Es braucht keine 13 Gründe, um zu sehen, dass die 3. Staffel von Tote Mädchen lügen nicht einer kreativen Bankrotterklärung gleichkommt. Nachdem die 2. Staffel noch als emotionsgeladener Epilog zur grandiosen ersten durchging, haben die neuen Folgen rein gar nichts mehr zu erzählen. Es ist erschreckend, wie viel hier falsch gemacht wurde.
Tote Mädchen lügen nicht Staffel 3 versucht sich als Krimiserie
Ohne Hannah Baker muss sich Tote Mädchen lügen nicht neu definieren. Die dichte und spannende Erzählweise, die das ursprüngliche kapitelartige Format hergab, konnte schon in der 2. Staffel nur bedingt wiederbelebt werden. Nun versucht sich die Netflix-Serie an einem neuen Ansatz in Form eines Whodunit-Krimi - und scheitert damit kläglich.
Als Krimi kann die 3. Staffel keine Spannung erzeugen. Krampfhaft versucht jede Episode den Verdacht auf eine andere Figur zu lenken und füllt die meiste Zeit der 13 Stunden aber mit belangloser Teenie-Soap und brütenden Blicken von Clay (Dylan Minnette). Hat einer der Macher überhaupt schon mal einen Krimi gesehen?
Dazu verliert Tote Mädchen lügen nicht durch eine neue Inszenierungs-Spielerei jeglichen Realismus. Ständig wird durch wechselnde Bildformate und Farbgestaltungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterschieden. Dieses Gimmick nutzt sich allerdings schnell ab und verleiht der Serie eine entfremdende Künstlichkeit und Kälte.
Tote Mädchen lügen nicht hat nichts zu erzählen
Tote Mädchen lügen nicht war mal eine relevante Serie, die viele Probleme ansprach und einen Diskurs über Themen wie Suizid und sexuelle Gewalt anstieß. In der neuen Staffel wird allerdings deutlich, dass die Macher es nicht mehr verstehen, sich mit Themen auseinanderzusetzen. So werden viele Hot Topics wie Abschiebung, Abtreibung oder Steroide im Sport lieblos und inkonsequent abgearbeitet, ohne eine nötige Wucht zu erzeugen.
Während Waffengewalt in Staffel 2 ein großes Thema war, bedrohen sich hier nun ständig Figuren mit gezogener Waffe für den maximal dramatischen Effekt. Noch schlimmer wird es in Bezug auf das Thema Drogenmissbrauch. So spritzt sich Alex munter Steroide, während im Hintergrund fetziger Punk-Rock dröhnt. Konsequenzen für den Ausgang seines Handlungsbogens hat das nicht.
Einziger Lichtblick in Staffel sind ein paar wirklich starke Momente, wie Tylers (Devin Druid) Geständnis gegenüber Clay (Folge 8) oder die bewegende "I'm a survivor"-Szene (Folge 11), die an die Emotionalität vergangener Staffeln zurückerinnern.
Gefährlich und eklig: Gefühle für den Vergewaltiger
Um Clay aus der 10. Episode zu zitieren: "Ich hasse, was hier passiert!". Denn thematisch ist die 3. Staffel von Tote Mädchen lügen nicht erschreckend problematisch und geradezu ekelhaft, wenn wir plötzlich Sympathien für die Vergewaltiger Bryce (Justin Prentice) und später auch Monty (Timothy Granaderos) fühlen sollen. Zwar bleibt sich die Serie dabei treu, in die Gedankenwelten von gebrochenen Existenzen (Hannah, Tyler und jetzt Bryce) einzutauchen. Doch Staffel 3 geht einen Schritt zu weit.
Ein Großteil der Staffel versucht krampfhaft, Bryce als geläuterten Menschen darzustellen, der nur ein Opfer äußerer Umstände geworden ist. Sie geht sogar so weit, seine Taten zu entschuldigen (Spoiler: Er bekam als Kind zu wenig Liebe). Das ist äußert gefährlich. Wir sollen vergessen, das dieser Mensch systematisch mindestens 9 Frauen vergewaltigt hat.
Das Ende und somit die hirnrissige und unmotivierte Auflösung von Bryces Mörder steht schließlich symbolisch für die ganze 3. Staffel von Tote Mädchen lügen nicht. Es ist schon ein Phänomen, dass jede Staffel auf einer Note endet, die eine Fortführung absolut unnötig erscheinen lässt. Und jede neue Staffel gibt uns mehr als 13 Gründe, warum die Serie schon längst hätte enden müssen.
Wie steht ihr zur neuen Richtung der 3. Staffel von Tote Mädchen lügen nicht?