, eine Leuchtrakete mit allerbestem Timing, dessen Planung ja in friedlicheren Zeiten wurzelt. In
den Sommer verabschiedete sich die Redaktion mit einem drögen,
bisweilen selbstverliebten Medley aus alten Hits und kaschierte damit nur
notdürftig ihre durchaus nachvollziehbare Lähmung.
Sehr rasiert, nicht im übertragenen Sinne, kommt Jan Böhmermann selbst aus der Sommerpause. Zudem ebenfalls gebräunt, und nicht, wie es sich gehört, blass, wie der Blassedünnejunge, sein Alias neben POL1Z1STENS0HN und Stefan Raab für Gymnasiasten. Das Wort braun fällt übrigens noch ein paar Mal während der Sendung, zwar nicht im Zusammenhang mit Wolfang Bosbachs Gullisturz oder Toskana-Teint, dafür aber im AfD-Block. Zwecks Erinnerungs-Auffrischung stellt die Show dem Auftritt ihres Masters eine stilisierte Zusammenführung wichtiger vergangener Ereignisse voran. Ein Was bisher geschah ...-Zusammenschnitt. Hier will niemand irgendwas vergessen lassen, oder den Verdacht aufkommen lassen, Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Bei kecken Erdoğan-Verweisen diszipliniert ein schriller Alarm den Moderator zur Unterlassung.
Dass ich so sackdoof, feige und verklemmt bin, jetzt auch noch Witze über die Türkei zu machen, das können sie nicht erwarten!
Der Zeit-Kolumnist Thomas Fischer und Jan Böhmermann haben in der Ausübung ihrer öffentlichen Intervenier-Haltung einen Charakterzug gemein: Beide suhlen sich zu Beginn ihrer wöchentlichen Abhandlungen über das gesellschaftliche Geschehen genüsslich in den kritischen Reaktionen auf ihre Polemiken. Damit wollen sie transparent und kritikfähig wirken, ihr Debattierstil kommt aber oft eher arrogant als tatsächlich reflektiert rüber. Im Neo Magazin ist es der schwer bepackte Beef-Träger gefolgt von einem Beef-Bagger, der Hassbriefe und Pakete mit draufgemalten Penissen herankarrt. Zum Vorlesen fehlt die Zeit, deshalb moderiert Böhmermann zur Mitte der Sendung vorfreudig ein neues brachiales Rap-Video mit gewagter Pointe (siehe Bildergalerie) an, das die Großtaten der letzten Monate im POL1Z1STENS0HN-Modus lobpreist. Böhmermanns genüssliches Remixen der Kritik, man könnte seinen Weggrinse-Gestus eben auch überheblich nennen, peitscht eine Warnung vor sich her, dass ihm im Grunde alles, jede Reaktion, selbst die Anzeige eines Staatsoberhauptes, bestens in den enger werdenden Satirikerkragen passt. "Alles Satire heutzutage, doch die echte kommt aus der Sparte", rappt Dendeman galant zum Ahnma-Bootleg. Genau, die Sparte.
Böhmermann
inszeniert sich mühsam zurück in die behagliche
Außenseiterposition, die gewohnte Sparte, die ihm derzeit sowohl Schutz als auch Deckung
für kommende Manöver entrichtet. Wer glaubte, die Einschaltquoten und
Popularität würden nach dem Comeback Mitte Mai durch die Decke
gehen, wurde ohnehin enttäuscht bzw. um eine böse
Vorahnung erleichtert. Böhmermann bleibt bis zu einem gewissen Grad
Nische.
Er ist jetzt zwar gebräunt und bartlos wie ein BWL-Student, aber wieder mehr blasser Nerd und Außenseiter als noch im Mai.
Die Sommerpause kam da gerade recht, die unliebsame Popularität trocknete darin wieder ein wenig zusammen. Die Auftakt-Show wurde von 330.000
Zuschauern gesehen. Bei der Auswertung im Hauptprogramm kommen erfahrungsgemäß
nicht allzu viele hinzu, eher noch aus dem Internet. Dass Böhmermann das genügt, er seinen Wert nicht in Reichweiten bemisst, betont er regelmäßig in seinem Spotify-Podcast Fest & Flauschig. Die Erwartungen an ihn sind dennoch zweifellos gewachsen, genau wie das Publikum.
Na, Focus online, machst du mit meinem Namen wieder Klicks?
Ein weiterer Aspekt des gegenwärtigen, etwas frustrierenden Seins des Neo Magazins: Die Untätigkeit in der Sommerpause, das machtlose Zuschauen bei Istanbul, Brexit und AfD-Provokation. Das ist auch das zweite große Thema der Sendung: die Fülle jener Themen, die dem Neo Magazin-Fangnetz entwischten. Den Stillstand, das ist gewiss, wird das Neo Magazin Royale nicht mehr lange bewahren können und wollen. Beim atemlosen Echauffieren über die Abwesenheit während des ganzen schönen, furchtbaren, absurden Sendungsmaterials fiel Böhmermann glatt der Gestikulierbleistift aus der Hand.
*Bosbach ist laut Bosbach ein recht häufiger Familienname in Bergisch Gladbach.