Star Wars 8: Warum Die letzten Jedi eure Enttäuschung nicht verdient

19.12.2017 - 12:30 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Rey in Star Wars 8: Die letzten JediDisney
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Star Wars 8: Die letzten Jedi spaltet die Fans wie die Erste Ordnung die Galaxis. Sogar eine Petition wurde bereits ins Leben gerufen, um den Film aus dem Kanon zu streichen. Das ist natürlich Unfug, denn Rian Johnson hat einen geistreichen Film abgeliefert.

Auf der Zielgeraden des Kinojahres avanciert Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi zu einem der polarisierendsten Blockbuster der vergangenen zwölf Monate. Anfangs euphorisch von Kritikern mit unzähligen Vorschusslorbeeren in Empfang genommen, hat sich mittlerweile eine starke Gegenbewegung entwickelt, die den Film sogar am liebsten aus dem Kanon streichen  will. Rian Johnsons eigenwillige Star Wars-Vision war für einige Fans der Sternensaga offenbar zu viel des Guten. Ein altes Lied, denn spätestens seit Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung gehören panische Reaktionen hinsichtlich der Zerstörung heiliger Kindheitserinnerungen zum guten Ton eines jeden Star Wars-Fans. Bloß nicht von etwas Neuem beeindrucken lassen! Sollte sich Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht jedoch wieder am Muster von Krieg der Sterne orientieren, ist der Gang auf die Barrikaden ebenfalls sicher, denn hier fehle schließlich jeder Mut zur Lücke.

Rian Johnsons Vision, die spaltet

Die verschiedenen Backlash-Stadien eines heiß erwarteten Films wie Star Wars 8 - Die letzten Jedi gab es 2017 zu Genüge zu bezeugen und zu studieren. Dass über die Bilder des Kinofilms geredet, diskutiert und gestritten wird, ist dabei durchaus zu begrüßen. Doch viel zu oft bricht dieser spannende Dialog ab, bevor er überhaupt angefangen hat, da gehässige Argumente auf eine radikale Lösung des Problems drängen. Wenn sich der vermeintliche Fan für eine Aussage wie "noch schlimmer als Jar Jar Binks" nicht mehr zu schade ist, entlarvt er sich jedoch selbst. Star Wars 8 - Die letzten Jedi ist ihm jedoch sogar darin stets einen Schritt voraus. Wenngleich Rian Johnson keinen perfekten Film abgeliefert hat, so stecken in seinen zweieinhalb Stunden Sternenkrieg mehr Überlegungen, die sich mit dem Vermächtnis des Weltraummärchens beschäftigen als eine Streichung aus dem Kanon jemals zutage fördern könnte. Achtung, es folgen Spoiler zu Star Wars 8 - Die letzten Jedi!

Wie soll sich jemals etwas verändern, wenn der alleinige Versuch im Angesicht des Scheiterns sofort abgelehnt und ignoriert wird? Rian Johnson trifft - für Star Wars-Verhältnisse - einige mutige, unerwartete Entscheidungen und liefert einen Film ab, der die Erschütterung der Macht gleich auf mehrere Ebenen überträgt. "This is not going to go the way you think", verkündet Luke Skywalker, der selbst eine schicksalhafte Wandlung durchmacht. Vom strahlenden Helden, der das Imperium besiegte, zur alternden Legende, die sich ins Exil zurückgezogen hat, um über die eigenen Fehler nachzudenken und zu sterben. Das Scheitern wird so offen und produktiv in Star Wars 8 - Die letzten Jedi verhandelt wie in nur wenigen Filmen dieser Größenordnung, die all ihre Dramatik angeblich bloß aus dem denkbar einfachen Kampf von Gut gegen Böse ziehen. Rian Johnson erkennt mehr hinter diesem Gerüst, auch die hässlichen und unangenehmen Seiten.

Traditionen um der Traditionen Willen

Natürlich tut es weh, im Herzen, wenn Luke nach all den Jahren und vor allem nach dem Cliffhanger des vorherigen Films sein Lichtschwert, das Lichtschwert seines Vaters, achtlos über die Schulter wirft, als würde er selbst versuchen, etwas aus dem Kanon zu streichen. Rian Johnson spielt bewusst mit gewissen Erwartungshaltungen und schreckt dabei nicht davor zurück, selbst die unumstößlichsten Gesetze der Mythologie zu brechen. Ein Frechdachs, der den Fans den Mittelfinger zeigt? Größer könnte der Irrtum nicht sein. Im Gegenteil: Wie schon J.J. Abrams sorgt und kümmert sich auch Rian Johnson hingebungsvoll und aufrichtig um den Erhalt einer Geschichte, die ihm zweifelsohne sehr viel bedeutet. Damit diese Geschichte aber nicht langweilig wird und in ihrem eigenen Schatten untergeht, müssen gewisse Dinge hinterfragt werden, selbst wenn es wehtut. Die Komfortzone hat Star Wars mit der 8. Episode endlich hinter sich zurückgelassen.

