Harvey Keitel … was für ein Name. Gemeinsam mit Robert De Niro oder Jack Nicholson steht er seit Jahrzehnten für einen bestimmten Typ Mann im US-Drama: den Raufbold. Morgen wird der charismatische Keitel stolze 72 Jahre alt, wozu moviepilot freudig gratuliert!
Ob in Quentin Tarantinos Reservoir Dogs oder in Martin Scorseses Taxi Driver, in Ridley Scotts Thelma & Louise oder in Abel Ferraras Bad Lieutenant: Harvey Keitel gehört zu der Art männlicher Darsteller, die immer ruppig daherkommen. Vom Zuhälter bis zum herumhurenden, drogensüchtigen Cop bis hin zur vielleicht prägendsten Rolle des Mr. White hat sich Harvey Keitel nie gescheut, Randfiguren der modernen Gesellschaft zu verköpern. Hollywood hat gewiss glorreichere Figuren hervorgebracht, Schauspieler, die eine diversere Bandbreite an Rollen spielen können. Harvey Keitel blieb stets der unbändige, leicht assoziale Typus Schauspieler, dem man einen brutalen Wutausbruch am Set verzeihen würde, solange er weiterhin den Macho mimt. Anders als seine Kompagnons Robert de Niro oder Martin Sheen ist es ihm – vielleicht absichtlich? – verweigert geblieben, sich neuen Sphären zu widmen. Seine Nebenrolle im letzten Ben Stiller-Sequel Meine Frau, unsere Kinder und Ich kann da – wenn überhaupt – als ironisierendes Cameo gewertet werden.
Tiefschlag – Rauswurf aus Apocalypse Now
Harvey Keitel ist ein Überzeugungstäter. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, arbeitete sich der Sohn jüdischer Immigranten aus Brooklyn hartnäckig nach oben. Seine Aufnahme in die renommierte Schauspielschule HB Studio und der Einfluss von Lee Strasberg brachten ihn schliesslich zum Theater, wo er 1967 von einem jungen Filmstudenten entdeckt wurde, der ihn in seinem Film Wer klopft denn da an meine Tür? mitspielen ließ. Es war Martin Scorsese. Der Regisseur engagierte ihn für Hexenkessel und schliesslich Taxi Driver – so populär wie Robert De Niro wurde er aber nie. Dabei hatte Martin Scorsese eigentlich Harvey Keitel für die Hauptrolle gewollt, konnte sich aber nicht gegen den Wunsch der Produzenten durchsetzen. Der absolute Tiefschlag kam dann in den 80ern, als ihn Francis Ford Coppola vom Set von Apocalypse Now feuerte und durch Martin Sheen ersetzte. Angeblich sei ihm das erlernte Method Acting dazwischengekommen. Coppola habe sich einen passiven Willard gewünscht; Harvey Keitel spielte ihn “zu lebendig”. Und auch wenn wir uns Martin Sheen heute aus Apocalypse Now nicht mehr hinausdenken könnten, so wirkt es dennoch tragisch, einen so großen Darsteller um eine so große Rolle beraubt zu haben.
Ein Harvey Keitel gibt niemals auf
Was folgt, gleicht dem Schicksal vieler vom Glück verschonten Schauspieler: die 80er, mitsamt ihren Parties und Drogenexzessen, Alkohol- und Sexsucht. Der Inbegriff des Bad Lieutenant, für den er wohl dann kein Method Acting mehr brauchte. Ob manch einer erst so richtig im Dreck liegen muss, um sich wieder aufzuraffen? Harvey Keitel schaffte es, als er schliesslich Reservoir Dogs mit auf den Weg brachte und sich abermals ein Denkmal setzte. Das Theater hat er nie verloren: Dreimal arbeitete er mit Erfolgsautor Paul Auster zusammen. Übrigens gefiel er mir auch sehr gut vor ein paar Jahren im New York-Thriller A Crime, in dem die schöne Emmanuelle Béart neben ihm steht. Dass der Film auf moviepilot schlechte Resonanz erfahren hat, verwundert mich, war ich doch sehr begeistert damals. Und auch mit 72 ruht ein Harvey Keitel nicht: Momentan befindet er sich mitten im Dreh zu The Congress unter der Regie von Ari Folman (Waltz with Bashir) und wird danach wahrscheinlich mit Mads Mikkelsen Cut Throats Nine drehen, nur um dann neben Gérard Depardieu in So I Say vor der Kamera zu stehen.
Und nun kannst du Harvey Keitel gratulieren: Was ist deine Lieblingsrolle von ihm?