Warum will uns das Marvel Cinematic Universe keinen weiteren Hulk-Film geben? In den 17 Jahren seit Der unglaubliche Hulk fristet der grüne Wüterich ein tristes Dasein als ewiger Nebendarsteller. Ja, es hat fast den Anschein, als hätte das MCU eine persönliche Fehde mit Bruce Banner.
Captain America: Brave New World, der seit dem 13. Februar 2025 in den Kinos läuft, ist das jüngste Beispiel. Sam Wilsons (Anthony Mackie) erster Solo-Film entpuppt sich nämlich als überraschende Fortsetzung zu Der unglaubliche Hulk – nur von Bruce Banner fehlt jede Spur. Das hat weder der Hulk, noch Captain America verdient.
Achtung, es folgen Spoiler zu Captain America: Brave New World
Captain America-Neustart oder Hulk-Fortsetzung? Der Marvel-Film will beides sein
Captain America 4 ist leider nur ein durchschnittlicher Marvel-Film. Das liegt unter anderem an einer schrecklichen Identitätskrise, die sich durch die gesamte Spionage-Thriller-Geschichte hindurchzieht. Brave New World möchte sowohl Kino-Fortsetzung der Disney+ Serie The Falcon and The Winter Soldier als auch Sequel zum ersten Hulk-Film des MCU sein.
Vielleicht ist das Dilemma sogar eine konsequente Weiterführung der Captain America-Reihe. Immerhin ließ auch The First Avenger: Civil War die Frage offen, ob wir es hier wirklich mit einem Captain-America-Film oder nicht doch einem weiteren Avengers zu tun haben. Nur in diesem Fall ist das Ergebnis ein konfuses Durcheinander. Thematisch kämpft der Film gegen sich selbst – und ausgerechnet der Titelheld ist der Verlierer.
Aber was macht Brave New World eigentlich zu einem Hulk-Film abseits einer 5-minütigen Klopperei mit einem roten Hulk? Das fängt bereits mit der allerersten Szene an, die uns nicht etwa Sam Wilson, sondern Thaddeus Ross (Harrison Ford) bei seiner Siegesrede als neuer US-Präsident zeigt. Der frühere General und Außenminister, der bis Endgame vom verstorbenen Schauspieler William Hurt verkörpert wurde, ist seit 2008 Teil des MCU und mit Blick auf seine Comic-Historie ein klassischer Hulk-Gegenspieler.
Dazu gesellen sich noch Ross' Tochter und Bruce Banners Ex Betty (Liv Tyler) sowie Bruce Banners früherer Verbündeter Samuel Sterns (Tim Blake Nelson) als elementare Bestandteile der Geschichte und fertig ist die große Hulk-Reunion, die ihren wichtigsten grünen Partygast jedoch vermissen lässt. Stattdessen haben wir Party-Crasher Captain America bekommen.
Captain America stolpert durch den falschen Film
Natürlich ist Captain America der Hauptcharakter des Films. Aber es drängt sich der Verdacht auf, dass es in Wahrheit gar nicht sein Film ist. Ein weiteres Beispiel dafür ist der große Bösewicht der Geschichte. Samuel Sterns hat keine persönliche Verbindung zu Sam Wilson und passt als klassischer Antagonist überhaupt nicht zum Superhelden. Der Grund dafür: Aus einer filmdramaturgischen Betrachtung heraus ist nämlich Thaddeus Ross der eigentliche tragische Protagonist des Films.
Ross' Vorgeschichte ist allein für die Motivation des Schurken Dr. Sterns verantwortlich und wird dem (Anti-)Helden im Finale schließlich zum Verhängnis. Dabei wirkt es, als stolpere Sam Wilson nur aus Zufall mitten in das toxische Beziehungsdrama zweier Hulk-Charaktere, deren Konflikt ein weltpolitisches Desaster heraufbeschwört, das auch jeder andere Superheld abwenden könnte.
Auch wenn die Polit-Thriller-Vibes zu einer Captain America-Erzählung passen, ist es fragwürdig, dass der Marvel-Held willkürlich in eine Geschichte gepresst wird, die viel lieber eine Der unglaubliche Hulk-Fortsetzung sein möchte und kein Interesse an der reichhaltigen Comic-Vorlage des Titelhelden zeigt. Ein Beispiel: Die Serpent Society ist zwar ein passender Comic-Gegenspieler Captain Americas, wird aber schon nach wenigen Minuten auf die Ersatzbank verbannt.
Harrison Ford ist der wahre Star von Captain America 4
Die Geheimwaffe des Films ist auch seine größte Schwäche – und ihr Name lautet Harrison Ford. Mit einer enormen Spielfreude und Präsenz reißt er jede Szene sofort an sich. Wenn Thaddeus Ross die Stimme erhebt, erzittern wir; wenn er mürrisch seinen Peloton-Kurs abbricht, schmunzeln wir; und wenn seine Stimme beim Telefonat mit seiner entfremdeten Tochter bricht, dann fühlen wir die emotionale Tiefe, mit der Harrison Ford seinen Charakter aufgeladen hat. Und wenn er im Finale als Hulk das US-Capitol klein haut, dann können wir einfach nur mitjubeln.
Von der ersten Minute an ist klar, dass Brave New World nicht nur Anthony Mackies, sondern auch Fords Film ist. Klar, Sam Wilsons innerer Kampf mit den gigantischen Erwartungen, die Steve Rogers' Erbe hinterlassen hat, mag interessant sein. Dass Captain America in seinem eigenen Film aber alle paar Minuten von einem spannenderen Charakter überschattet wird, ist ein Problem.
Ob der Film als reine Hulk-Fortsetzung – mit Bruce Banner statt Sam Wilson – am Ende besser funktioniert hätte? Darauf werden wir niemals eine Antwort erhalten. Genauso wie auf die Frage, warum uns Marvel Studios nach 17 Jahren weiterhin einen eigenständigen Hulk-Film vorenthält.
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