Operation Red Sea ist der technisch beste Actionfilm des Jahres

05.10.2018 - 10:10 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Operation Red Sea
Splendid
Operation Red Sea
5
8
Mehr Action als Operation Red Sea wird dieses Jahr kein anderer Film liefern. Dabei zeigt  der aufwendige Kriegsfilm auch, wie China seine Rolle in der Welt sieht.

Es lässt sich nur schwer in Worten ausdrücken, was in Operation Red Sea alles passiert. Dröhnende Explosionen, rotierende Reifen auf dem Wüstensand, das pausenlose Knattern von Maschinengewehren, dazwischen Schmerzensschreie. So viele Schmerzensschreie. Operation Red Sea ist ein Kriegsfilm, der alle Kriegsfilme in den Schatten stellen will. Jede nur erdenkliche militärische Gerätschaft wird aufgefahren, vom Flugzeugträger über den Panzer bis zur Drohne. Ihnen dienen (nicht andersherum) die Soldaten, welche sich in einem fiktionalen Land auf eine Rettungsmission begeben, die alles kosten wird: Finger, Arme, Beine, Unterkiefer, auch ein paar Freunde. Mit diesen menschlichen und mechanischen Zutaten wird eine Materialschlacht sondergleichen orchestriert. Immerhin stand dem talentierten Regisseur Dante Lam die volle Unterstützung der chinesischen Volksbefreiungsarmee zur Verfügung. Auf technischer Ebene (und es gibt nur wenige andere Ebenen in diesem Film) hat er mit Operation Red Sea den mit Abstand besten Actionfilm des Jahres gedreht. Nebenbei zeichnet er eine Art Selbstbildnis Chinas als Weltmacht.

Operation Red Sea ist der zweiterfolgreichste Film in China überhaupt

Kein Zweifel, Operation Red Sea ist ein Propagandafilm. Dafür braucht es keine Suchaktion im Subtext. Der Kriegsfilm, der beim Festival des phantastischen Films in Sitges läuft, wurde anlässlich des 90. Jubiläums der Volksbefreiungsarmee (PLA) gedreht und funktioniert als Präsentierteller der chinesischen Marine. Mit einem Budget von 70 Millionen Dollar durfte Dante Lam dabei hantieren, der vor ein paar Jahren noch twistreiche Actionthriller in Hongkong gedreht hat. An den Kinokassen rentierte sich das Spektakel. Operation Red Sea ist der zweiterfolgreichste Film am chinesischen Box Office in der Geschichte. 575 Millionen Dollar spielte er in seinem Heimatland ein.

Welche Geschichte für den Jubiläumsfilm ausgesucht wurde, zeugt vom Sendungsbewusstsein - der Filmemacher und der Marine. 2015 kam es während des jemenitischen Bürgerkriegs in Aden zu einer Evakuierung mehrerer hundert chinesischer Staatsbürger und anderer Zivilisten durch das chinesische Militär, immerhin ist China einer der wichtigsten Handelspartner des Jemen. Operation Red Sea spielt nun in einem fiktionalen Staat auf der arabischen Halbinsel, der von Terroristen destabilisiert wird. Eine Spezialtruppe der Marine, die gerade mit somalischen Piraten beschäftigt ist, wird in das Land beordert und muss nach erfolgreicher Evakuierung eine entführte chinesische Botschaftsmitarbeiterin retten. Die Terrororganisation Zaka droht, sie vor laufender Kamera zu enthaupten.

Operation Red Sea und Wolf Warrior 2 als Selbstbildnis Chinas

Eine Rettungsmission zugunsten von Zivilisten ist Thema des Films. Selbst wenn nebenbei ein zukünftiger Terroranschlag verhindert wird, zeigt Operation Red Sea die Art von Interventionismus, mit der das chinesische Militär assoziiert werden will: die Verteidigung der eigenen Grenzen und Bürger, auch auf anderen Kontinenten. Verteidigung, nicht Angriff. Darin ähnelt die Operation am Roten Meer dem erfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten. Der ist noch gar nicht so alt, heißt Wolf Warrior 2 und wuchs 2017 zu einem waschechten Kino-Phänomen heran. Über 800 Millionen Dollar hat der Film eingespielt. Darin kommt ein psychisch nicht ganz rund laufender Ex-Soldat (Wu Jing, der Bösewicht aus SPL) in Afrika ein paar Landsmännern zu Hilfe, die dort Entwicklungshilfe leisten und Fabriken bauen.

