Daredevil: Born Again ist eine der besten Marvel-Serien – vergisst aber eine große Stärke des Netflix-Originals

06.03.2025 - 09:09 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Daredevil: Born Again
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Marvel-Held Daredevil kehrt nach über sechs Jahren Pause in einer eigenen Serie zurück – nicht mehr bei Netflix, sondern bei Disney+. Hat sich Warten gelohnt? Das erfahrt ihr in diesem Serien-Check.

Eine Gruppe Kinder singt in schiefsten Tönen die Starship-Hymne We Built This City. Zuschauer dieses Cringe-Spektakels ist niemand Geringeres als Ex-Gangster Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio), dessen verzerrtes Lächeln jeden Augenblick einem unaussprechlichen Akt der Gewalt weichen könnte. Kinder werden zwar keine verletzt, aber die Spannung ist unerträglich.

Keine Marvel-Serie wurde in den letzten Jahren gleichermaßen mit so viel Vorfreude und Angst erwartet wie Daredevil: Born Again, die am 5. März 2025 endlich bei Disney+ gestartet ist. Immerhin wird hier eine der beliebtesten Superhelden-Serien aller Zeiten wiederbelebt. Der Wechsel vom einstigen Defenders-Universum bei Netflix ins MCU bei Disney+ ist zwar nicht ohne Kompromisse, aber trotzdem ein Meilenstein, der zum Vorbild zukünftiger Marvel-Serien werden sollte.

Daredevil: Born Again zerstört 2 Marvel-Legenden, damit sie wiedergeboren werden können

Die Rückkehr des Teufels von Hell's Kitchen beginnt einige Jahre nach dem Ende der Netflix-Serie – mit einem Knall, der nicht nur das Publikum, sondern auch Matt Murdock (Charlie Cox) in Mark und Bein erschüttert. Der Schock sitzt so tief, dass der blinde Anwalt seine Superhelden-Persona Daredevil aufgibt und sich ganz seiner Bestimmung als Jurist widmet.

Ähnlich ergeht es Daredevils Erzfeind Wilson Fisk, der sich nach seinen Gastspielen in Hawkeye und Echo völlig neu erfinden will. Vorbei sind die Tage als ruchloser Kingpin. Jetzt will er als Bürgermeister von New York auf legalem Weg die Metropole nach seinen Vorstellungen gestalten. Zwischen Gerichtsälen und Politdramen versuchen Murdock und Fisk, ihre Triebe zum Wohle der Stadt zu unterdrücken und ein ehrbares Leben ohne Gewalt zu führen.

Aber keine Sorge: New York City ist keine Stadt, die zwei gebrochenen Männern ein ruhiges Leben vergönnt. Polizeigewalt, Bandenkriege, Ungerechtigkeit, eskalierende Gefahren und nervige Bürokratieprozesse lassen die dunklen Seiten von Matt Murdock und Wilson Fisk wie einen Schnellkochtopf brodeln, der jeden Moment explodieren könnte. Diese Spannung entlädt sich schließlich in einer der besten Serien, die das MCU bisher vorgebracht hat.

Daredevil: Born Again ist noch brutaler als die Netflix-Serie

Als düstere wie bodenständige Comic-Erzählung begeisterte die Netflix-Serie Marvel's Daredevil zwischen 2015 und 2018 drei Staffeln lang mit rauer Action und einem Gewaltgrad, den man so aus keiner Marvel-Serie zuvor kannte. Wer befürchtet hatte, dass das Revival auf Disney+ deutlich harmloser ausfallen würde, kann beruhigt sein. Denn Born Again legt in Sachen expliziter Gewaltexzesse sogar noch einen drauf.

An der Action-Front sind die Kämpfe zwischen Daredevil und seinen Kontrahenten gewohnt taktil und intensiv inszeniert. Wer allerdings ein Dauerfeuer an zersplitterten Knochen erwartet, könnte enttäuscht werden. Born Again verzichtet genauso wie Hauptfigur Matt Murdock mehrere Folgen lang größtenteils auf Gewalt und Konfrontationen – um im späteren Verlauf der Staffel mit voller Härte zuzuschlagen.

Schmerzhafte Momente hat Born Again so einige zu bieten. Spätestens sobald Serienkiller Muse und Selbstjustiz-Vigilant Punisher (Jon Bernthal) ins Geschehen eingreifen, geht das Blutvergießen erst richtig los. Wenn Messer, Äxte und Patronen auf menschliches Fleisch treffen, präsentiert sich die Daredevil-Serie als härtestes MCU-Projekt seit der Defenders-Saga. Die Gewaltdarstellung kulminiert sogar in einem Akt der Gewalt, der alles zuvor Dagewesene im MCU (Ja, auch Deadpool and Wolverine!) in den Schatten stellt und im Finale einige Kinnläden auf den Boden krachen lassen wird.

