Trancezustand dank Neon Genesis Evangelion

22.06.2013 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
moviepilot/Toei
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Bergman und Kurosawa können einpacken, denn selbst ihnen ist es laut unserem Kommentar der Woche nicht gelungen moviepilot-Mitglied Pyro 91 so nachhaltig aufzuwühlen wie die Animeserie Neon Genesis Evangelion und ihr Schlusspunkt The End of Evangelion.

Im Kommentar der Woche möchten wir jede Woche eure Kommentare auf der Bühne moviepilots feiern. Die Voraussetzungen dafür können beinahe alle Kommentare erfüllen, ob frecher Einzeiler, ausführliche Analyse, egal wie alt oder neu, ob zu einem Film, einer Serie, einer Person oder einer News: Wenn euch ein Kommentar besonders gut gefallen hat, schreibt mir einfach eine Nachricht.

Der Kommentar der Woche
Ganz neben sich und tief berührt war Pyro 91 von Neon Genesis Evangelion: The End of Evangelion und dem Ende, welches Hideaki Anno der Serie Neon Genesis Evangelion mit diesem setzte:

“I’m so fucked up.”
Seitdem ich mich hier auf moviepilot rumtreibe, habe ich viele neue, wunderbare Filme und Regisseure entdeckt, auf die ich wohl im Leben nie gekommen wäre. Ich habe auch schon unzählige Kommentare gelesen, in denen davon geschwärmt wurde, wie dieser und jener Film doch das Leben des Kommentarschreibers verändert habe, ihn das erste Mal vor Augen geführt hat, zu welchen intellektuellen und emotionalen Tiefgang dieses Medium doch fähig ist und genau das ausdrücken konnte, wozu er selbst nicht in der Lage war.

Und obwohl es einige Filme gegeben hat, die meine Sicht auf die wohl schönste Kunstform der Welt drastisch verändert haben, hatte ich trotzdem nie das Gefühl etwas derartig aufwühlendes, provokantes, undurchdringbares, überwältigendes und verdammt geniales gesehen zu haben, wie die letzten beiden Folgen von “Neon Genesis Evangelion” und den Abschluss der Serie “The End of Evangelion”.

Hideaki Anno hat für mich das geschafft, was nicht einmal Bergman, Tarkovsky, Kurosawa, Hitchcock etc. geschafft haben: Die Serie und der Film haben mich derart tief getroffen, dass ich mich seit einer Woche wie in einem Trancezustand befinde, mit dem Wissen etwas zutiefst menschliches und ungefiltertes gesehen zu haben. Auch jetzt stehe ich noch völlig neben der Spur.

Es ist kein Geheimnis, dass Anno während der Produktion der Serie depressiv war und seinen Schmerz auf Zelluloid brennen wollte, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zunächst wägt einen die Serie auch in Sicherheit und man glaubt einen Eskapisten-Action-Anime mit dunklen Vorzeichen zu sehen, in dem am Ende wahrscheinlich alles wieder gut wird. Doch halt, was passiert dann? Die Welt geht unter und unser Held sieht zu? Lügen, Intrigen, Verrat und Betrug dominieren das Geschehen? Jeder ist überwältigt von seinen Selbstzweifeln und Traumatas und wäre am liebsten tot? Wir kennen niemanden, nicht einmal uns selbst? Wer ist der Mann im Spiegel und in welcher Form existiert er in den Köpfen anderer Menschen? Ist diese Einsamkeit nicht überwältigend, der Gedanke nie wirklich eins mit jemanden zu sein? Die Schwere des Daseins, des täglichen Lebens, jeden Moments: Wann wird sie aufhören?

Hat Anno in der Animeserie schon den Wunsch des Zuschauers nach Realitätsflucht entlarvt und – man könnte sagen – bestraft, lässt “The End of Evangelion” keine Zweifel zu, dass er sein Publikum nicht leicht davonkommen lassen und es stattdessen nur mit der kalten, unterträglichen Realität konfrontieren will.

Wenn dann alle Mauern niedergerissen worden sind, sich der Schmerz aufgelöst hat und eine neue Zeitrechnung beginnt, ja dann, erst dann, taucht ein kleiner Hoffnungsschimmer in der unendlichen Dunkelheit auf. Und der Zuschauer atmet auf.
“How disgusting.”

Den Kommentar findet ihr übrigens hier.

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