Kathleen Kennedy hat Star Wars für immer verändert: Sie verdient mehr Anerkennung, als es toxische Fans behaupten

01.03.2025 - 16:45 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy im Cockpit des Millennium Falcon
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Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy im Cockpit des Millennium Falcon
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Über eine Dekade lang gestaltete Kathleen Kennedy das Star Wars-Franchise. Ende des Jahres soll sie als Präsidentin von Lucasfilm zurücktreten. Sie hat die Saga so sehr verändert wie niemand anderes.

Wer würde eine der erfolgreichsten Hollywood-Karrieren gegen einen der undankbarsten Jobs im Filmgeschäft tauschen? Im Mai 2012 entschied sich Kathleen Kennedy dafür. Sie kehrte ihrer eigenen Produktionsfirma, The Kennedy/Marshall Company, den Rücken, um mit George Lucas als Co-Vorsitzende Lucasfilm zu leiten. Fünf Monate später – nach dem Kauf von Lucasfilm durch Disney – wurde sie zur Präsidentin des Unternehmens ernannt und trat damit die Nachfolge des Star Wars-Schöpfers an.

Nach drei Dekaden als Steven Spielbergs Stammproduzentin, in denen Kennedy die Entstehung wegweisender Blockbuster wie E.T. und Jurassic Park begleitet hat, sollte sie unter dem Dach von Disney brachliegende Lucasfilm-Marken wie Willow und Indiana Jones zurückbringen. Ihre größte Aufgabe: Die Wiederbelebung des Star Wars-Franchise, das durch die umstrittene Prequel-Trilogie in Verruf geraten war.

Nach den polarisierenden Prequels musste Kathleen Kennedy neue Begeisterung für Star Wars schaffen

Es dauerte nicht lange, bis der Unmut der Fans von George Lucas auf Kathleen Kennedy überschwappte. Der seit dem Kinostart von Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung kultivierte Hass gegen das eigenwillige Mastermind hinter der Sternensaga prasselte nun in unreflektierter Form auf Kennedy nieder, sobald etwas bei Star Wars nicht den Erwartungen des toxischen Sektors im Fandom entsprach.

Wenn man in manche Ecken des Internets blickt, könnte der Eindruck entstehen, Kennedy habe als Lucasfilm-Präsidentin 13 Jahre ausschließlich eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen. Schlimmer noch: Sexistische und misogyne Kommentare zogen sich durch Threads und Thumbnails, da eine – überwiegend männliche – Gruppe an "Fans" ihre wohlbehüteten Kindheitserinnerungen durch eine Frau bedroht sah.

In den Kommentarspalten hagelte es Beleidigungen und Vorwürfe von Inkompetenz, die Kennedys Aufgabe als Lucasfilm-Präsidentin nicht selten sogar komplett missverstanden. Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich ein deutlich komplexeres Bild ihres Schaffens ab. Der Ausbau von Star Wars zum multimedialen Mega-Franchise ging mit durchschlagenden Erfolgen und tragischen Niederlagen vonstatten.

Als der Disney-Deal 2012 verkündet wurde, fand Star Wars in erster Linie im Fernsehen statt, konkret in Form der Animationsserie The Clone Wars, die noch von Lucas initiiert wurde. Weiterhin hielten Bücher und Videospiele das Franchise am Leben. Von einem Vier-Quadranten-Blockbuster à la Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith, der Menschen aller Zielgruppen ins Kino lockte, fehlte jedoch weit und breit jede Spur.

Wie sollte dieses Star Wars mit dem Superhelden-Boom der 2010er Jahre mithalten? Es herrschte große Skepsis. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen beerdigte Kennedy das Expanded Universe und etablierte einen überschaubaren Kanon, was bei vielen Fans für Irritation sorgte. Umso beachtlicher ist das, was sie mit ihrem ersten Star Wars-Film auf der Leinwand vollbrachte: Star Wars: Das Erwachen der Macht.

