Am Mittwochabend scheuchte Collider die Filmwelt mit der Meldung auf, dass sich Lucasfilm vorerst von den Anthologiefilmen verabschiedet. Der bittere Flop von Solo: A Star Wars Story wirkt sich offenbar stärker auf die Planungen des Studios aus, als vor ein paar Wochen noch anzunehmen war, als der Hollywood Reporter munter von einem Boba Fett-Film unter der Regie von James Mangold berichtete. An dieser Stelle sei natürlich sogleich betont, dass sich die entsprechenden Projekte, zu denen ebenfalls der seit einer gefühlten Ewigkeit rumorte Obi-Wan-Kenobi-Film gehört, von offizieller Seite nie bestätigt wurden. Genauso stammen die Pläne, die Spin-offs auf Eis zu legen, aus nicht näher genannten Quellen und wurden inzwischen von ABC News unter Berufung auf Informanten bei Lucasfilm dementiert. Plausibel und notwendig wirkt die Kurskorrektur dennoch, selbst wenn es auf den ersten Blick wehtut, das zuzugeben.
Das Dilemma der Star Wars-Anthologiefilme
Ob Solo gut oder schlecht war, darüber lässt sich an anderer Stelle streiten. Fakt ist, dass die knapp 350 Millionen Dollar, die der Film bisher weltweit eingespielt hat, bei einer Marke wie Star Wars und einem Budget von rund 275 Millionen Dollar unmöglich auch nur irgendeine Partei zufriedenstellen können. Wenngleich Rogue One: A Star Wars Story seinerzeit mit einem globalen Box Office von über einer Milliarde Dollar sämtliche Erwartungen übertroffen hatte, kann die Niederlage des zweiten Anthologiefilms nicht abgefedert werden, denn hinter dem gesamten Konzept verbirgt sich für Lucasfilm eine langer Rattenschwanz unglücklicher Entwicklungen. Diese ziehen sich von Josh Tranks gescheitertem Boba Fett-Film zu den Nachdrehs von Rogue One und gipfelten zuletzt beim Rauswurf der ursprünglichen Solo-Regisseure Phil Lord und Chris Miller. Die Star Wars Stories waren für Lucasfilm bisher mit mehr Komplikationen als Erfolg verbunden.
Nichtsdestotrotz ist das Konzept der Anthologiefilme nach wie vor fantastisch und sollte einem riesigen Franchise wie Star Wars eigentlich die Möglichkeit geben, sich zwischen dem Druck der großen Episoden an den Nebenschauplätzen des Sternenkrieges zu entfalten und zu atmen. Rogue One und Solo haben es durchaus geschafft, einen anderen Blickwinkel einzunehmen und eigene Akzente zu setzen, sei es durch das abgründige Kriegstreiben einer zerrütteten Rebellen-Allianz oder ein aufregendes Heist-Abenteuer zwischen Film noir- und Western-Elementen. Aus dem großen Schwarzen Loch, das zwischen Prequel- und Original-Trilogie klafft, haben sie sich trotzdem nicht herausgetraut. Das muss nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein, lässt jedoch genauso den frischen Wind vermissen, den das Star Wars-Universum einmal wieder nötig gehabt hätte.
Lass die Vergangenheit sterben. Töte sie, wenn es sein muss.
Ein Obi-Wan Kenobi-Film wäre natürlich immer noch perfekt gewesen. Gerade im Hinblick auf die letzten Momente von Solo offenbaren sich mehr als verheißungsvolle Möglichkeiten, wie der Werdegang des von Ewan McGregor verkörperten Jedi-Ritters um ein weiteres Kapitel erweitert hätte werden könnten. Nicht nur wäre da ein alter Rivale wie Darth Maul, sondern ebenfalls die Möglichkeit einer Machtgeist-Zusammenführung mit Qui-Gon Jinn und Yoda. Diese könnte sich in den Wirren nach der Order 66 abspielen und den Diskurs zwischen Jedi und Sith weiterführen, nachdem sich die zwei bisherigen Anthologiefilme überwiegend abseits der Macht ereigneten. Ausgehend davon fühlt sich die mögliche Entscheidung, die Arbeit an den Anthologiefilmen aufgrund der negativen Erfahrungen mit Solo und Co. in Karbonit einzufrieren, überstürzt, vielleicht sogar ein bisschen panisch an.
