Was beginnt wie eine öffentlich-rechtliche Saw -Hommage, entwickelt sich in Polizeiruf 110: Liebeswahn schnell zum Stalker-Thriller, der die Ehekrise der Bukows vor dem Hintergrund eines vorhersehbaren Plots verhandelt. Die Unaufdringlichkeit der bisherigen Rostocker Polizeirufe geht in der Regiearbeit von Thomas Stiller (Tatort: Der traurige König) beinahe verloren. Beeindruckend unheimlich ist der Krimi aber trotzdem.
Lokalkolorit: Polizeiruf 110 – Liebeswahn könnte in jeder Stadt spielen und vielleicht liegt darin sein gruseliger Reiz. Ähnlich wie in Zodiac – Die Spur des Killers von David Fincher treibt hier lange Zeit ein dunkles Schemen sein Unwesen, das sich mit seinem Auftauchen wie eine dunkle Wolke über die (Vorstadt-) Idylle legt und ungewollte Geheimnisse zu Tage fördert. Ein Klischee ist das zweifellos, aber in diesem Falle ein effektiv eingesetztes, das dem Krimi eine Atmosphäre allgegenwärtiger Bedrohung auferlegt. Was nicht heißen soll, dass er Polizeiruf in der selben Liga wie Fincher spielt. Oder im selben Universum.
Plot: Ein Lehrer schleppt sich mit letzter Kraft in ein Taxi und verblutet dort. Ihm wurde die Zunge herausgeschnitten. Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) führt eine Spur in die Swinger- und SM-Szene und zu einem ähnlichen Todesfall in Hamburg, der nie aufgelöst wurde. Währenddessen ist aus den in vergangenen Folgen angedeuteten Flirts zwischen Bukows Frau Vivian (Fanny Staffa) und seinem Kollegen Thiesler (Josef Heynert) eine ausgemachte Affäre geworden. Arbeit und Privatleben überschneiden sich, als ein floristisch veranlagter Stalker seine Aufmerksamkeit auf das Ehepaar Bukow lenkt.
Unterhaltung: Die Rostocker Polizeirufe (meist, aber diesmal nicht von Eoin Moore geschrieben) zeichnen sich in der Regel durch ihre unspektakulären, selten gehetzt wirkenden Ermittlungen aus, die ganz auf ihre nordisch abgeklärten Kommissare zugeschnitten sind. In Polizeiruf 110 – Liebeswahn geht es deutlich reißerischer zu, etwa wenn eine Sexszene der fremdgehenden Vivian höchst subtil mit dem Asthmaanfall ihres Sohnes gegengeschnitten wird, um ihr moralisches wie mütterliches Versagen zu unterstreichen. Ähnlich plump fallen die Thriller-Momente aus, die man alle irgendwo schon mal gesehen hat, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Neben dem lustlosen Eintauchen in die SM-Szene schafft es der Krimi trotzdem, die lange aufgebaute Ehekrise der Bukows zu einem befriedigenden, vorläufigen Höhepunkt zu führen. Die Schlinge um die Bukows zieht sich immer weiter zu. Und damit sind nicht ausschließlich die Avancen des Stalkers gemeint.
Tiefgang: Der Mörder schneidet seinen Opfern symbolträchtig die Zunge ab und so ist auch der Rest des Polizeirufs eine Ansammlung von Dingen, die gesagt werden sollten, aber es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht werden. Die Stärken des Films liegen in jenen Szenen, in denen die Wahrheit beinahe aus allen Nähten drängt und nur mit Mühe beisammen gehalten wird, wenn beispielsweise Bukow seine Frau scherzhaft fragt, ob sie einen Lover habe und dies mit der blendenden Selbstsicherheit eines alteingesessenen Ehepartners im Unterton tut.
Mord des Sonntags: Verblutet auf dem Rücksitz eines Taxis.
Zitat des Sonntags: “Manchmal ist die Lust eben größer als die Kontrolle.”
Einer der schwächeren Rostocker Polizeirufe war das oder was meint ihr?