Kathleen Kennedy hat Star Wars erfolgreich wiederbelebt und die Zeichen der Zeit genau gelesen

Der Auftakt der Sequel-Trilogie avancierte mit einem Einspielergebnis von über zwei Milliarden US-Dollar zum erfolgreichsten Film der Saga und balancierte gekonnt zwischen Neugier und Nostalgie. Mit den Held:innen der Original-Trilogie im Rücken wurde eine neue Generation vorgestellt, durch deren Augen Star Wars wiederentdeckt werden konnte – ein behutsames, versöhnliches Herantasten an die Legenden.

Wenn Rey am Anfang von Das Erwachen der Macht gar nicht glauben kann, dass sie sich in der Gegenwart von Han Solo befindet und mit dem Millennium Falcon Ecken der weit entfernten Galaxis entdeckt, von denen sie zuvor nicht einmal zu träumen wagte, federt Das Erwachen der Macht sowohl die Gefühle von alteingesessenen wie neuen Fans ab. Kennedy brachte Star Wars als Einladung zum (Wieder-)Entdecken zurück.

Außerdem erkannte sie sehr früh das Potenzial von dem, was wir heute als Legacyquels bezeichnen. Mark Hamill, Carrie Fisher und Harrison Ford übergaben vor der Kamera den Staffelstab an Daisy Ridley, John Boyega und Oscar Isaac. Hinter den Kulissen arbeitete Franchise-Spezialist J.J. Abrams mit Star Wars-Veteran Lawrence Kasdan (Das Imperium schlägt zurück) zusammen – eine gelungene Mischung aus Neu und Alt.

Das Erwachen der Macht ist sicherlich nicht der mutigste Star Wars-Film, aber eine perfekt auf die Sensibilitäten des Franchise abgestimmte Erinnerung daran, warum sich so viele Fans in die Saga verliebt haben. Kahtleen Kennedy legte ein stabiles Fundament, um die Franchise-Expansion – Disney wollte einen Film pro Jahr – voranzutreiben und Fan-Befürchtungen überzeugende Argumente entgegenzustellen.

Wenige Dinge dürften im Marketing von Blockbustern in den vergangenen Jahren so effektiv gewesen sein wie das Versprechen von "echten Sets und praktischen Effekten" , mit dem Das Erwachen der Macht in einem Behind-the-Scenes-Video im Kontrast zum Greenscreen-Ethos der Prequels warb. Kennedy hat alles getan, um Star Wars trotz des gesteigerten Outputs in ein hochwertiges Blockbuster-Event zu verwandeln.

So vielversprechend wie in den ersten Kennedy-Jahren hatte sich Star Wars lange nicht angefühlt

Star Wars als gleichgültige Content-Maschine: In den 2010er Jahren konnte Kennedy dieser Vorwurf nicht gemacht werden. Gerade die erste Regie-Generation, die sie um sich versammelte, setzte sich aus vielversprechenden Namen zusammen: Rian Johnson und Colin Trevorrow sollten Episode 8 und 9 inszenieren, während Gareth Edwards, Josh Trank sowie Phil Lord und Chris Miller für Spin-offs engagiert wurden.

Kennedy suchte gezielt junge Filmschaffende, die bereits ein oder zwei markante Filme gedreht hatten und mit Star Wars aufgewachsen sind. Neue Star Wars-Filme von Fans für Fans – das klingt nach einer durchschaubaren, geradezu anbiedernden Strategie. Wenn es sich allerdings um die einfallsreichen Köpfe hinter Monsters (Edwards), Looper (Johnson), Chronicle (Trank) und Co. handelt, sieht die Sache anders aus.

An diesem Punkt hob sich Kennedy bewusst von der Konkurrenz ab. Wo etwa Marvel-Chef Kevin Feige vorzugsweise auf TV-Regisseur:innen zurückgreift, die wenig Einfluss auf die Ausrichtung der Filme besitzen, ermöglichte Kennedy einen größeren Spielraum, um sich dieser Gleichheit entgegenzustellen. Unter ihrer Führung entstanden fünf Filme, die – im Rahmen der Star Wars-DNA – ihren eigenen Tonfall besitzen.

