Zuletzt konnte Peter (Joshua Jackson) seine neuen Kräfte in Hülle und Fülle testen und einige Beobachter ins Jenseits befördern. Blue-View, Foretelling, Beamen – angesichts der übermächtigen Antagonisten erscheint diese Kräfte-Palette als Ultima Ratio; einzig der drohende Haarausfall müsste unter Nebenwirkungen verbucht werden. Zu den Nebenwirkungen der Beobachter-Transformation zählt allerdings auch das Zerwürfnis zwischen ihm und Olivia (Anna Torv), die nach der Kenntnisnahme von Peters Geheimnis die Flucht ergriff und sich nun mit Anil trifft, um eventuelle Auswirkungen einer Implantation von Walter (John Noble) untersuchen zu lassen. Folge 8 von Fringe – Grenzfälle des FBI setzt dort nahtlos an.
Was passiert: In den dunklen Straßen werden die Plakate, auf denen Ettas zum Widerstand aufrufendes Antlitz aufgedruckt ist, entfernt. Auch wenn Olivia wenig Zeit mit ihrer erwachsenen Tochter verbracht hat, wird sich das Bild aus ihrer Erinnerung nicht removieren lassen. Bevor der Stich ins Mutterherz final gesetzt wird, erscheint Anil und überreicht ihr die gewünschte Sonde. Zudem frischt er das Waffenrepertoire des Teams auf, was auf einige noch zu erwartende Schusswechsel schließen lässt. Die Kamera fängt nach der Übergabe Olivias von Schmerz gezeichnetes Gesicht ein, als die Plakate in den Müll gegeben werden. Jedoch es ist nicht ihre Pein, die uns an dieser Stelle offenbart werden soll. Viel mehr geht es um das gegensätzliche Verhalten zu Peter, der weniger rational und beherrscht agiert als seine Frau. Anstatt ihre eigenen verborgenen Kräfte zu trainieren und aktivieren, vertraut sie auf Walters Plan und überlässt die Geschicke ihrem Verstand. Eigentlich hat sie das Mittel gegen die Beobachter in der Hand, verzichtet allerdings auf dessen Anwendung. Somit ist der Grundstein gelegt für eine Folge, in der beide Partner konträre Wege einschlagen.
Zurück im Labor berichtet Olivia den beiden Videobandbergungsspezialisten von ihrer Entdeckung, in Astrids (Jasika Nicole) Gesichtsausdruck lässt sich die Fassungslosigkeit stellvertretend für das ganze Team ablesen. Am Telefon spielt Walter erfolglos die Vater-Sohn-Karte. Die ausschlaggebenden Gründe dafür kann nur ein Test an einem Gehirn offenlegen. Ein Glück, dass diese essentiellen Teile des altbekannten Stachelschweinmonsters konserviert in Walters Fringe-Fallsammlung ruhen. Sein anschließender Befund ist eindeutig: Die Implantation wird bleibende Schäden hinterlassen, wobei die Bezeichnung „Schäden“ wohl im Auge des Betrachters liegt. Getrieben von blinden Gefühlen wie Rachsucht und Wut ist Peter nämlich nicht mehr in der Lage, auf dem eingeschlagenen Irrweg kehrtzumachen. Diese Diagnose war für den Rest der Episode Walters herausstechendste Leistung. Er und Astrid bleiben diesmal in der (Former) Harvard University, schließlich gibt es angesichts des vielen Bernsteins noch Allerhand zu lasern.
Peter vergnügt sich derweil in New York und manipuliert das Zeitgeschehen, wo er nur kann. Vor Augen hat er dabei eine exakte Zeitlinie, die er mithilfe von feinen Justierungen beeinflussen und Windmark in eine Falle locken kann. Doch das hat er sich zu einfach vorgestellt. In Wahrheit war Windmark es, der die entscheidenden Zeitpunkte gesetzt hat, sodass beide Kontrahenten aufeinander treffen. Offenbar sind Peters Fähigkeiten bisher ungesehene Grenzen gesetzt. Zwar gelingt es ihm, in dem rasanten Kampf Punkte gutzumachen, doch der Sieg geht ohne Zweifel an den Widersacher, der Peter an Ettas letzten Gedanken teilhaben lässt. „Your emotions make you weak.“ Überhaupt ist Emotion das Schlüsselwort dieser Episode. Beide Hauptcharaktere erfahren den schwierigen Umgang mit Gefühlen und verkörpern divergente Lösungsansätze: Rache und Verdrängen.
Olivia bemüht sich, den Magneten für Walter zu besorgen. Dabei handelt es sich um das Bauteil eines kolossalischen Magnetkrans, den man üblicherweise auf einem Schrottplatz findet. Dem aufmerksamen Zuschauer wird aufgefallen sein, wie kohärent sich das monotone Grau durch die Kulisse zieht. Auch der Schrottplatz strotzt nur so vor deprimierend-braunen und apokalyptisch-matten Farbtönen, weshalb die Erscheinung der lächelnden Simone nicht nur auf Olivia polar wirkt. Geschickt spielen die Autoren mit unseren Erwartungen, als sie Simone ein uns beängstigendes „Send them, send them now“ sprechen lassen und ein Verrat angedeutet wird, denn erst kurz zuvor haben wir auf den LED-Bannern in New York gesehen, dass auf die Bishops ein Kopfgeld ausgesetzt wurde. Bei der Gutmütigen, die von Grammy-Preisträgerin Jill Scott verkörpert wird, handelt es sich jedoch um eine Art Orakel, die das Handeln unserer blonden Heldin bereits vorhergesehen hat. Das Orakel light steht für eine Hommage an die Matrix-Trilogie, die definitiv ein Markstein in der Filmgeschichte ist (und neben den zahlreichen bisherigen Anspielungen auf Romane, Filme und Musik aus den 60-er bis 90-er Jahren einen greifbaren Verweis für das jüngere Publikum darstellt). Kekse hat Simone zwar nicht gebacken, dafür jedoch einen Magnet samt Transportmittel aufbewahrt.
