Jared Leto ist ein Verwandlungskünstler

07.07.2010 - 08:50 Uhr
Jaco van Dormael hält viel von Jared Leto.
Concorde Film
Jaco van Dormael hält viel von Jared Leto.
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Im zweiten Teil unserer Interviewreihe zum Kinostart von Mr. Nobody erzählt uns Regisseur und Drehbuchautor Jaco van Dormael, warum er Jared Leto für die Hauptrolle seines Films gewählt hat und wie es zur Besetzung der weiteren Rollen kam.

Morgen startet das romantische Science-Fiction-Drama Mr. Nobody in den deutschen Kinos. Wir begleiten Nemo Nobody (Jared Leto) auf dem Weg durch sein facettenreiches Leben, das in drei möglichen Varianten verläuft. Drei Frauen begleiten ihn in den parallel verlaufenden Handlungssträngen: Die ruhige Anna (Diane Kruger), die notorisch unzufriedene Elise (Sarah Polley) und die perfekte Jean (Linh Dan Pham). Als Nemo Nobodys Eltern sind Rhys Ifans (Notting Hill) und Natasha Little (Vanity Fair – Jahrmarkt der Eitelkeiten) zu sehen.

Der belgische Regisseur und Drehbuchautor Jaco van Dormael gewährt uns im Interview Einblicke in sein Innenleben. Gestern sprach er über die lange Auszeit von 13 Jahren, die er sich nach seinem letzten Film Am achten Tag (1996) gegönnt hat und über die Motivation für seinen neuen Film Mr. Nobody.

Heute spricht Jaco van Dormael über die Rollenbesetzung des Films. Er verrät uns, warum Jared Leto für ihn der perfekte Niemand ist und wie es zur Zusammenarbeit mit den weiteren Darstellern in Mr. Nobody kam.

Warum wählten Sie Jared Leto als Mr. Nobody?
Jaco van Dormael: Wenn ich schreibe, versuche ich, mir dabei keine Person vorzustellen. So lasse ich mir eine Reihe von Möglichkeiten offen. Im Fall von Nemo Nobody brauchte ich einen Schauspieler, der sich verwandeln konnte, nicht nur äußerlich, sondern auch in seiner Stimme, seinem Rhythmus, seinem Atem. Jared hat eine Neigung zur Verwandlung, das wird offensichtlich in seinen vielen Filmen. Das hat sich auch an unserem Set bestätigt: Je weiter er sich von sich selbst entfernen muss, um so brillianter wird er, und um so wohler fühlt er sich. Dann wirkt er am natürlichsten, wie in jenen Szenen, in denen er einen alten Mann spielt. Jared ist eindeutig ein Mann der Wandlung.

Unsere Maskenbildnerin Kaatje van Damme war hierfür natürlich wichtig. Sie hat den Schauspielern geholfen, vom Teenager zum Erwachsenen zu werden, und dabei das Gefühl zu behalten, die selbe Person zu sein.

Sprechen wir über die drei Frauen in Nemos Leben. Sarah Polley spielt Elise.
Jaco van Dormael: Sie war die erste Schauspielerin, an die ich bei dieser Rolle dachte, und ich hatte großes Glück, dass sie den Part sofort übernahm. Ich war gerade mit dem Schreiben fertig geworden und sah sie in Das Geheime Leben der Worte (La vida secreta de las palabras, 2005) von Isabel Coixet und Mein Leben ohne mich (Mi vida sin mí, 2003). Es war geradezu schockierend, wie gut sie als Schauspielerin ist. Ich brauchte jemanden als Elise, der diese scheinbar unangenehme Frau, die in ihrer Depression gefangen ist, trotzdem liebenswert erscheinen lässt. Wir erleben ihre Depression nicht von innen, sondern immer nur aus Nemos Sicht. Es musste also möglich sein, diese Frau zu lieben, ohne zu verstehen, was in ihr vorgeht. Sie versteht ja selbst nicht, was in ihr vorgeht!