Filmschaffende ins Star Wars-Universum zu locken, war nie ein Problem für Kennedy. Von Stephen Daldry (Obi-Wan Kenobi) bis zu den Game of Thrones-Schöpfern David Benioff und D.B. Weiss (The First Jedi): Inzwischen wissen wir sogar, dass Guillermo del Toro an einem Film über den Aufstieg und Fall von Jabba the Hutt gearbeitet hat. Gleichzeitig wartet hier Kennedys größte Schwäche: die Talente zu halten.

Schon bei Das Erwachen der Macht verabschiedete sie sich auf halbem Weg von Michael Arndt, der das ursprüngliche Drehbuch zur Star Wars-Rückkehr geschrieben hatte. Berichte über umfangreiche Reshoots bei Rogue One und die Entlassung von Lord und Miller während der Dreharbeiten von Solo verwandelten die Star Wars-Filme von einer grenzenlosen Spielweise in ein Minenfeld für kreative Entscheidungen.

Ein Auf und ab der Gefühle: Der größte Star Wars-Flop und der größte Streaming-Erfolg bei Disney+

Hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten und den Einschränkungen, die mit einem Franchise vom Schlage Star Wars einhergehen, fielen Kathleen Kennedy immer mehr ihrer anfangs inspirierten Entscheidungen auf die Füße. Zwei Ereignisse haben ihr Denken als Lucasfilm-Verwalterin wohl maßgeblich verändert: Der massive Backlash, der auf den mutigen Star Wars: Die letzten Jedi folgte, und der finanzielle Flop von Solo.

Nach drei Milliarden-Hits erlebte Star Wars unter der Führung von Kennedy erstmals eine Bruchlandung an den Kinokassen – und das auch noch bei dem Film, dessen Regisseure gefeuert und durch den routinierten Handwerker Ron Howard ersetzt wurden. Howards Engagement wirkte auf den ersten Blick wie eine Notlösung, wurde schlussendlich aber zum strengen Fahrplan für die nächsten Jahre.

Kennedy schärfte ihre Instinkte und schritt früher ein, wenn sich Probleme am Horizont ankündigten. Um einen weiteren Solo zu verhindern, trennte sie sich von Trevorrow als Regisseur und Co-Autor des Skywalker-Finales, bevor die ersten Kameras liefen. Der gesamte Film wurde auf null zurückgesetzt und schließlich von J.J. Abrams umgesetzt, der als einziger neuer Star Wars-Regisseur zwei Filme inszenierte.

Anstelle frischer, unverbrauchter Talente tendierte Kennedy zu sicheren Namen. Kaum noch Experimente: Die Balance zwischen Neugier und Nostalgie geriet auf dem Gleichgewicht und bescherte uns die Rückkehr von allem, was Star Wars in seiner über vierzigjährigen Geschichte zu bieten hatte. Ausgerechnet Kennedys letztes großes Wagnis entpuppte sich nach anfänglichem Triumph als Einbahnstraße: The Mandalorian.

Mit Blockbuster-Experte Jon Favreau, Lucas-Zögling Dave Filoni und der revolutionären Volume-Technologie lieferte Kennedy eine der ersten ernstzunehmenden Antworten auf die Frage, wohin sich Blockbuster-Serien nach Game of Thrones bewegen würden. Zudem bescherte sie dem frisch gestarteten Streaming-Dienst Disney+ seinen ersten Hit. Bis heute führt The Mandalorian die Liste der erfolgreichsten Disney+-Serien an.

Star Wars hat sich im Streaming-Kosmos verloren, doch Kathleen Kennedy verfolgt weiterhin ein klares Ziel

Der Pioniergeist, der in der Arbeit mit dem Volume steckte, stand im Einklang mit Lucas, der stets auf der Suche nach neuen Wegen war, um seine Geschichte zu erzählen. Kennedy und Favreau positionierten Lucasfilm wieder als tonangebende Instanz in Hollywood. Die Volume-Technologie wanderte von Marvel und DC bis zu Netflix und fühlte sich – zumindest für einen Moment – wie die Zukunft des Filmemachens an.

