Vor 25 Jahren lieferte er einen der größten Twists aller Zeiten, aber The Sixth Sense ist aus anderem Grund ein Meisterwerk

20.12.2024 - 14:40 Uhr
Haley Joel Osment in The Sixth SenseConstantin
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M. Night Shyamalans The Sixth Sense gilt als Meisterwerk des Horrors – und das zurecht. Doch auch ohne seinen berühmten Twist besitzt der Klassiker endloses Grusel-Potenzial.

Der Horror-Klassiker The Sixth Sense zeigt, dass das wahre Grauen in der eigenen Fantasie entsteht. Vor 25 Jahren schockierte er außerdem mit einem überragenden Twist, der mindestens genauso berüchtigt ist wie Hitchcocks Psycho-Finale. Doch die wahre Stärke von The Sixth Sense liegt in seinen subtilen Grusel-Momenten, den eindringlichen Performances der Schauspieler:innen und der feinfühligen Kamera-Arbeit.

The Sixth Sense hat bis heute nichts von seiner düsteren Anziehungskraft verloren und ist neuerdings als limitiertes Steelbook erhältlich *.

Der Horror kommt auf leisen Sohlen: Wie eine große Geistergeschichte mit kleinen Mitteln den Bildschirm erobert

In The Sixth Sense wird der Kinderpsychiater Malcolm Crowe engagiert, um hinter das Geheimnis des verängstigten Schülers Cole zu gelangen. Tatsächlich gewinnt Malcolm Coles Vertrauen und erfährt sein Geheimnis: Er kann die Geister von Verstorbenen sehen, die ihn für gewöhnlich heimsuchen, damit er ihnen hilft, mit ihrem irdischen Dasein abzuschließen.

ACHTUNG, SPOILER: Ganz zuletzt erfahren wir (und der verstörte Malcolm), dass es sich auch bei ihm um einen Geist handelt. Dementsprechend verbindet man The Sixth Sense besonders mit besagter Auflösung, welche die gesamte Handlung komplett umdreht.

Die hieraus entstehende Begeisterung sorgte für ein wahres Twist-Fieber im Horror-Kino der folgenden Jahre, wie beispielsweise mit The Others, The Village - Das Dorf (ebenfalls von Shyamalan) oder Saw und wurde vielfach parodiert. Nicht zuletzt wurden überraschende Wendungen zu Shyamalans Markenzeichen als Filmemacher.

Doch The Sixth Sense hat deutlich mehr zu bieten als sein schockierendes Ende. Es handelt sich um einen Horrorfilm, der sich intensiv mit Themen wie Verlust und Trauer auseinandersetzt. Um ihre eigenen Geheimnisse zu ergründen, müssen sich die Hauptfiguren mit denen ihrer jenseitigen Besucher:innen befassen.

Was Coles Interaktion mit den ruhelosen Seelen so verstörend macht, sind die finsteren Wahrheiten, die sie über uns Menschen offenlegen. Beispielsweise, wenn er von Kira (Mischa Barton) heimgesucht wird, einem jungen Mädchen, das von seiner eigenen Mutter vergiftet wurde.

Mal ist das Grauen offen sichtbar, mal wächst es in aller Stille in der eigenen Vorstellungskraft weiter. Im Vergleich zu vielen nachfolgenden Horrorfilmen der frühen 2000er, wie Der Fluch oder Fortsetzungen der Scream-Reihe, setzt The Sixth Sense wenig auf plötzliche Schockmomente und baut auf psychologischen Horror.

Diese mitreißende Mischung liefert neben emotionalen Höhepunkten einen spannenden Mystery-Faktor, der sich elegant mit den einzelnen Horror-Motiven verbindet und perfektes Gänsehaut-Feeling garantiert.

”Ich sehe tote Menschen”: Die Performance von Bruce Willis & Haley Joel Osment zieht in den Bann

Eine weitere große Stärke von The Sixth Sense ist sein Cast. Besonders Toni Colette als Coles empathische Mutter Lynn Searle, Bruce Willis als der gelassener Psychiater Malcolm Crowe und Haley Joel Osment als der übersinnlich begabter Schüler Cole liefern herausragende Performances.

Osmont findet eine beeindruckende Balance zwischen tiefsitzender Skepsis und vorsichtiger Hoffnung gegenüber seiner Umwelt. Auch Willis überzeugt als freundlicher, aufrichtig interessierter Psychiater, der mit Vorliebe psychologische Rätsel knackt und dabei das Kunststück vollbringt, niemals aufdringlich oder scheinheilig zu wirken, während er langsam Coles Vertrauen gewinnt.

Düstere Bildsprache: The Sixth Sense lebt auch von seiner außergewöhnlichen Kameraführung

Wenn Malcolm und Cole ihre Ermittlungen starten, ist die Kamera hautnah dabei. Was Shyamalans Kameramann Tak Fujimoto leistet, ist weit mehr, als einfach draufzuhalten. Vielmehr verschafft er der Geschichte durch seine visuelle Erzählung mehr Tiefe. Indem er jede Kameraeinstellung konsequent so ausrichtet, dass wir die Geschehnisse entweder aus der Sicht Malcolms oder Coles erleben, sind wir nicht nur distanzierte Zuschauer:innen, die den Horror von außen beobachten. Wir sind ein Teil dieses Horrors, stecken mittendrin.

Durch die intensive Bildsprache werden wir von einem ständigen Gefühl der Beklemmung begleitet. Wie bei einer Geisterbahnfahrt werden wir schwungvoll von einem Schrecken in den nächsten katapultiert. In jeder Szene wartet bereits die nächste unheimliche Gestalt, das nächste Puzzlestück auf dem Weg zum Twist gegen Ende.

Dieser sensible Umgang mit der Kamera erhöht die Panik bei jedem echten Horror-Moment ins Unermessliche. Was Cole sieht, sehen auch wir. Wenn Cole sich gruselt, haben wir keine andere Wahl, als uns ebenfalls zu fürchten. Fujimoto macht uns, ohne dass wir es merken, zu Coles und Malcolms Vertrauten und schafft eine intensive Nähe zwischen uns und den Hauptfiguren.

Kombiniert mit der intelligenten Erzählweise und den intensiven Performances verbindet sich Fujimotos ästhetische Darstellung zu einem dichten, unheimlichen Labyrinth, aus dem es kaum ein Entkommen zu geben scheint.

Auch, wenn die finale Enthüllung uns alle beim ersten Mal schauen sprachlos zurückließ, besteht die wahre Freude darin, die beiden Hauptfiguren 107 Minuten voller Gänsehaut zu begleiten. Und das hat sich auch nach 25 Jahren nicht geändert.

Streamen kann man The Sixth Sense unter anderem bei Disney+.

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