Das macht es so herzzerreißend, dass es ihr unmöglich ist, ihr Verhalten zu begreifen. Obwohl diese Depression einfach eine Krankheit ist, sucht sie nach einem Grund für ihr Leid, was ihr Verhalten noch unfairer macht. Das steigert wiederum ihre Schuldgefühle, denn sie weiß, dass sie dem Mann, der ihr Leben teilt, das seine zur Hölle macht. Bis ich sah, wie Sarah diese Rolle spielte, wusste ich nicht, dass es einem Menschen möglich ist, auf Zuruf zu weinen oder damit aufzuhören, jedes Mal, wenn jemand „Action“ sagt. Das konnte sie wochenlang aufrecht erhalten, ohne besondere Vorbereitung, und zwischen den Takes lachte sie auch. Aber Sarah hat bereits 22 Jahre Karriere hinter sich, dabei ist sie erst 29. Sie hat diesen extrem schweren Part glorreich gemeistert.

Wie entdeckten Sie Linh Dan Pham als Jean?
Jaco van Dormael: Ich traf sie in London. Ich hatte mir Jean als eine Frau vorgestellt, die im Stillen leidet. Diese Frau, die sich von ihrem Mann nicht geliebt fühlt, würde ihm nie wegen ihres Unglücks Vorwürfe machen. Sie versucht die perfekte Ehefrau zu sein, sie tut bis zum Schluss, was von ihr verlangt wird, um so das Wenige zu retten, was sie an Liebe bekommt. Ich hatte Linh-Dan in Der wilde Schlag meines Herzens (De battre mon coeur s’est arrêté, 2005) von Jacques Audiard gesehen und ließ sie vorsprechen – nach fünf Minuten war klar, dass ich die Richtige gefunden hatte.

Wie kam es zu Diane Kruger als Anna?
Jaco van Dormael: Zwei Tage nachdem ich Diane die Rolle angeboten hatte, sagte sie zu, und am nächsten Tag war sie in Brüssel. Ich war sehr gerührt von ihrem Enthusiasmus für dieses Projekt. Sie ist jemand, der sich verausgabt, der volles Vertrauen hat, der sich präzise und nuanciert vom Regisseur führen lässt. Sie hält nichts zurück, sie geht Risiken ein, und sie spürt es genau, wenn alles stimmt. Jared und Diane sind sich sehr nah auf der Leinwand, sie strahlen eine schon fast beunruhigende Komplizenschaft aus.

Ich habe oft gesehen, dass Diane weibliche, elegante Frauen darstellte, aber ich hatte so ein Gefühl, dass sie auch in einem ganz anderen Stil zuhause sein könnte. Hier ist sie eine Frau, die kaum an ihr Aussehen denkt, die mit beiden Beinen sicher auf dem Boden steht, auch wenn sie den Kopf in den Wolken hat. Ihre Figur, Anna, hält an nichts fest, sie besitzt nichts, sie ist jeden Moment bereit, ihre Tasche zu packen und wegzugehen. Und das passte haargenau zu Diane Kruger. Sie konnte ihre Anmut und ihre Kraft in diesem Film beweisen.

Nemos Eltern sind Rhys Ifans und Natasha Little.
Jaco van Dormael: Ich hatte Rhys natürlich in Notting Hill (1999) von Roger Michell gesehen, ich fand ihn darin unglaublich lustig. Andererseits fand ich ihn extrem beunruhigend in Enduring Love (2004), einem Film vom selben Regisseur, in dem Rhys einen schüchternen, verliebten Schwulen spielte. Daher wusste ich, dass er verschiedene Gesichter hatte, was unabdingbar war für eine Rolle, in der er zuerst einen fröhlichen Vater spielen sollte, und danach einen Mann, dessen Leben plötzlich ein Scherbenhaufen war.

Auf Natasha brachte mich mein Casting-Direktor in London, und vom ersten Treffen an war ich begeistert. Natasha ist eine große Theaterschauspielerin, man muss sie kaum inszenieren. Man sagt ihr einfach, was man mit dieser Szene erreichen möchte, und sie kann es sofort sichtbar machen. Natashas Rolle war entscheidend für diesen Film: sie musste zwar das kindliche Glück ihres Sohnes zerstören, aber es musste auch klar sein, warum er trotzdem gern mit ihr zusammen wegging. Das hat sie wunderbar fertiggebracht.

Mit Material von Concorde

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