Auch Wolf Warrior 2 ist ein furioser Actionfilm im fliegenden Wechsel zwischen ausgefeilt choreografierten Mann-gegen-Mann-Kämpfen und Verfolgungsjagden, die den anarchischen Geist einer ranzigen Kiste voller Matchbox-Autos atmen. Der Schurke ist ein amerikanischer Söldner namens Big Daddy, der von Frank Grillo (The Purge 2 und 3) gespielt wird. Richtig gelesen, Frank Grillo hat letztes Jahr in einem 800-Millionen-Film mitgespielt und das als "Big Daddy". Dieser Big Daddy metzelt Zivilisten nieder in dem Film, der von E wie Ebola bis P wie Piraten alle denkbaren Schlagzeilen der letzten Jahre verarbeit. Vor allem ist der Amerikaner eine Gefahr für Chinas Belt and Road-Initiative, mit der das Land seinen interkontinentalen Handel stärken und wirtschaftliche Einflussgebiete gewinnen will. In vielen afrikanischen Ländern ist China durch Infrastrukturprojekte und jene Fabriken präsent, wie sie in Wolf Warrior 2 auftauchen. Wu Jings Heldenfigur Leng Feng tritt diesem Störfaktor entgegen.

Was Wolf Warrior 2 mit Operation Red Sea teilt, ist das Desinteresse am Export eines Regierungssystems oder einer Ideologie. Letztendlich ist es in beiden Filmen völlig egal, wer wie genau an der Macht ist in den fiktionalen Staaten. Instabilität ist der Gegner Nummer 1, verkörpert von Terroristen und/oder Söldnern, die chinesische Staatsbürger und Projekte in der Fremde in Gefahr bringen. Was nicht bedeutet, dass es den Filmen an Patriotismus mangelt oder der Vorstellung, dass die chinesischen Soldaten in Ausrüstung und Benehmen Vorbildcharakter hätten.

Operation Red Sea: Ein Enzyklopädie militärischer Action

In der Inszenierung von Dante Lam geriert Operation Red Sea zu einer filmischen Enzyklopädie moderner Kriegsszenarien, in der die Menschen auf ihre Fähigkeit heruntergebrochen werden, Leid zu ertragen. Darin ähnelt er Black Hawk Down von Ridley Scott und 13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi von Michael Bay. Nur hat sich Dante Lam über die Jahre zum weitaus besseren Actionregisseur als sowohl Ridley Scott als auch Michael Bay gemausert.

In seinen Hongkonger Filmen, etwa dem Actionthriller Beast Stalker und dem grandiosen Mixed-Martial-Arts-Drama Unbeatable, jagte Lam seine psychisch gebrochenen Helden durch physische Extremsituationen, immer auf der Suche nach der Läuterung in der Selbstüberwindung. Mit dem Drogenhandel-Interventions-Thriller Operation Mekong (2016) erweiterte Lam seine Perspektive und Operation Red Sea ist nun sein bisher größter Film.

Je größer der Film, desto mehr verlieren die einzelnen Figuren bei Lam an Bedeutung. Insofern erzählt Operation Red Sea eher von einer Erfahrung, die von mehreren schmerzverzerrten Gesichtern geteilt wird. Diese Gesichter stehen im ständigen Kampf um unsere Aufmerksamkeit. Nicht etwa mit den Terroristen. Nein, vielmehr mit jedem in der Wüstensonne reflektierenden Spektiv, jedem Lauf eines tarnfarbenen Gewehrs, jedem Visier, jeder Granate, jeder Radarantenne, jedem Panzer, jeder einzelnen verschossenen Kugel. Und davon gibt es in Operation Red Sea eine ganze Menge.

Mehr: Ein kurzer Überblick des Programms von Sitges 2018

Habt ihr Wolf Warrior 2 und ähnliches schon gesehen?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News