Die Netflix-Serie auf ihre Brutalität zu reduzieren, wird dem gefeierten Vorgänger allerdings nicht gerecht. Bei näherer Betrachtung von Inszenierung, Charakterentwicklung oder auch Erzählweise fallen die Unterschiede zwischen Daredevil und Daredevil: Born Again weitaus größer aus.

Daredevil: Born Again will Netflix-Sequel und MCU-Neustart zugleich sein

Obwohl Daredevil: Born Again direkt an die Netflix-Serie und ihre zentralen Figuren anknüpft, wird die Geschichte von Matt Murdock schon nach wenigen Minuten in eine eigenständige Richtung gelenkt, die sich vor allem in ihrer Erzählstruktur vom Original unterscheidet. Während Wilsons Fisks Erlebnisse als Bürgermeister als durchgängiger Handlungsstrang durch die Serie führen, ist Matt Murdocks Story von kleineren Arcs und einzelnen Fällen definiert.

Mit vier Episoden weniger als eine Staffel der früheren Netflix-Serie ist Born Again weitaus dynamischer und flotter erzählt, verzichtet dabei aber nicht auf eine clevere Charakterentwicklung der beiden Hauptfiguren, die einmal mehr von Charlie Cox und Vincent D'Onofrio eindrucksvoll und moralisch komplex verkörpert werden. Eine erfreuliche Überraschung ist auch Ayelet Zurers Rückkehr als Vanessa Fisk, die aus ihrer Rolle als Spielball im Konflikt zweier Männer heraustreten und eine prominentere Stellung einnehmen darf.

In einem Vergleichspunkt zieht Born Again aber den Kürzeren. Die große Stärke der Original-Serie waren das Ensemble an Charakteren, denen allesamt viel Raum für spannende Entwicklungen und Geschichten eingeräumt wurde. Hier hinterlassen vor allem neue Nebenfiguren wenig bleibenden Eindruck und werden durch das episodische Format in manchen Folgen sogar vollkommen in den Hintergrund verbannt.

Gänzlich an interessanten neuen Figuren mangelt es trotzdem nicht. Vigilant Hector Ayala aka White Tiger (Kamar De Los Reyes) und der opportunistische Fisk-Protégé Daniel Blake (Michael Gandolfini) sind zwei faszinierende Neuzugänge. Die emotionalsten und mitreißendsten Szenen gehören (mit seltenen Ausnahmen) aber den Netflix-Rückkehrer:innen, denen Showrunner Dario Scardapane (The Punisher), der das Projekt im Zuge einer kreativen Neuausrichtung nach sechs gedrehten Folgen übernahm, weitaus mehr Interesse entgegenbringt.

Lohnt sich Daredevil: Born Again?

Dass ein Großteil der Staffel (Folge 2 bis 7) einer überarbeiteten früheren Vision entspringt, die den Fokus auf das Anwaltsdrama legte, ist der Serie anhand der Tonalität sowie der Inszenierung anzumerken. Trotz kleinerer Kritikpunkte ist Daredevil: Born Again im Gesamten betrachtet aber eine der eindrucksvollsten MCU-Serien seit Beginn der Disney+ Ära und eine würdige Fortsetzung des meisterhaften Netflix-Vorgängers.

Hört den Podcast zur Daredevil-Rückkehr bei Disney+

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Showrunner Scardapane beweist besonders in den finalen zwei Episoden sein Gespür dafür, was Fans am brachialen Original lieben und bringt die Erzählung auf einen richtigen Kurs, der eine vielleicht noch genialere 2. Staffel verspricht. Der Serientitel Born Again ist dabei Programm: Neun Folgen lang werden nicht nur die zwei Marvel-Ikonen Daredevil und Kingpin auseinandergenommen und wieder aufgebaut, sondern auch eine Ecke des Marvel-Serienkosmos, die viele schon tot geglaubt haben.

Wenn in einem der (selten) witzigen Momente von Daredevil: Born Again ein Kinderchor We Built This City singt, ist die dahinter liegende Botschaft deutlich zu erkennen: Charaktere wie Daredevil und Kingpin haben vor 10 Jahren ein eigenes vom Kino-MCU abgegrenztes New York erbaut, das zur Spielwiese für erwachsene, komplexe und nicht selten brutale Street Level-Geschichten wurde. Jetzt darf das Erbe der Defenders-Serien endlich weiterleben.

Die Folgen der 1. Staffel von Daredevil: Born Again werden seit dem 5. März 2025 wöchentlich immer mittwochs bei Disney+ veröffentlicht. Grundlage für diesen Serien-Check sind alle neuen Episoden.

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