Wir schauen The Returned - 1. Staffel, Folge 1 & 2

25.09.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Les Revenants - The Returned
Canal+
Les Revenants - The Returned
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Beim WDR startete gestern Nacht die französische Erfolgsserie The Returned im Doppelpack und wir begleiten die überaus löbliche Ausstrahlung des Mystery-Dramas im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Die Toten stehen in einer französischen Kleinstadt auf. Doch mit einer klassischen Zombieserie haben wir es bei The Returned nicht zu tun. Bevor die erfolgreiche CanalPlus-Produktion in den USA ein Remake erhält, wollen wir die Ausstrahlung der ersten acht Episoden von The Returned (im Original Les Revenants) begleiten. Der WDR zeigt in den nächsten Wochen jeden Mittwoch ab 22:15 Uhr und 23:10 jeweils eine Folge der rund einstündigen Serie. Wiederholt werden sie am Dienstag darauf bei EinsFestival. Wenn ihr euch einen Eindruck von The Returned verschaffen wollt, solltet ihr das fantastische Intro in Augenschein nehmen, das die Atmosphäre, Inszenierung und musikalische Gestaltung der Serie sehr gut wiedergibt. Der Score stammt übrigens von den schottischen Post-Rockern Mogwai. 

Bevor wir in die ersten beiden Folgen einsteigen, hier noch ein paar Hintergrundinformationen zu The Returned: Kreiert wurde die Serie von Fabrice Gobert, der sich bei der Regie mit Frédéric Mermoud abwechselt. Gobert arbeitete vorher überwiegend im französischen Fernsehen und gab mit dem Thriller Simon Werner fehlt 2010 sein Spielfilmdebüt. Für dessen Score zeichneten keine Geringeren als Sonic Youth verantwortlich. Gobert, offenbar ein waschechter Post Rock-Fan, adaptierte mit The Returned lose den gleichnamigen französischen Horrorfilm von Robin Campillo aus dem Jahr 2004. 11 Millionen Euro betrug das Budget für die erste Staffel von The Returned, die 2012 in Frankreich Premiere feierte und in Deutschland erstmals bei Watchever zu sehen war. Eine zweite Staffel ist geplant, ein konkreter Termin steht aber nicht fest. Das US-Network A&E plant ein Remake mit Lostie Carlton Cuse als Produzent. 

The Returned S01E01 - Camille 

Auch nach mehrmaliger Ansicht bleibt die Folge Camille eine der besten Auftakt-Episoden, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Manche Serien, selbst wenn sie nur wenige Episoden umfassen, ringen in ihren ersten 40-50 Minuten mit der Etablierung der Figuren und des Konzepts. Camille hingegen ist nicht einer dieser Paukenschläge, die den Zuschauer mit Woah-Momenten (so der Fachterminus) überrumpeln, wobei es daran nicht mangelt. Denken wir nur an die Zwillingsoffenbarung am Fenster oder "Victor" vor dem herannahenden Bus. Vielmehr präsentiert The Returned in der ersten Folge eine vollendete fiktionale Welt, mit vielen offenen Fragen. Es ist eine leicht sterile Kleinstadt, in der alles seinen rechten Platz zu haben scheint, die zurechtgeschnittenen, kugelförmigen Sträucher und Bäume, die Billardkneipe als offenbar einziger Ort, an dem sich die Jugend austoben kann, die Mehrfamilienhäuser mit ihren Spionen. Darüber thronen die Alpen und der Damm, die die modellartige Kleinstadt vom Rest der Welt abschotten. Alles hat seinen Platz, außer die Zurückgekehrten. 

Wir beginnen das Mysterium mit Camille, die vor vier Jahren bei einem Busunglück ums Leben kam. Die ganze Stadt hat dabei Kinder verloren und die Eltern wollen mit einem "hässlichen" Denkmal einen Schlussstrich unter die Tragödie zu ziehen. Und dann steht Camille, um keinen Tag gealtert, aber wahnsinnig hungrig, in der Küche. Wir lernen im Verlauf der Folge andere kennen, die vielleicht ebenfalls "Revenants" sind und sehen unterschiedliche Reaktionen: Simon, der die Stadt nach Adèle absucht, die ihn nicht reinlassen will. Ein namenloser Junge, den die Pflegerin Julie aufnimmt. Herr Costa, der seine anscheinend vor vielen Jahren verstorbene Ehefrau an ein Bett bindet, das Haus abfackelt und in den Tod springt. Und dann ist da noch die junge Frau, die auf dem Heimweg von einem Mann abgestochen wird. Zunächst lässt sich kein Muster der Wiedergekehrten erkennen. Sie sind alt und jung, wahrscheinlich vor Jahrzehnten gestorben (Mr. Costas Schwarz-Weiß-Bild deutet das an) oder vor wenigen Jahren. Das einzige, was alle teilen, ist die Unruhe, die sie in die Stadt bringen, Steinchen, die die glasklare Wasseroberfläche eines Sees mit vielen kleinen Wellen aufbrechen. Das geplante Denkmal gleicht dem Kasten voller toter Schmetterlinge in Mr. Costas Haus. Falter eingefangen in ihrer vollen Pracht, aber leblos. Es ist der Versuch, die Vergangenheit zu ordnen, zu kontrollieren und auf Distanz zu halten. Bis ein Schmetterling ausbricht.  

Was mir an Camille und dem Konzept der Serie besonders gefällt, ist die Berücksichtigung beider Seiten. The Returned beschränkt sich nicht darauf, die "Toten" (sind sie wirklich tot, ihre Gräber leer?) in die Stadt zu bringen, um zu beobachten, wie alle reagieren. Camille muss sich ebenfalls mit ihrem wie auch immer erklärbaren Schicksal arrangieren, das sie in eine Familie wirft, die ohne sie weitergelebt, sich verändert hat. Ihre eigene Zwillingsschwester Léna ist dafür physischer Beleg, aber auch Kleinigkeiten: Ihr Vater raucht plötzlich, ihr Foto ist aus der Küche verschwunden, von der Trennung der Eltern ganz zu schweigen. Es dürfte spannend werden, inwiefern The Returned die Gratwanderung zwischen Mystery und Familiendrama aufrecht erhält, welche Rolle beispielsweise der sinkende Wasserspiegel des Stausees spielt, warum der kleine alterslose Victor für das Busunglück verantwortlich ist und wie viel Schuld hinter den blitzblanken Fassaden der Wohnhäuser sich versteckt hält. 

In jedem Fall ist Camille eine außergewöhnliche Serienepisode, auch was die Inszenierung angeht. Statt ruppiger Schocks, zieht uns eine ruhige Kameraführung in ihren Bann, die mal eine schaurige Sogwirkung entfaltet (die Fahrt durch Costas Flur!) oder in Statik und Szenerie an Gemälde oder Photographien erinnert, irgendwo zwischen Edward Hopper  und Gregory Crewdson . Das Ganze begleitet vom eingängigen Mogwai-Soundtrack, der erst Klangtropfen fallen lässt, um dann zur Sound-Welle zu wachsen, die dem Drama eine Dynamik verleiht, welche in den Bildern selten zu finden ist, und eher dem Seelenleben der Figuren entspricht. In The Returned wird in mehrfacher Hinsicht das Verborgene zu Tage befördert.

Bild der Folge: 

 Camilles Song - 2008: 

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