Aus dem Triumph wurde ein Gefängnis: Während sich die Serien unter Favreau und Filoni verselbstständigten, um die enorme Content-Nachfrage seitens Disney+ zu erfüllen, verlor das Franchise an Profil. Neue Filmprojekte zerfielen schneller, als sie angekündigt werden konnten. Qualitätsschwankungen und Übersättigung wurden zu neuen Schlagworten. Dazu kam die Pandemie und der große Hollywood-Streik 2023.

Nach Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers, dem Finale der Skywalker-Saga, standen Star Wars alle Türen offen, um ein neues Kapitel aufzuschlagen. Durch Corona-Lockdowns und den Streaming-Boom wurden geplante Projekte wie Obi-Wan Kenobi und Das Buch von Boba Fett jedoch in Serien umgewandelt, ehe der Streik von Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen die Entwicklung und Produktion neuer Stoff erschwerte.

Das Ziel, das Kennedy seit Beginn ihrer Lucasfilm-Reise verfolgte, blieb trotz aller Hürden unverändert: Star Wars für alle zugänglich machen. Diversifizierung vor und hinter der Kamera, in den Geschichten und Projekten. Obwohl es inzwischen so wirkt, als ging es bei Lucasfilm nur noch um Nostalgie, setzte Kennedys Star Wars zahlreiche Impulse, um sich der Saga aus einer neuen, unverbrauchten Perspektive zu nähern.

Die seit 2021 wachsende Kurzfilmsammlung Visionen, in der Animationsstudios aus aller Welt mit visuell ungewöhnlichen Beiträgen vertreten sind, gehört genauso dazu, wie der Versuch, mit The Acolyte einen prüfenden Blick auf die festgefahrene Star Wars-Mythologie zu werfen. Kennedys Star Wars bietet mehr Einstiegspunkte, als es bei Lucas' sechs Filmen möglich war, hat deren Erbe aber nicht vergessen.

Kathleen Kennedy verabschiedet sich von Star Wars so, wie sie die Saga ins Kino zurückgebracht hat

Ein Star Wars für alle: Verspielte Jedi-Abenteuer in der Hohen Republik gehen in die staunenden Kinderaugen von Skeleton Crew über und plötzlich kommt ein politisch aufgeladenes Epos wie Andor um die Ecke. Selbst den The Clone Wars-Kosmos hat Kennedy stets mitgedacht und mit diversen Ablegern ausgebaut. Bei diesen strategischen Entscheidungen wurde ihr tiefes Verständnis für die Marke deutlich.

Kennedy weiß genau um den Wert von Design-Maestro Doug Chiang und VFX-Wizard John Knoll, die Star Wars seit Jahrzehnten gestalten, ganz zu schweigen davon, dass John Williams' Musik ganze Planeten mit einer kleinen Melodie bewegen kann. Sie weiß aber auch, dass Star Wars Erneuerung braucht und kämpft deswegen seit Jahren für den ersten Star Wars-Film einer Regisseurin, der nun tatsächlich kommen soll.

Es könnte das letzte Vermächtnis ihres ereignisreichen Lucasfilm-Runs werden, der von Höhen wie Tiefen geprägt ist. Nachdem Patty Jenkins' Rogue Squadron vorerst auf Eis gelegt wurde, stellte Kennedy auf der Star Wars Celebration 2023 Sharmeen Obaid-Chinoy als Regisseurin des kommenden Rey-Films mit Daisy Ridley in der Hauptrolle vor. Noch vor Ende des Jahres sollen die Dreharbeiten beginnen.

Damit wäre Kathleen Kennedys Schaffen bei Lucasfilm von der wertvollsten Figur gerahmt, die das Franchise seit den Prequels hervorgebracht hat. Kennedy hat Star Wars mit Rey zurück ins Kino geholt und kehrt nach ein paar Umwegen im Streaming-Labyrinth wieder mit ihr dorthin zurück. Keine Figur verkörpert Kennedys Star Wars so gut wie Rey, die von Legenden wie Luke Skywalker und Leia Organa träumt – und sich dann in ihr eigenes Abenteuer stürzt.

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