Wir schauen Doctor Who - Staffel 8, Folge 1

25.08.2014 - 11:59 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
How long can you hold your breath?
BBC
How long can you hold your breath?
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Der letzte der Time Lords hat ein neues Gesicht. Seit Samstag hat Peter Capaldi offiziell die Rolle von Matt Smith übernommen und Schluss gemacht mit Fliegen, Fesen und Flirts. Alles anders, alles neu. Der Doctor ist tot, es lebe der Doctor!

“Look, it’s covered in lines! But I didn’t do the frowning. Who frowned me this face?”

Es ist wie die Rückkehr eines Rockstars, wie die Wiedervereinigung einer legendären Musikgruppe. Doctor Who ist nach acht Monaten Pause endlich zurück. Und das nicht irgendwie: Deep Breath hat Spielfilmlänge und wurde weltweit in Kinos gezeigt – das alles nach einer zwölftägigen Tour über fünf Kontinente. Die erfolgreichste Science Fiction-Serie aller Zeiten hat das erklärte Ziel, noch erfolgreicher zu werden. Doctor Who ist back in black – mit ein bisschen rotem Innenfutter.

Im Rachen eines Tyrannosaurus Rex reist die TARDIS ins viktorianische London und wird dort der Paternoster Gang, bestehend aus dem zwischen-artlichen lesbischen Paar Vastra (Neve McIntosh) und Jenny (Catrin Stewart) sowie dem domestizierten Kriegerklon Strax (Dan Starkey), vor die Füße gespuckt. Doch auch alte Freunde können Clara (Jenna Coleman) nicht einfach davon überzeugen, dass der frisch regenerierte Doctor (Peter Capaldi) auch tatsächlich immer noch ihr Reisegefährte ist. Während sie mit ihren Gefühlen für den Doctor und er mit den Nachwirkungen eines Körper-Neustarts zu kämpfen hat, findet jedoch eine Reihe von spontanen Selbstentzündungen ihr bisher größtes und explosivstes Opfer, und der Doctor und Clara müssen ihr gegenseitiges Misstrauen überwinden, um einen altbekannten Feind mit neuem Gesicht (Peter Ferdinando) aufzuhalten, der eigentlich nur ins Paradies will – was auch immer das heißen mag.

Um die erste Folge mit Peter Capaldi gab es eine ganze Menge Wirbel – wie jedes Mal, wenn ein neuer Doctor die Bühne betritt. Mit wenig Mühe findet sicher jeder irgendwen, der einem lange und dröge Geschichten über alle Doctor-Premieren erzählen kann: Von Patrick Troughtons grandiosem Einstand in der verschollenen Folge Power of the Daleks, deren Verlust heute von Fans ähnlich betrachtet wird, wie der der Bibliothek von Alexandria, bis hin zu Colin Bakers The Twin Dilemma, nicht nur wegen einer Würgattacke des frischgebackenen Doctors gegen seine Begleiterin Peri regelmäßig zur schlechtesten Doctor Who-Folge aller Zeiten gewählt. Auf dem Debüt eines Doctors lastet immer ein enormer Druck, und die Tatsache, dass die Serie unter Peter Capaldis Vorgänger Matt Smith zu einem weltweiten Phänomen sondergleichen wurde, macht auch nicht gerade Mut.

Beim Bestehen dieser Generalprobe hilft die zusätzliche halbe Stunde enorm. Deep Breath ist vom Tempo her die langsamste Einzelfolge seit Jahren, und das ist kein Vorwurf. Das etwas gemächliche Tempo gibt der Geschichte Zeit zu atmen und sich zu entfalten, ohne ständig von Handlungselement zu Handlungselement hetzen zu müssen. Davon ist in den ersten zwanzig Minuten aber erst einmal wenig zu spüren. Ein Tyrannosaurus in der Themse, Explosionen und ein Doctor außer Kontrolle… anders als viele Hollywood-Blockbuster, hebt sich diese Folge das große Spektakel nicht für den letzten Akt auf, sondern haut gleich am Anfang ordentlich auf die Pauke, um dann wortwörtlich in den Untergrund zu gehen. Statt Dinosaurierschlachten gibt es Charakterentwicklung, statt Explosionen einen mehrere Minuten andauernden Streit in einem Restaurant.

Dennoch besteht nicht die Gefahr, dass Deep Breath einfach wie eine Folge von vielen wirkt. Showrunner Steven Moffat lässt auch nach dem Anfangsspektakel keine Minute verstreichen, in der man sich langweilen könnte, behält bis zum Rest die Atmosphäre der Unberechenbarkeit und nutzt die zusätzliche Zeit, um etwas zu erzählen, das sich tatsächlich wie ein eigenständiger Film mit einer eigenständigen Geschichte anfühlt. Damit grenzt er sich auch vom letztjährigen Jubiläumsspecial The Day of the Doctor ab, das den Abschluss einer acht Jahre langen Storyline darstellte. Auch Horror-Regisseur Ben Wheatley (Kill List, Sightseers) fühlt sich in seinem neuen Medium sehr wohl und weiß genau, wann er seinen persönlichen Stil zurückfahren muss und wann er sich ganz ausleben darf. Insbesondere die Szenen unter dem Restaurant und der Moment nach der finalen Konfrontation mit einem aufgespießten Bösewicht und einem Doctor, der kurz die vierte Wand durchbricht, sorgen für einen wunderbaren Genre-Touch und stellen sicher, dass sich ein Kinobesuch für mehr als den T-Rex und ein kollektives Anjubeln des neuen Vorspanns gelohnt hat (nicht dass das nicht auch schon einiges wert wäre). Zum zweiten Mal hat Doctor Who das Kino erobert – ganz ohne Hollywood.

Die Verpflichtung Ben Wheatleys war nur einer von vielen Faktoren, die im Vorfeld der neuen Staffel Spekulationen über einen “dunkleren, ernsteren” Doctor Who weckten. Doch genau wie ihr Hauptcharakter ist auch die Serie selbst nach jeder Regeneration ein bisschen auf der Suche nach der eigenen Identität. Sicher, alles an dem Half-Face Man, von seinen Augäpfeln, über seinen Ballon aus Menschenhaut, bis zu seiner Suche nach dem Paradies, ist ziemlich gruselig und für ein Familienprogramm enorm mutig, aber als der zwölfte Doctor beispielsweise – von den Nachwirkungen des flirtfreudigen Elften noch etwas verwirrt – dem Tyrannosaurus “Oi! Hey, big sexy woman!” zuruft, zweifelt man an der Vorstellung von einem ernsteren Doctor Who wohl genau so, wie nach jeder einzelnen Zeile des Sontaran Strax, der es in seinen fünf Auftritten bis jetzt noch kein einziges Mal geschafft hat, einen Satz zu sagen, der nicht brüllend komisch war. Ernst heißt eben nicht humorlos. Vorausgesetzt natürlich, Deep Breath ist tatsächlich eine adäquate Zusammenfassung davon, wie Doctor Who unter Peter Capaldi aussehen wird. Unberechenbarer? Erwachsener? Böser?

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