Serien - Der Soundtrack meines Lebens

15.08.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Mit Serien durchs Leben
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Mit Serien durchs Leben
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Mehr noch als Filme begleiten uns Serien durch bestimmte Lebensphasen. Wir mögen ihre Qualität Jahre später in Frage stellen. (M)Ein Leben ohne sie kann ich mir trotzdem nicht vorstellen.

Wenn ich Ausschnitte aus Eine schrecklich nette Familie sehe, dann überkommt mich ein Würgereflex. Die Familienserie um Al Bundy ist, gelinde gesagt, schlecht gealtert. Ihre misanthropische Grundhaltung bleibt das einzige, was sie auszeichnet, und das ist angesichts der blöden Witze dann doch etwas wenig. Ebenso würden mich heute keine zehn Pferde vor einen Wer ist hier der Boss? oder Alf -Marathon im Fernsehen bekommen. Diese Haltung rührt nicht von blinden Vorurteilen. Ich habe wohl jede einzelne Episode der genannten Serien gesehen und das mehrmals. Sie bestimmten meine Nachmittage nach dem Ende des Horts in der Grundschule, sie verfolgten mich in den Vorabend, als ich müde, aber nicht müde genug, vom Fußballtraining nach Hause kam und ihr Canned Laughter schallte im Hintergrund beim Abendessen, nach dem Großeinkauf am Wochenende oder während der verzweifelten Versuche, meine Mathematik-Hausaufgaben zu kapieren. Fernsehserien waren, wohl auch zum Leidwesen meiner Halbjahreszeugnisse, seit ich denken kann Teil meines Lebens. Sie waren nicht immer gut, oft sogar ziemlich missraten. Eine Kindheit und Jugend ohne sie kann ich mir nicht vorstellen.

Alle unter einem Dach
Heute ist das Quality TV in aller Munde. Den Leitartikeln in den Medienspalten nach zu urteilen, gibt es nur noch die großen Serien, die (angeblich) dem Kino Konkurrenz machen und das Unterschichten-Fernsehen als Opium des Vorabend-Prekariats. Natürlich ist das Fernsehen als Forschungsobjekt wahnsinnig interessant und ambitionierte Serien gilt es zu fördern, etc. pp. Serien können bei entsprechendem Langzeit-Konsum und mit einer Verhaftung im Alltag, die kein Wochenende mit einer DVD-Box ersetzen kann, aber auch mit Erinnerungen verwachsen. Sie sind der Soundtrack meines Lebens und in dessen Playlist hat das Mittelmaß ebenso eine Existenzberechtigung wie die künstlerische Höchstleistung.

Über die Reihenfolge konnte ich am Anfang gar nicht selbst bestimmen. Fernsehen war ein Gemeinschaftserlebenis, bei dem meine Familie vor dem frisch nach der Wende gekauften Bunt-TV (ohne Fernbedienung) beisammen saß. Auf der bequemsten Couch der Welt zu liegen und eine Folge von Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert nach der anderen zu verschlingen, hatte einen ganz eigenen rituellen Reiz, der wenig mit dem Inhalt und viel mit der Titelmusik, dem Makeup, dem Umfeld, eben dem seltenen Glas VitaCola hier, den typisch Jeck’schen Spaghetti mit Tomatensoße da, zu tun hatte.

Die frühen Neunziger – das ist für mich der Kontrast zwischen knallbunten Klamotten auf der Straße und den seltsam blassen Farben der im NTSC-Format gedrehten US-Serien wie Eine schrecklich nette Familie, Star Trek – TNG und MacGyver. Ihre Dauer-Unschärfe (auch: California Clan, Die Bill Cosby Show) legt sich sozusagen über meine Erinnerungen, über den Kindergarten, auf dessen Gelände jetzt ein Parkhaus steht, die Samstagsnachmittage auf dem Sportplatz in Jena, die Großen Pausen unter der Trauerweide der Enzianschule.

Die Farbe der Hoffnung
Viele der Serien, die ich als Kind gesehen habe, blieben nicht mehr als das Hintergrundrauschen einer Zeit, die sich nur noch bruchstückhaft vergegenwärtigen lässt. Das ist ja auch das Schöne an ihnen: Sie sind lang, sie sind immer da, wenn wir sie brauchen und auch dann, wenn nicht. Andere Serien haben sich hartnäckig festgesetzt, in den Vordergrund gedrängelt und verharren da bis heute. Wenn ich eine Farbe auswählen müsste, um meine TV-Sozialisierung zu beschreiben, dann wäre es Gelb. Seit ihrer ersten Ausstrahlung beim ZDF gehören Die Simpsons zu meinem Leben und dieser Satz kann nicht genug betont werden. Leben, das sind hier im weitesten Sinne Stichworte wie Persönlichkeit, Humor, Weltsicht, Bildung, Geschmack, Meinung und noch einmal das wichtigste: Humor!

Mache Serien hinterlassen einen tiefen Eindruck über Jahre hinweg (auch: Die Albträume und Angstzustände, die mir Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI beschert hat), andere sammeln sich durch ihre Dauerpräsenz an Samstagnachmittagen (Full House, später sabrina-–-total-verhext, Charmed – Zauberhafte Hexen und schlimmeres) zu einem undifferenzierten, aber nicht zu übersehenden Farb- und Geräuschbrei im Unterbewusstsein. Ihre scheinbar ewige Wiederkehr, ihre Verlässlichkeit, die Tatsache, dass, nach der Schule, nach den Hausaufgaben 17:30 Uhr Alle unter einem Dach, 18:00 Uhr Wer ist hier der Boss? und 18:30 Uhr Die Bill Cosby Show auf mich warteten, zeichnet sie aus, egal wie es letztlich um ihre Qualität steht.


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