Hypes sind schwer zu kopieren. Als vor zwei Jahren Smile – Siehst Du es auch? ins Kino kam, schien er die ganze Welt zu beschäftigen: Tausende Fans ereiferten sich online über den gruseligsten Horror-Film aller Zeiten, das Social-Media-Phänomen wurde zum Kassen-Hit. Jetzt ist Smile 2 erschienen, aber von Massenhysterie ist noch nichts zu spüren. Dabei ist er besser als sein Vorgänger.
Smile 2 sieht besser aus, hat die besseren Figuren, eine interessantere Geschichte und die schlimmeren Schocks. Allein die Eingangsszene zeigt, wie gut sich Regisseur Parker Finn, der schon Teil 1 inszenierte, in dieser schaurigen Welt zurechtfindet. Und dennoch bleibt am Ende ein dumpfes Gefühl von Enttäuschung zurück.
Schaut euch hier den Trailer zu Smile 2 an:
Darum geht's im Horror-Sequel Smile 2
Smile 2 dreht sich um den Pop-Star Skye Riley (Naomi Scott), die sich nach einem tragischen Autounfall zurück an die Spitze des Musikbusiness gekämpft hat. Doch inmitten einer gigantischen Welttournee bringt sich ein Bekannter (Lukas Gage) auf grausige Weise vor ihren Augen um. Nach seinem Tod scheint sie ein dämonisches Grinsen auf Schritt und Tritt zu verfolgen.
Smile 2-Macher Parker Finn entfesselt in den ersten Minuten einen unfassbaren Sog
Was Finn in den ersten Smile 2-Minuten an Spannung, Schock, Action und Humor abfeuert, wird auch Skeptiker in ihre Kinosessel drücken und begeistern. So ging es mir nämlich: Wie viele andere habe ich nicht unbedingt auf Smile 2 gewartet. Teil 1 war unterhaltsam, zugegebenermaßen, aber weit von dem Schocker des Jahrtausends entfernt, den so viele Twitter-Kommentare aus ihm machen wollten. Milde interessiert, so lässt sich mein Gefühl vielleicht beschreiben.
Und dann fange ich mir für meine Überheblichkeit gleich eine Ohrfeige von dem Film ein. Die ersten fünf Minuten schließen an das Finale von Teil 1 an: Joel (Kyle Gallner) kehrt zurück. Er sitzt in seinem Auto im Schnee und wartet auf sein Opfer.
In den nächsten Minuten wird er selbst ein extrem blutiges Ende finden. Inhaltlich möchte ich nicht zu viel verraten. Aber rein dramaturgisch, handwerklich und auf Ebene der kreativen Ideen könnte der Einstieg nicht besser sein. Die ganze Eröffnungssequenz ist rasant, blutig, gruselt, schockiert und kommt fast ohne Schnitte aus.
Sie macht den Horror des Vorgängers fast zum Nebenschauplatz. Und zeigt damit, wie Finn mit seiner Erfindung spielen kann: Es ist, als sähen wir Smile durch das Prisma einer Episode von True Detective oder Better Call Saul. Grusel im Krimigewand.
Die größten Stärken von Smile 2 sind sein Look und Naomi Scott
Als dann die Haupthandlung des Films beginnt, wird klar, dass dieser Einfallsreichtum nicht mit den ersten fünf Minuten endet: Skye Riley ist eine brillant geschriebene Figur: ehrgeizig, traumatisiert, trotzig, reumütig, verängstigt und doch resolut. Naomi Scott, bekannt aus Aladdin und 3 Engel für Charlie, verkörpert sie perfekt. Die Übertragung des Smile-Musters in die Welt der Pop-Stars ist ein grandioser Gewinn.
In vielen Szenen zeigt Finn eine Flexibilität, die die dramaturgische Effizienz des Vorgängers nicht zugelassen hat. Kunstvolle Tanzeinlagen und mehrfache Twists durchbrechen spielerisch eine geradlinige Erzählweise aus eskalierenden Schocks.
Aber die offensichtlichste Stärke des Sequels ist sein Look: Beschränkte sich der visuelle Eindruck des Vorgängers auf ein knalliges Farbkonzept, besitzt Teil 2 eine fast klassische Schönheit: Geometrien, Spiegelungen, Farbvielfalt und ein Spiel mit Licht und Schatten machen den zweiten Smile-Film zu einer Augenweide.
Und wo ist dann das Problem? Smile 2 enttäuscht mit einem erwartbaren Plot
Ein Meisterwerk ist Finns Sequel aber nicht. Das hängt weniger mit den Figuren, dem Look oder der Inszenierung einzelner Szenen zusammen. Es ist eher eine Schwäche der Dramaturgie im Allgemeinen: Nichts am Story-Verlauf von Smile 2 hat mich wirklich überrascht. Die Fortsetzung übernimmt über weite Strecken das Muster ihres Vorgängers. Und wo sie abweicht, etwa durch gewisse Twists, bleibt es eine bloße Spielerei.
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Auch wenn sich der Film in die glitzernde Neonwelt des Pop kleidet, beeindruckende Choreografien einstreut, einen perfekten Soundtrack abspielt und seiner Hauptfigur mit langem Atem Leben einhaucht: Die Dramaturgie, die jeder Fan des Vorgängers ohnehin erwarten wird, bleibt dieselbe.
Vielleicht ist deswegen der Effekt der ersten fünf Minuten so stark: Sie versprechen, das simple Konzept des Vorgängers auf den Kopf zu stellen. Aber was folgt, ist einfach ein zweiter Smile-Film, mit derselben Spannungskurve und ähnlichen Höhepunkten. Und Taylor Swift statt einer Psychiaterin.
Ist es unangemessen, dem Film vorzuwerfen, eine einfallsreiche Kopie seines Vorgängers zu sein? Beliebte Horror-Reihen wie Final Destination, Halloween oder Hellraiser binden ihre Filme schließlich auch an ein wenig variables Muster. Aber das erste Sequel ist etwas ganz anderes als das fünfte. Bei Smile 2 gibt es keine jahrzehntelange Erwartungshaltung der Fans.
Aber was es gab, war die Erfahrung eines Horror-Hypes, der im Prinzip durch nichts anderes zusammengehalten wurde als ein gruseliges Grinsen. Vielleicht war der Wunsch nach einem Hype von so simpler Art zu stark, um die Story gegen den Strich zu bürsten. Ob er sich kopieren lässt, werden wir sehen. So oder so ist Smile 2 ein unterhaltsamer Horror-Film mit wunderschönen Szenen, der noch viel mehr hätte sein können.