Unfreiwillig komischer Body-Horror mit Kult-Star aus den 90ern ertränkt sich selbst in hundert Litern Kunstblut

20.02.2023 - 07:20 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
Perpetrator
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Perpetrator will bei der Berlinale gleich mehrere Horror-Geschichten auf einmal erzählen. Das Ergebnis ist leider eher absurd als gruselig – trotz wirklich ekelhafter Momente.

Junge Frauen sind in Gefahr. Durch sexuelle Aktivitäten, eine zutiefst gewalttätige Welt und einen Serienmörder, der Teenager-Mädchen einer örtlichen Schule kidnappt und ihnen Schnitt für Schnitt ihre Schönheit nimmt. Die einzigen Personen, die sich diesem Monster, diesen gesellschaftlichen Horror-Dynamiken entgegenstellen können, haben eine ganz besondere Fähigkeit. Die sich primär durch literweise Kunstblut ausdruckt, das aus abstoßend aussehenden Löchern trieft.

Willkommen in der Welt von Perpetrator, einem Film von Regisseurin Jennifer Reeder, der aktuell bei der Berlinale zu sehen ist. Die Geschichte zwischen Body-Horror und feministischer Gesellschaftskritik will viel – schafft aber enttäuschend wenig. Lohnt sich trotzdem ein Blick in den ebenso ambitionierten wie ekelhaften Film?

Das Gute: Perpetrator hat viele Ideen und wirklich verstörende Horror-Elemente

Die 17-jährige Jonny (Kiah McKirnan) hat schon länger das Gefühl, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmt. Als ihr drogenabhängiger Vater sie schließlich an die wohlhabende Hildie (90er-Ikone Alicia Silverstone) abgibt, muss sich das Mädchen nicht nur auf eine komplett neue Schule einstellen, dessen Schülerinnen nach und nach verschwinden. An ihrem 18. Geburtstag erfährt sie außerdem, dass sie eine mächtige "Superkraft" hat – die ich an dieser Stelle nicht verraten will. Erinnert ein bisschen an den Anfang der Kannibalen-Romanze Bones and All, aber – Spoiler! – in Perpetrator werden keine Menschen gegessen.

Seht hier den Berlinale-Clip zu Perpetrator:

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Trotzdem läuft irgendwas falsch in dieser Welt und das ist auf den ersten Blick ziemlich spannend. Die Eltern der Teenager interessieren sich nicht für ihre Kinder und unterziehen sich lieber einer Schönheitsoperation nach der nächsten. Der Schulalltag besteht aus Übungen, bei denen sich die Schüler:innen vor dem bewaffneten Schuldirektor verstecken müssen, und "Selbsthilfekursen", die vermitteln: Gebt lieber auf, wenn ihr angegriffen werdet und weint auf keinen Fall, das nervt! Und dann gibt es natürlich noch den Serienmörder, der sich eine hübsche junge Frau nach der nächsten schnappt.

Dass die Filmemacherin hier Frauenfeindlichkeit, sexuelle Gewalt und Schönheitswahn kritisieren will, ist klar. Wie Reeder dabei klaffende Körper- und Raumöffnungen zeigt, Schmerz und Wahnvorstellungen, ist eklig, ja, aber auch interessant. Ich will wissen, was hier passiert und warum. Nicht nur in der Schule oder im Folterkeller des Mörders, sondern auch im Inneren von Hauptfigur Jonny.

Das Schlechte: Der Berlinale-Film ist eher albern als schockierend und macht wenig aus seinem Cast

Jonny (Mitte) hat eine ganz besondere Fähigkeit

Je weiter der Film fortschreitet, umso mehr habe ich aber den Eindruck: Wahrscheinlich wären weniger Ideen besser gewesen. Denn so richtig greift in Perpetrator nichts ineinander. Johnnys übernatürliche Kräfte sollen dabei helfen, den Serienmörder zu fassen. Zusammen mit ihrer Freundin und einem Mitschüler heckt sie einen Plan aus. Zwei junge Frauen, die mit vereinten Kräften den Mörder ihrer Bekannten schnappen und sich ineinander verlieben – wäre doch eine super Geschichte!

Leider sind Johnnys Fähigkeiten bis auf ein paar visuelle Spielereien und eine krude Szene am Schluss weder sichtbar noch verständlich. Dass ihre besondere Kraft hilfreich ist, wird zwar behauptet, aber nie nachvollziehbar bewiesen. Ähnliches gilt für die nur vage angeschnittenen Motive des Killers oder irgendein Gefühl dafür, in welcher Welt dieser Film eigentlich spielen soll. Sind hier wirklich alle entweder böse, hilflos, mit Superkräften ausgestattet oder nicht existent? Niemand hat Emotionen oder nachvollziehbare Motivation, dafür aber jeder Zweite ein Pflaster auf der Nase.

Alicia Silverstone als abgedreht düstere Mentorin könnte interessant sein, wirkt aber eher, als würde eine erwachsene Frau Wednesday cosplayen. Generell hat Perpetrator einen sehr diversen, eigentlich spannenden Cast, dessen Charaktere aber nie agieren dürfen wie echte Menschen. Was auch daran liegt, dass selbst die dramatischsten Dialoge immer wieder so hölzern und over-the-top klingen, als würde sich der Film eigentlich lustig machen wollen über das, was hier passiert.

Für wen lohnt sich Perpetrator trotzdem und wo kann man den Film sehen?

Der Horror-Film ist zu sperrig, um eine dieser Trash-Perlen zu sein, die man ironisch bei einem Filmabend mit Bekannten guckt. Wer mehr auf ungewöhnliche Ideen als nachvollziehbare Story steht und keinen klassischen Horror-Film erwartet, könnte mit Perpetrator aber trotzdem Spaß haben.

Perpetrator läuft bis zum 24. Februar 2023 im Panorama-Programm der Berlinale. Einen offiziellen Kinostart in Deutschland hat die amerikanisch-französische Co-Produktion bisher noch nicht.

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