Ein pfirsichförmiger Wasserturm, der wie etwas aussieht, wo die Sonne nie scheint und für den Tod eines Teenagers verantwortlich gemacht wird. Eine unheimliche, alte Dame, die Joggerinnen auf dem Friedhof ankeift. Ein Protagonist, der sich mit den verärgerten und verbitterten Politikern seines kleinen Heimatortes herumschlagen muss, anstatt eine nationale Bildungsreform voranzutreiben. Die heutige Episode von House of Cards ist mit Absurditäten und skurrilen Ereignissen bespickt, näher an beißender Satire und emotionaler als gewohnt und nicht zuletzt greifbarer, lebensnaher als gewohnt. Eine gänzlich starke Episode, die den vorläufigen Höhepunkt der Serie markiert.
Francis Underwood (Kevin Spacey) muss sich eigentlich darum kümmern, dass eine akzeptable Bildungsreform zustande kommt, doch ein unerwarteter Vorfall macht ihm einen Strich durch die Rechnung: In seiner Heimatstadt verunglückt eine Teenagerin tödlich, als sie während des Autofahrens ihrem Freund eine Nachricht schreibt und von der Fahrbahn abkommt. Der Grund für ihre Nachricht war ein pfirsichförmiger Wasserturm, für dessen Erhalt sich Underwood seit jeher einsetzt (und den es übrigens wirklich gibt). Aus eben diesem Grund soll Frank für ihren Tod verantwortlich gemacht werden, was er natürlich verhindern muss. Währenddessen versucht Claire (Robin Wright), qualifiziertes Personal für die Clean Water Initiative zu rekrutieren. Zoe (Kate Mara) muss hingegen allmählich feststellen, dass sie mit ihrem neu erlangten Ruhm nicht nur auf Liebe in der Redaktion stößt.
Ein wahrlich befreiender Moment ist der Augenblick, in dem Doug (Michael Kelly) gleich zu Beginn der Folge Francis das Wasserturm-Problem erläutert. Nicht nur, dass Frank hier erstmals sichtlich etwas aus der Bahn geworfen wird, sie eröffnet auch noch eine Plotline, die House of Cards aus mehrerer Hinsicht sehr gut getan hat. Wenn Frank in seine Heimatstadt zurückkehrt und versucht, sich den Eltern anzunähern, um seinen politischen Ruf aufrecht zu erhalten, erleben wir erstmals den Effekt politischer Schachzüge auf das Leben eines Durchschnittsbürgers. Endlich haben wir mehr als nur abstraktes Machtgerede auf einer lebensfremden Ebene. Nun sitzen sie vor uns, zwei tieftraurige Elternteile, die soeben ihre Tochter verloren haben. Frank geht die ganze Sache mit einer erschreckenden Kühle an, die seiner Skrupellosigkeit mehr Ausdruck verleiht, als jemals zuvor. Zu keinem Zeitpunkt haben wir das Gefühl, dass er tatsächlich etwas Vergleichbares wie Mitleid empfindet. Spätestens dann, wenn er seine pathetische, ergreifende Trauerrede in der Kirche unterbricht, um eben jene nahezu spöttisch mit einem Vierte Wand-brechenden Einschub zu demaskieren, wissen wir, dass wir es hier mit keinem Menschen zu tun haben. Zumindest mit keinem, der außerhalb seiner Karriereleiter und seines Strebens nach mehr Macht existiert.
Zusätzlich hebt die Wasserturm-Geschichte den Satire-Aspekt der Serie angenehm hervor. Allein die Tatsache, dass Franks Gegenspieler es tatsächlich geschafft haben, ihm den Tod eines Mädchens, das während der Autofahrt Kurznachrichten schreibt, in die Schuhe zu schieben, ist an Absurdität kaum noch zu überbieten. Bezeichnenderweise kann sich Frank aber keineswegs den Luxus leisten, auf diese Tour die Schuld von sich zu weisen und versucht stattdessen, die Eltern mit “Wiedergutmachungen” zu beschwichtigen. In diesem “Wer ist Schuld?”-Spiel sieht keiner der Beteiligten gut aus. Letztendlich sind es jedoch die Eltern, bzw. die Bürger im Allgemeinen, die in dem Szenario dumm aus der Wäsche blicken. House of Cards porträtiert sie aber glücklicherweise in keiner einseitigen Opferrolle. Zwar sind sie Underwoods Vorgehen gegenüber gewissermaßen hilflos ausgeliefert, allerdings sind auch sie es, die die Politik tatsächlich für den Tod ihrer unachtsamen Tochter verantwortlich machen wollen. Eine Idee, auf die kaum jemand mit gesundem Menschenverstand kommen würde. Gleichzeitig verdeutlicht dies auch den Stellenwert, den die Bürger dem politischen Einfluss (oder Frank Underwood im Speziellen) zuschreiben. Ein Mädchen stirbt in Gaffney, South Carolina bei einem Autounfall und als wäre es selbstverständlich, wird ein Mann in Washington dafür verantwortlich gemacht, als hätte er sie mit den eigenen Händen erwürgt. Franks Rede in der Kirche ist somit auch aus der Hinsicht interessant, als dass seine Worte über Gott wie eine Parallele zu ihm selbst erscheinen. Jemand erleidet einen schweren Schicksalsschlag und ruft zuerst I hate you, Francis, als wäre er der Allmächtige höchstpersönlich.