Manchmal haben uns unsere Eltern daraus vorgelesen, der eine hat es in der Schule gelesen, der andere während des Studiums. Alice im Wunderland wirkt bis heute nach. Fringe – Grenzfälle des FBI bedient sich des 1871 erschienenen “Through the Looking-Glass, and What Alice Found There”. Auch das Staffelfinale der 3. Staffel von Lost war an die erste Phrase des Titels angelehnt, um zu demonstrieren: Die Kreativität unter Serienschöpfern überdauert. Allerdings sprechen wir bei Alice im Wunderland nicht von viel gelobten Cliffhangern, sondern vor allem von surrealen Bildern, schrägen Figuren und originellen Geschichten. Through the Looking Glass and What Walter Found There serviert uns eine kleine Auslese.
Was passiert: Seitdem Peter (Joshua Jackson) nach der Macht griff, schwebt fraglos das Damoklesschwert über ihm. Würde er zu einem Beobachter? Würde er zu einem zweiten Venom? Bevor der Fokus auf Peters Entwicklung gelegt wird, werden die Eheleute Bishop miteinander versöhnt. Trauer liegt nach wie vor in der Luft. Als therapeutische Maßnahme sieht Peter sich Ettas Hologrammbotschaft an – das futuristische Äquivalent zum zeitgenössischen Abhören einer alten Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Olivias (Anna Torv) Erscheinen zeigt nicht nur, dass beide Charaktere wieder dieselben Impulse setzen, auch die Annäherung beider soll die Grundlage für eine neue gemeinsame Zukunft schaffen. Doch Peter schafft keine optimalen Bedingungen für das junge Glück. „One of the Observers nicked me“, lügt er, als Olivia nach seiner Nackenwunde fragt.
Walters (John Noble) Trauer beschränkt sich hingegen aufs Minimalste, er ist vollends in seiner Arbeit versunken und lasert ein weiteres Videoband frei, das überdies das lustigste aller bisherigen Aufnahmen ist. Diesmal handelt es sich sogar um ein Schlüsselelement aus dem Defeat-the-Observer-Plan. Anschließend beginnt er, merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Auf eigene Faust macht er sich auf in Richtung Cedar Street. Im Appartement 143 übt statt des Kaninchenbaus ein Riss in der Atmosphäre die Funktion als Portal aus. Im Pocket-Universe angekommen, fällt es ihm zunächst schwer, die Orientierung zu wahren. Gespaltene Korridore, die urplötzlich im Boden versinken, sich ähnelnde Etagen, spiegelverkehrte Räume, und dann wird er auch noch von Cenil überrascht, der nach eigener Aussage erst seit fünf Tagen in der Anderswelt verweilt. Weil das Verhältnis zwischen Raum und Zeit aber außer Kraft gesetzt wurde, hat er außerhalb dieses Universums 21 Jahre Zeitgeschichte verpasst. Halb so wild, gibt es doch die Recordists aus Folge 3, die die wichtigsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte aufzeichnen. Im Quartier der Recordists tauchte Donald einst auf und wurde daraufhin von den Beobachtern entfernt. Dessen Zusammenarbeit mit Walter wurde nun erstmals bestätigt. Während Walter sich als Hausmeister versucht und mit Cenil im Schlepptau durch das Labyrinth irrt, versuchen Olivia und Peter sich mithilfe derselben Tanzeinlage Zutritt zur Anderswelt zu verschaffen. Das gelingt und in Kürze treffen auf sie auf die anderen beiden Desorientierten.
Die Freude über das Wiederfinden wiegt nur einseitig, denn Walter reagiert ungewohnt dominant. Es grenzt überhaupt an ein Wunder, dass er sich alleine in das von Bomben gezeichnete Gebäude begeben hat, beziehungsweise dass er es überhaupt gefunden hat. Zum Glück kann er sich stets auf den Rest des Teams verlassen und gemeinsam geht es auf die Suche nach der Tür mit dem Apfelsymbol. Endlich haben die Autoren einen Verwendungszweck für die geheimnisvollen Glyphen gefunden, die die Themen einer aktuellen oder nachfolgenden Episode zu einem Oberbegriff zusammenfassen. Spätestens jetzt müssten Fringe-Fans gemerkt haben, wie sehr das kreative Team hinter der Kamera versucht, mit zahlreichen Easter-Eggs und Anspielungen den Ansprüchen der breiten Fangemeinde gerecht zu werden; Folge 6 ist voll davon. Darauf stoßen wir mit einem Glas Milch an.
Aus dem zweiten Teil des Videobands geht hervor, dass Walter und Donald einen Jungen mit empathischen Fähigkeiten dort verstecken wollten. Was es mit dem Jungen auf sich hat, wird natürlich erst im 8. Videoband gelüftet. Vielleicht aber ist alles hinfällig, denn der Mini-Beobachter-Junge ist inzwischen verschwunden. Als Höhepunkt seiner Missstimmung verliert Walter die Fassung. So aufbrausend und im Zorn geordnet haben wir ihn selten gesehen. Olivia, die schon in vielen Folgen zuvor als Ruhepol vermitteln konnte, hat die Lösung für das Problem: Ein Diktiergerät, das auf dem Nachttisch des Jungen deponiert war. Somit ist der Grenzfall vorerst abgeschlossen.