Gleichzeitig offenbart sich hier für Lucasfilm die Chance, nach der - überaus erfolgreichen - Wiederbelebung des Franchise mit Star Wars 7: Das Erwachen der Macht einen weiteren Neustart hinzulegen, der Star Wars wetterfest für eine hart umkämpfte Zukunft im Blockbuster-Kino macht. "Lass die Vergangenheit sterben. Töte sie, wenn es sein muss." So lautet Kylo Rens unerschrockene Ansage in Star Wars 8: Die letzten Jedi, wenn er im Zuge einer seiner vielen Begegnungen mit Rey das Publikum darauf vorbereitet, wie intensiv der Film im Anschluss seinen eigenen Kern infrage stellen wird. Genau das, was Rian Johnson auf der großen Leinwand vollbracht hat, muss Lucasfilm nun auch für die Marke Star Wars umsetzen. Der Collider-Bericht ist zwar in vielen Aspekten schwammig, stellt aber trotzdem klar, wo der Fokus aktuell liegt, nämlich bei Star Wars 9 und der Trilogie danach.
Ruhe, Planung und Ordnung für das Star Wars-Franchise
Wenn Star Wars 9 in eineinhalb Jahren in die Kinos kommt, muss J.J. Abrams nicht nur beweisen, dass er eine Geschichte zu Ende bringen kann, sondern auch Lucasfilm sollte einen Weg für die Trilogie danach gefunden haben. Konkret arbeitet momentan Rian Johnson an einem solchen Projekt, das die Eroberung ungeahnter Winkel der weit, weit entfernten Galaxie verspricht. Auch die Game of Thrones-Schöpfer D.B. Weiss und David Benioff wurden von Lucasfilm engagiert, um eine nicht näher definierte Reihe an Star Wars-Filmen zu schreiben, die das Franchise ebenfalls in solche Gefilde lenken könnte, ohne der unendlichen Faszination für die Skywalker-DNA zu verfallen. Ruhe, Planung und Ordnung sind die großen Schlüsselwörter, die dafür wichtig werden. Kommunikation und Transparenz wären ebenfalls ganz praktisch, vor allem, um die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen.
Zwar folgt das Star Wars-Franchise bis dato ordentlich den offiziellen Ankündigungen, regelmäßigere Updates seitens Lucasfilm wären trotzdem erfreulich, um das unangenehme Timing von Mittwoch zu vermeiden: Während Collider seinen Scoop auspackte, feierte die Star Wars Show auf Youtube ihre 100. Episode, ohne auch nur ein Update hinsichtlich des aktuellen Status quo zu geben, während die Meldung von ABC News nur bedingt Ordnung ins Chaos bringt. Lucasfilm besitzt genügend Sprachrohre, um Wogen zu glätten und Missverständnissen vorzubeugen. Bei all den "geplanten" Star Wars-Filmen, die mittlerweile fast in DC-esker Manier durchs Internet kursieren, ist es kein Wunder, dass ein Gefühl von Willkür existiert. Der Fokus auf eine reduzierte Anzahl an Projekten, die gleichmäßig verteilt auf verschiedenen Plattformen reifen, scheint da gar keine schlecht Idee zu sein.
Völlig unabhängig davon, wie sich die aktuellen Gerüchte gerade überschlagen und auf welche Quellen sie sich berufen: Das Vergangene sterben zu lassen und sich fortan neuen Geschichten zuzuwenden, dürfte, könnte und sollte für Star Wars vermutlich der mutigste Schritt seit George Lucas' Prequels werden - je nachdem, wie weit sich ein "abgetrennt von der episodischen Skywalker-Saga" dehnen lässt, von dem in der Pressemitteilung zu Johnsons-Trilogie die Rede war. Und wenn die Zeit gekommen ist, können auch die Star Wars Stories jederzeit wieder zurückkehren. Vielleicht geht genau in diesem Moment ein Regisseur oder Drehbuchautor durch die Tür von Kathleen Kennedys Büro und hat einen verblüffenden Pitch parat, der dem Konzept neuen Atem einhaucht. Das darf bei all der Panik nicht vergessen werden.
Was glaubt ihr, wäre aktuell das Beste für das Star Wars-Franchise?