Studio Ghibli und die Zukunft der 2D-Animation

08.08.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Prinzessin Mononoke
Studio Ghibli
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Studio Ghibli macht eine unbefristete Pause. Diese traurige Nachricht erreichte uns am Anfang dieser Woche. Doch was bedeutet dieser Rückzug für die vom Aussterben bedrohte Kunst der 2D-Animation?

Im Gegensatz zu vielen Studio Ghibli-Fans bin ich nicht mit den Filmen aufgewachsen. Die Helden meiner Kindheit waren Schneewittchen, Balu der Bär und Buzz Lightyear; Totoro kam leider erst später. Anime konsumierte ich nur für einige Monate wie besessen in der Form von Dragonball Z. Bis ich meine Augen für die Wunder von Ghibli öffnete, dauerte es kriminell lang. Erst mit 20 Jahren zeigte mir ein Freund Prinzessin Mononoke.

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Auch heute würde ich mich keinesfalls als Ghibli-Experten bezeichnen. Ich habe nur fünf der zwanzig existierenden Spielfilme des Studios gesehen (eine Wissenslücke, die ich so schnell wie möglich schließen werde), doch diese haben mich größtenteils tief berührt. Mein Nachbar Totoro ist ein perfekter erster Film für kleine Kinder: unschuldig, magisch, wunderschön. Trotzdem zeigt der Film eine gewisse Reife, die auch bei Erwachsenen funktioniert.

Demnach machte mich kein Artikel, den ich in den letzten Wochen und Monaten schreiben musste, betrübter als diese Nachricht vom Montag: Wie sieht die Zukunft von Studio Ghibli aus?. Studio Ghibli legt eine unbefristete Pause von der Filmproduktion ein. Erinnerungen an Marnie wird vorerst sein letzter Film sein. Die Firma wird weiterhin existieren und die Rechte für ihre Werke verwalten. Neue Filme will sie bis auf weiteres nicht produzieren; eine Rückkehr wird allerdings nicht ausgeschlossen.

Was ist der Grund für diese Pause?
Vor knapp einem Jahr verkündete Hayao Miyazaki bei der Biennale in Venedig, wo er seinen bisher persönlichsten Film Wie der Wind sich hebt präsentierte, seinen Ruhestand. Es war nicht das erste Mal, dass Miyazaki seinen Pinsel an den Nagel hängen wollte, doch diesmal scheint die Entscheidung endgültig. 1985 war er einer der Mitbegründer von Ghibli und wurde zum öffentlichen Gesicht des Studios. Er und Isao Takahata zeichneten für einen Großteil der Meisterwerke aus dem Animationshaus verantwortlich.

Seit den neunziger Jahren versucht Ghibli vergeblich, junge Talente zu hegen und zu pflegen, die ihre Nachfolge antreten könnten. Laut dem britischen Ghibli-Experten Robbie Collin wurden Yoshifumi Kondo und Mamoru Hosoda als mögliche Erben gehandelt, doch Kondo verstarb 1998, während Hosoda zu einem anderen Studio wechselte. Goro Miyazaki, Hayaos Sohn, hatte ein unbeständiges Verhältnis zur Firma seines Vaters, auch wenn er zuletzt mit Der Mohnblumenberg einen Erfolg feierte. Es fehlt einfach an frischen, kreativen Talenten, die den extrem hohen Standards von Studio Ghibli gerecht werden können. Hiromasa Yonebayashi (When Marnie Was There) ist mit seinen 41 Jahren der jüngste Regisseur in seinen Reihen.

Der meistzitierte Grund für die Kreativpause des Studio Ghibli ist allerdings ein anderer: Geld. Wie der Wind sich hebt spielte zwar weltweit fast 120 Millionen Dollar ein, doch solche Zahlen erreichten nur die Filme von Miyazaki. Die Legende der Prinzessin Kaguya hat vergleichsweise nur knapp über 30 Millionen erzielt und ist demnach ein Flop (allerdings wartet der Film noch auf einen Kinostart in vielen Ländern; in Deutschland ist es am 20. November so weit). Die Ergebnisse für When Marnie was There, der bislang nur in Japan läuft, sind solide aber auch kein Grund zum Feiern. Das Interesse für die Ghibli-Filme hält sich in Grenzen. Sie wenden sich an eine kleinere Gruppe von treuen Fans und Cineasten, schaffen es aber selten, ein breites Publikum für sich zu gewinnen.

Was bedeutet diese Pause?
Für die globale Animationswelt stehen die Probleme des Studio Ghibli symptomatisch für den Tod der traditionellen Zeichentrickkunst. Das Studio war die letzte Bastion der 2D-Animation. Thematisch sind die Ghibli-Filme, besonders für westliche Zuschauer, schwerere Kost als die zugänglichen Werke aus Hollywood, doch auch der Stil ist altmodisch. Der Niedergang des Studios beweist die traurige Tatsache, dass die Masse sich einfach nicht für handgezeichnete Filme interessiert (im Kino zumindest; auf der Flimmerkiste dauert der Cartoon-Boom weiterhin an).

Disney hat der Technik bereits vor zwei Jahren den Rücken zugekehrt und zeigt keine Anzeichen, seine Meinung zu ändern. Charaktere, die wir als Zeichnungen kennen und lieben gelernt haben, mutieren derweil zu verstörenden Computeranimationen. SpongeBob Schwammkopf 3D, Die Biene Maja – Der Kinofilm und Asterix im Land der Götter werden bei Menschen in einem gewissen Alter glückselige Kindheitserinnerungen in Albträume verwandeln.

Das wirklich traurige an dieser Entwicklung ist nicht der Aufstieg der Computeranimation, die zahllose sehenswerte Werke hervorbringt. Schade ist nur, dass beide Kunstformen scheinbar nicht parallel existieren können. Immerhin können wir uns dieses Jahr noch auf Die Melodie des Meeres, eine belgisch-dänisch-französich-irisch-luxemburgische Koproduktion von Cartoon Saloon, den Machern von Das Geheimnis von Kells, freuen, der ganz traditionell animiert wurde. Allerdings ist der Film eine Anomalie. Außerdem wird Ghibli, zumindest auf dem internationalen Markt, eine große Lücke im Anime-Bereich hinterlassen. So könnten die Filme von anderen Studios wie Madhouse (Paprika) oder Tōei Animation (Dragonball, One Piece) mehr Aufmerksamkeit im internationalen Kinogeschäft einfahren und die 2D-Animation am Leben erhalten.

Ein Comeback der Technik im großen Maßstab können wir auch nicht ausschließen. Auch die Stop-Motion-Animation wurde immer wieder für Tod erklärt, bevor Studios wie Laika und Aardman die Kunstform wieder populär machten. Hoffentlich wird Cartoon Saloon, Madhouse oder einem neuen Studio ein ähnlicher Coup gelingen, sodass die Menschen wieder für einen klassischen Zeichentrickfilm in die Kinos strömen. Im Idealfall wird Studio Ghibli schnellstmöglich aus seinem künstlichen Koma erwachen und diese Aufgabe mit neuer Magie bewältigen. Momentan sieht es allerdings nicht gut aus.

Habt ihr noch viel Hoffnung für klassische Zeichentrickfilme?

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