Bei Filmkritiken zu neuen Tom-Cruise-Filmen ist es zu einer guten Tradition geworden, dass man zunächst kritisch das Engagement des Schauspieler für die Scientology-Sekte reflektiert, dass man nach Parallelen zwischen Leben und Werk sucht und man dann die schauspielerische Leistung von Tom Cruise in Frage stellt. Würde sichTom Cruise für Pinguine einsetzen, bliebe ihm und uns diese immer gleiche Prozedur erspart. Oft heißt es dann auch, man hasst oder man liebt ihn, wobei ich schon lange auf keinen Liebenden mehr getroffen bin. Ich persönlich stehe den Idiosynkrasien von Schauspielern so gleichgültig gegenüber, dass ich ihre Arbeit durchaus schätzen kann.
Tom Cruise ist kein großer Schauspieler, jedes Ensemblemitglied an einem deutschen Stadttheater ist wandelbarer. Doch wohl kaum einer dieser Theatermimen hätte die Ausstrahlung eines Tom Cruise. Wenn Cruise auf der Leinwand erscheint, dann ist er da und er bleibt einem im Gedächtnis. Die meisten Schauspieler spielen zwar laufend in Filmen mit, aber man nimmt sie nur dann wahr, wenn sie einen stören und dann verschwinden sie sofort wieder. Cruise ist der charismatische Herrscher unter den Schauspielern. Kein Wunder, würden manche Kritiker hinzufügen, dass Cruise für Scientology arbeitet. Tom Cruise im Kino zu sehen, heißt auch, einer ewigen Wiederholung beizuwohnen, denn seit Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel oder Mission: Impossible hat Cruise sich nicht mehr verändert. So ist er die Idealbesetzung für Doug Limans Blockbuster Edge of Tomorrow. Tausend Tode wird er in diesem Film sterben und doch immer wieder auferstehen. Edge of Tomorrow ist ein intelligenter Blockbuster mit einer wichtigen Botschaft gegen den Fatalismus. Liman zeigt uns, dass es immer einen Ausweg gibt und stellt sich vehement gegen die Merkelsche Ideologie der „Alternativlosigkeit“. Tom Cruise spielt zum einen den typischen Actionheld, zum anderen wird er zu einem strategischen Diskursanalytiker auf den Spuren von Michel Foucault.