Wir schauen Daredevil - Staffel 1, Folge 7 & 8

06.05.2015 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Stick
Netflix
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Heute dreht sich alles um die Vergangenheit. Daredevil nimmt sich zwei Episoden Zeit, um die Herkunft seiner beiden Helden auszuleuchten. Von Lehrern, Vaterkomplexen und häuslicher Gewalt.

Viele Superhelden teilen sich bei all ihren vielfältigen Eigenschaften und Fähigkeiten häufig ein Problem: Sie haben eine extrem prägende Vergangenheit mit ihren Eltern hinter sich, seien sie nun tot oder einfach nur komplizierte Persönlichkeiten. Marvel's Daredevil macht da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil weitet die Serie dieses Problem sogar auf ihren Schurken aus und spinnt damit das Motiv der Ähnlichkeiten der beiden Erzfeinde weiter.

Stick und Shadow in the Glass sind ein ideales Daredevil-Doppelpack, weil sie der Reihe nach die Vergangenheit der beiden zentralen Figuren ausleuchten und ihre starken Vaterkomplexe offen legen. Von Matt (Charlie Cox) wussten wir bereits, dass er im jungen Alter mit dem Tod seines Vaters zu kämpfen hatte, doch wir wussten noch nicht, wie genau er damit umgegangen ist. Nicht so gut, wie wir jetzt erfahren. Der junge Matt Murdock hat jedoch das Glück, von Stick (Scott Glenn) unter die Fittiche genommen zu werden, der ihn das Kämpfen lehrt und die Kräfte zeigt, die Matts Blindheit mit sich bringt. Es sind unterhaltsame Flashbacks zu den beiden auf der Parkbank oder in den Trainingsraum: Sie erinnern in ihrer Meister-Schüler-Hierarchie an die klassische Martial Arts-Geschichte, die im Kontext dieser ansehnlich choreographierten Kämpfe natürlich perfekt hineinpasst.

Doch das vermeintlich väterliche Verhältnis zwischen den beiden ist dem Untergang geweiht, denn wie Stick es selbst formuliert, als er Matt nach 20 Jahren wiedersieht: "I needed a soldier, you wanted a father." Damit hat er natürlich Recht, aber wer könnte es dem Jungen (Skylar Gaertner) schon verübeln, in Stick eine neue Vaterfigur erkannt zu haben? Stick tat es und ließ Matt damals zurück. 20 Jahre später finden sich die beiden vielleicht nicht ganz auf unterschiedlichen Seiten des "Kampfs" wieder, zumindest aber ihre Moralvorstellungen könnten unterschiedlicher kaum sein. Stick hält nichts von Matts verweichlichter Keiner-stirbt-Politik, während Matt wiederum Sticks kompromissloses Niedermetzeln, das selbst vor einen Kind keinen Halt macht, verabscheut. Dass die Wiedervereinigung nicht besonders lange eine glückliche bleibt, war also abzusehen. Das Ende vom Lied ist eine gewohnt ausufernde, erstklassige inszenierte Kampfszene, dank der Matt ein paar Möbel und einen "Freund" weniger hat. Was hoffentlich nicht heißt, dass wir in Zukunft weniger von Stick sehen werden, denn die Rolle hätte mit Scott Glenn wohl kaum besser gecastet werden können. Abgesehen davon, dass Glenn die eiskalte Arschloch-Attitüde perfekt beherrscht, hat er auch noch eine verblüffende Ähnlichkeit mit seiner Vorlage.

Da Daredevil großen Wert darauf legt, die Ähnlichkeiten zwischen dem Helden und seinem Erzfeind aufzuzeigen, lässt natürlich die Kindheit der anderen Seite nicht lange auf sich warten. Bei Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio) waren die Probleme von anderer Natur, was nicht bedeutet, dass sie auch nur ansatzweise angenehmer waren. Zwar hatte er einen Vater, Bill Fisk (Domenick Lombardozzi), aber vielleicht wäre es doch besser, gar keinen zu haben. Bill verschuldet sich bis zum Hals bei den falschen Leuten, ist ein Tyrann zu Hause und hat eine sehr fragwürdige Art, seinen Sohn zu erziehen. Als der junge Wilson (Cole Jensen) von einem Schulkameraden gehänselt wird, zwingt Bill ihn dazu, es dem Mobber kräftig zurückzuzahlen. Unter exzessivem Anfeuern ("Kick him! Kick him!") ist der eigentlich friedliche Bengel dazu genötigt, den am Boden liegenden Jungen erbarmungslos zu treten. Der forcierte Gewaltausbruch erinnert dabei natürlich stark an Fisks spätere Autotür-Eskalation, die einen Russen den Kopf gekostet hat. Als der autoritäre Vater jedoch so weit geht, Fisks Mutter Marlene (Angela Reed) mit einem Gürtel windelweich zu prügeln, läuft das Fass über. Der Junge nimmt sich einen nahe gelegenen Hammer und bringt seinen Vater um. Allzu schockiert ist die liebe Mama nicht ("Get a saw.") und so wird Papa Fisk im Rahmen eines familiären Beisammenseins zertrennt und jedes seiner Teile wöchentlich im Fluss versenkt.

Doch genau wie Matts Vater ihm vor seinem Abtreten die für ihn so wichtige Lektion erteilt hat, niemals aufzugeben und immer wieder aufzustehen, so hat Bill Fisk seinem Sohn auch essentielle Informationen auf den Weg gegeben und zwar, dass er alles haben kann, was er will: “It’s right there. And all you gotta do is put your mind to it and make it happen.” Das hat sich der gute Wilson sichtlich zu Herzen genommen. Das bedeutet in der Umsetzung nicht immer, irgendjemanden bis zum Äußersten zu malträtieren; das kann manchmal auch bedeuten, taktisch und völlig ohne Gewalt vorzugehen. So geschehen am Ende dieser beiden Episoden, als Fisk sich dazu entschließt, an die Öffentlichkeit zu treten und dort sogar seinen Namen preiszugeben. Damit hat er endgültig vorgebeugt, in den Augen der Bürger von Hell's Kitchen als Superschurke dazustehen, was wahrscheinlich passiert wäre, wenn Ben (Vondie Curtis-Hall) stattdessen seinen Artikel abgeschlossen und veröffentlicht hätte. Falls der direkte Showdown zwischen Matt und dem Kingpin nun an die Öffentlichkeit geraten sollte, was überaus wahrscheinlich ist, dann sollte eindeutig sein, wer die Gunst der Bürger auf seiner Seite hat. Es ist ein herber Rückschlag für Matt, der anscheinend ein turbulentes letztes Drittel dieser Staffel vorbereitet.

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