Auf Hoffnung folgt letztendlich Ernüchterung: Das kleine Mädchen Darby erschüttert Olivias Urvertrauen in die Menschheit. Als sie erfährt, dass ihre Ergreifung die Haushaltskasse eines jeden Finders immens aufbessern würde, zückt sie überstürzt ihre Waffe. Simones gute Absichten werden erst jetzt zementiert. In einer kniefälligen Pose appelliert sie an Olivias Emotionalität: „You have no faith.“ Zugegeben, reiner Glaube zählte noch nie zu den Stärken der pragmatischen Agentin, und es sind Simones erhellende Worte, die Olivia dazu verleiten, alle mystischen Geschehnisse ihrer Auffassung von Rationalität unterzuordnen: „You people make up explanations, assign meaning to things without knowing, because it’s reassuring. It’s comforting. But I can’t do that.“ Ferner sei der Kampf gegen die Beobachter reine Mathematik: „It’s all just numbers. And the invaders, they’re just better at maths than we are.“ Zum Abschied lächelt das willensstarke Orakel, ohne dabei spöttisch zu wirken. The Human Kind ist eine Episode voller Gegensätze. Als Olivia den Schrottplatz verlässt, liegen zwei weitere unterschiedliche Ansätze in der Luft: Woman of Sciene VS Woman of Faith (fünf Mark in die LOST-Kasse).
Peter findet sich zur Sprechstunde bei Dr. Bishop ein und lässt seine Wunden behandeln. Erneut betont er, wie grandios die Veränderungen seines Körpers und die erweiterten mentalen Fähigkeiten sind. Somit erhalten wir auch Einblick in das traurig-triste Seelenleben eines Beobachters. Das Unterdrücken der Gefühle hielt schon in Filmen wie Equilibrium als Kennzeichen einer Dystopie her, und immer waren es Familienangehörige (Aspekt Liebe), die das Alter Ego der Protagonisten wiedererwecken konnten. Doch wer sollte dem entschlossenen Peter jetzt noch helfen können? Olivia kommt dafür zunächst nicht in Frage, denn die wurde auf der Rückreise von einem Trupp Banditen gefangen genommen. Kennzeichen Nummer 2 einer Dystopie: Jeder verrät jeden. So soll die menschliche Beute für viel Geld übergeben werden, dass es dazu nicht kommen wird, ist natürlich keine Überraschung. Olivia bastelt sich in der Werkzeugkammer frei nach MacGyver eine Hochdruckschießknallpeng-Waffe und bestückt diese mit Ettas Projektil. Hier zeigt auch Michael Giacchino wiederholt sein Können; Ettas Theme, das nahezu eindringlichste Theme der 5. Staffel, hat er dem nervenaufreibenden Saitengezerre subtil beigemengt. Es tönt erneut auf, als Olivia die Kugel aus der Tür entfernt. Wir halten fest: The bullet that saved Olivia (and once killed her).
Nachdem beide Geiselnehmer überwältigt sind, steht die Bekehrung Peters auf der Tagesordnung. Es ist naheliegend, dass Peter mithilfe der gemeinsamen Vergangenheit überredet werden kann, von seinem Rachefeldzug abzulassen. In solchen Belangen war Fringe schon immer recht konventionell, was nicht bedeuten muss, dass die Umsetzung solcher Szenen weniger gelungen ist. Olivia ist beladen mit den Weisheiten von Simone, pflastert ihre Erinnerungen auf Peters gerodeten Charaktergrund und es zeichnet sich einer der intensivsten und einfühlsamsten Dialoge ab. „She’s still here with us. She’s alive inside us. And there’s nothing that Windmark can do about it, because the love that we can share with her now is invulnerable to space and time, even to them.“ Olivia leistet derart gute Überzeugungsarbeit, dass Peter nur noch einmal manisch auf die Uhr blickt, das vorhergesagte Erscheinen Windmarks wahrnimmt und sich im Herzen für eine Seite entscheidet. Bevor man stirbt, so heißt es, sieht man die wichtigsten Ereignisse seines Lebens im Zeitraffer. Doch es ist nicht Peters Tod, der diese Bilderflut initiiert, es ist sein Neustart, der mit dem Herauslösen der Sonde beginnt. Symbolisch wird dies durch das Überreichen von Ettas Kugel untermauert – ein bedeutungsträchtiger Tausch. Die Liebe hat gesiegt.
Das Glyphenwort: Plead
Walters Spitzname für Astrid: Asner
Bester Spruch: „I know that our hearts are broken and that it hurts but that’s what makes us human.“
Als Fringe-Fan hat sich moviepilot-User tautou bei uns gemeldet und vorgeschlagen, Recaps zur letzten Staffel zu schreiben. Wir finden das super. Feedback bitte gern auch an ihn.