Durch die sogenannten Caretaker, fischartige Nonnen, schmuggelt Rian Johnson ein cleveres Bild in Star Wars 8 - Die letzten Jedi. Seit Jahrtausenden leben diese auf Ahch-To und kümmern sich um den Erhalt der antiken Jedi-Bauten. Sie fungieren als Hüter der Tradition und werden ungemütlich, wenn jemand es auch nur wagen sollte, einen althergebrachten Stein vom anderen zu lösen. Richtig interessiert an dem, was Luke und Rey treiben, sind sie allerdings nicht, solange sie nichts im Anschluss reparieren müssen. Warum aber eine Tradition aufrechterhalten, wenn gar kein Interesse besteht, an der lebendigen Ausführung dieser teilzunehmen? Verurteilend und nur mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt trödeln die Caretaker über Hügel und Steine der Insel, wirken immer beschäftigt und dennoch bleibt es ein großes Rätsel, warum sie so besessen darauf sind, etwas zu wahren, das nach all der Zeit zwangsläufig einer Erneuerung bedarf.

Ausbruch aus dem Bestehenden

Rey ist es, die an all die Mythen und Legenden, die sich um die Jedi-Ritter ranken, glauben will, da sie ihr in dunkelster Stunde Hoffnung schenken. Als Luke sein Lichtschwert in den Abgrund befördert, ist sie genauso sprachlos wie wir Zuschauer und verkörpert somit perfekt den Zwiespalt zwischen dem Neuen und dem Alten. So verlockend die Fußstapfen sind, in die sie steigen kann, muss Rey im Lauf ihrer nachfolgenden Ausbildung lernen, dass sie nicht - wie im Märchen - in das Abenteuer hineingeboren wurde und fortan nur noch ihr Schicksal erfüllen braucht. Stattdessen richtet sich die anti-klimatische Enthüllung ihrer Eltern ebenso fordernd an sie, wie Star Wars 8 - Die letzten Jedi uns dazu auffordert, über die Bedeutung und Tradition einer Reihe nachzudenken, die scheinbar selbstverständlich einem ganz bestimmten Weg zu folgen hat. Wer diesen Pfad verlässt, fällt in Ungnade, selbst wenn es nichts Aufregenderes gibt, als die Regeln zu brechen.

Wie toll es ist, diesen Regelbruch bildlich im Film zu sehen, demonstriert Rian Johnson in einer der wohl verblüffendsten Sequenzen von Star Wars 8 - Die letzten Jedi. Angesiedelt in Supreme Leader Snokes Thronsaal, einer feuerroten Kulisse, die wie die aufwirbelnden Mineralien auf Crait den Umsturz geradezu provoziert, wird nicht nur der geheimnisvolle Bösewicht gänzlich unerwartet seiner Macht beraubt und mit eigenen Waffen geschlagen. Nein, der Augenblick danach offenbart sich als wertvollster des gesamten Films, wenn sich Rey und Kylo Ren in die Augen sehen und merken, dass sie sich in einem absoluten Vakuum befinden. Für den Bruchteil einer Sekunde greift kein einziges Star Wars-Gesetz und das Star Wars-Universum präsentiert sich - sprichwörtlich wie im übertragenen Sinne - so formbar wie nie. Dann greift der Instinkt und die beiden kämpfen Rücken an Rücken gegen die letzten Überbleibsel der Ersten bzw. Alten Ordnung, völlig losgelöst von allen Vorurteilen und Erwartungen.

Alte und neue Legenden

Erst danach, als der Moment der Überraschung vorüber und das Adrenalin verschwunden ist, tritt die Versuchung des Alten zum Vorschein und Kylo wendet sich mit fast den gleichen Worten an sein Gegenüber, wie es Anakin Skywalker aka Darth Vader in Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith tat. "And together, you and I can rule the galaxy! We can make things the way we want them to be!" Zwei junge Seelen an der Kreuzung: Während Kylo gleich nach seinem Ausbruch droht, wieder in alte Muster zurückzufallen, bleibt Rey unbeirrt in ihrer Überzeugung an den neuen Weg, den sie - entgegen ihrer eigenen Erwartungshaltung - erst selbst entdecken musste. Star Wars 8 - Die letzten Jedi steht sinnbildlich für diese Entscheidung und schafft somit eine neue Legende, genauso, wie Luke die alten Jedi-Geschichten auf den Prüfstand stellt, ehe er zum Schluss eine neue Geschichte schafft, die sich wie ein Lauffeuer in der Galaxis verbreitet und hoffen lässt.

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