Hugh Grant spielt einen der größten Horror-Bösewichter der letzten Jahre: Noch nie war der Star so verstörend

30.12.2024 - 16:01 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
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Hugh Grant ist dank Rollen in romantischen Komödien wie Notting Hill einer großen Masse an Menschen bekannt geworden. In seinem neuen Film Heretic spielt er dagegen einen verstörenden Horror-Fiesling.
Hugh Grant enttäuscht sein Publikum gerne, und zwar mit größter Lust. Das gilt zumindest für alle, die den 90er-Schwarm seit Richard Curtis' Kultfilmen wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall oder Notting Hill nur noch als leicht verwirrten, ultrabritischen Schönling sehen wollen. Seit einigen Jahren spielt er mit Vergnügen Bösewichter, und sein absolut bester ist jetzt im Kino zu sehen: Im Horrorfilm Heretic.

Hugh Grant lockt Missionarinnen in sein Horror-Haus: Darum geht's in Heretic

Heretic dreht sich um die beiden mormonischen Missionarinnen Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East), die für neue Anhänger ihres Glaubens von Tür zu Tür gehen. Schließlich stehen sie an der Schwelle von Mr. Reed (Grant), der sie mit äußerster britischer Freundlichkeit ins Haus bittet, ihnen Blaubeerkuchen verspricht und tiefstes religiöses Interesse zeigt. Um dann einen Abend des puren Grauens zu entfesseln.

Schaut euch hier den Trailer zu Heretic an:

Heretic - Trailer 2 (Deutsch) HD
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In den Gewölben seines Vorstadthäuschens hat er eine Art Hindernisparcour errichtet, der den Glauben seiner beiden Gäste auf schmerzhafteste und brutalste Art testen soll. Und dabei auch etwas zu Tage fördert, das beide an ihrem Verstand zweifeln lässt.

Heretic lebt von extrem dichter Stimmung und 1000 Überraschungen

Heretic ist ein A24-Film, wie ihn viele Fans des Indiestudios lieben werden. Mit lückenloser Liebe zum Detail bauen die Regisseure Scott Beck und Bryan Woods (beide Regie bei 65, Drehbuch für A Quiet Place) eine extrem unheimliche Stimmung auf. Sie entwerfen ein spießbürgerliches Wohnzimmer mit gerahmten Fotos und Häkeldecken, das in seiner Künstlichkeit verstörend wirkt. Dann öffnen sie ein Verlies voller flackernder Lichter und uralter Symbolik, unter dem sich die Pforten der Hölle zu befinden scheinen.

Packend wird für viele Zuschauer:innen darüber hinaus die Achterbahndramaturgie des Films sein: Was als Drama beginnt, entpuppt sich schnell als Psycho-Thriller und zeigt dann die Anzeichen eines echten Horrorschockers, um schließlich sogar mit Sci-Fi-Elementen zu liebäugeln. Was davon Finte und Wahrheit ist, soll hier nicht verraten werden.

Hugh Grants Figur und seine Darbietung sind ein Geniestreich

Der Film funktioniert dann grandios, wenn er sich von Grant als Bösewicht tragen lässt, der hier die ganze Klaviatur der menschlichen Psyche ausbreitet: Ob verschroben-niedlich, unheimlich, gnadenlos brutal oder schlicht wahnsinnig abseits jeder Fassung, der Notting Hill-Star liefert eine der Höchstleistungen seiner Karriere ab.

Berauschend ist dabei nicht zuletzt der intellektuelle Reichtum, mit dem das Drehbuch seine Figur ausstattet: Von allen Seiten attackiert er die Überzeugungen seiner Opfer, zeigt sich als aufgeschlossener Glaubensmensch, als akademischer Zweifler, als Zelot gnadenloser Überzeugungen. Und als grinsender Sadist mit großer Liebe zum Spiel.

In seinen Dialogen entfesselt seine Figur einen Abriss der Glaubensgeschichte über 10.000 Jahre, der die monotheistischen Weltreligionen, die Gottheiten des Hinduismus und Hunderte von Strömungen und Nebenwege einzuschließen scheint.

In einer extrem unterhaltsamen Folge von Szenen zieht er eine Verbindungslinie zwischen Jesus Christus und Jar Jar Binks, enthüllt die linksfeministische Grundlage von Monopoly und nutzt den Radiohead-Song Creep, um seine Beobachtungen zur Religion zu veranschaulichen. Das muss man sich einmal vorstellen: Hugh Grant, ausgestattet mit einer Jeffrey Dahmer-Gedächtnisbrille, steht vor zwei verzweifelten jungen Mormoninnen und winselt: "I'm a creep, I'm a weirdo!" Es ist eine Szene für die Ewigkeit, ein Moment echter filmischer Genialität.

Eine Sache an Heretic enttäuscht

Wann immer Heretic den Nährboden seiner genialen Hauptfigur verlässt, leidet auch die Qualität des Films. Das ganze intellektuelle Konstrukt des Films wird von Grants Darbietung getragen. In der finalen Wendung des Films verpassen die Regisseure der ganzen Religionskritik eine extrem schlagkräftige Pointe, die die reichhaltige Figurenzeichnung von Mr. Reed aber erheblich schwächt. Es ist, als sei man dem Ablauf einer faszinierenden Maschine über 1000 Zahnrädchen hinweg gefolgt, nur um schließlich die enttäuschende Belanglosigkeit ihrer eigentlichen Funktion zu erkennen.

Heretic ist dennoch jeden Blick wert. Insbesondere für große Hugh Grant-Fans, der spätestens hier die Türen einer neuen Karrierephase sperrangelweit aufreißt. Eine Warnung ist dennoch notwendig: Wer jetzt ins Kino geht, wird Notting Hill nie wieder mit denselben Augen sehen.

Heretic läuft seit dem 26. Dezember 2024 im Kino.

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