Sam Raimi: Die Teufel tanzen wieder

11.06.2009 - 13:09 Uhr
Das Zahnfleisch ist top, aber...
Universal
Das Zahnfleisch ist top, aber...
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Sam Raimi kehrt zu dem Genre zurück, mit dem er berühmt wurde. Der Spider-Man Regisseur inszeniert eine Höllenfahrt für Horrorfans. Grund genug für einen Blick zurück.

Als Sam Raimi sich Ende der Siebziger Jahre mit seinen Kumpels Bruce Campbell und Robert G. Tapert zusammentat, um den Kurzfilm Within the woods zu drehen, ahnte er wohl nicht, dass er irgendwann einmal zu den Blockbuster-Regisseuren Hollywoods gehören würde.

Der böse Tod kommt aus dem Wald

Damals wollten die drei lediglich “die ultimative Erfahrung in Grauen und Horror” erschaffen und der Kurzfilm sollte dabei helfen, Finanziers für eine Langfassung zu mobilisieren. Das klappte auch prompt und so entstand 1980 der Low-Budget-Streifen Tanz der Teufel – ausserhalb Deutschlands besser bekannt als Evil Dead. Die Story war simpel: Eine Gruppe Spätjugendlicher will ein Wochenende in einer abgelegenen Waldhütte verbringen und beschwört mittels des herumliegenden Buchs “Naturon Demonto” versehentlich ein paar Dämonen. Diese ergreifen Besitz von ihnen und nach und nach werden alle auf kreative Weise umgebracht, bis nur noch Ash (gespielt von Bruce Campbell) übrig ist.

Die Geschichte war fast deckungsgleich zum Kurzfilm und wurde dank der kreativen Umsetzung, der originellen Kameraarbeit und der ironisch-schockierenden Splatterszenen schnell zum Kultfilm. Stephen King zeigte sich begeistert und lobte Evil Dead als einen “schwarzen Regenbogen des Terrors” und den “wildesten, grimmigsten Horrofilm in Jahrzehnten”. In einer Zeit voller austauschbarer “Madman-on-the-lose”-Slasher kam hier ein Streifen, der virtuos Grauen, Spannung, Ironie, Übersinnliches und brachialen Splatter miteinander verband. Nicht nur die Zuschauer, auch die Kritik zeigte sich begeistert.

Zumindest in den USA. In Deutschland und vielen anderen Ländern wurde der Film ein Opfer der Video-Nastie-Debatte Mitte der 80er Jahre und wurde hierzulande erst indiziert und schließlich als gewaltverherrlichend und schwer jugendgefährdend beschlagnahmt (bis heute blieb die ungekürzte Fassung trotz einiger Prozesse illegal und wurde zuletzt 2002 auf DVD neuerlich beschlagnahmt).

Sams Lehrjahre zwischen Top und Flop

Für Sam Raimi ging es inzwischen voran. 1987 inszenierte er (nachdem er mit Crimewave einen veritablen Flop hingelegt hatte) mit größerem Budget ein Sequel zu Evil Dead: Tanz der Teufel 2 – Jetzt wird noch mehr getanzt – Die Handlung war im großen und ganzen mehr Remake als tatsächliche Story-Fortführung, aber der Tonfall hatte sich verschoben. Die Splatter-Elemente wurden noch absurder, der Tonfall wechselte von blankem Horror mit ironischen Spitzen zur surreal-blutigen Comedy, mit kleineren Schock-Momenten. Diesmal war auch Kritik-Guru Roger Ebert angetan, der dem Film Momente purer Genialität bescheinigte – falls man es schaffte, über die Bluteffekte hinwegzusehen.

Doch auch wenn er sich mit Teil 2 als Genre-Größe etabliert hatte, bedeutete dies nicht, dass ihm beständiger Erfolg beschieden war. Mit dem Mystery-Thriller Darkman, dem Cohen-artigen Ein einfacher Plan (der das Unglück hatte gegen Fargo zu starten), dem hippen MTV-Western Schneller als der Tod und dem Kevin Costner Baseball-Vehikel Aus Liebe zum Spiel war ihm nur wenig Erfolg vergönnt und auch die Kritiker nahmen die Werke gemischt auf.

Selbst die Fanbase zeigte sich leicht enttäuscht, als Raimi im dritten Teil von Evil Dead Armee der Finsternis völlig neue Wege einschlug und statt virtuosem Splatter und klaustrophobischem Dämonen-Horror plötzlich einen reinrassig-albernen Fantasy-Film à la Ray Harryhausen ablieferte, der mit Teil 1 und 2 nur mehr den Protagonisten Ash gemein hatte. Zwar war The Medieval Dead für sich genommen sehr originell und überdreht, doch das völlige Fehlen von Splatter und Schockeffekten war ein harter Bruch für diejenigen, die Raimi immer noch als Horror-Regisseur sahen.

Vom Trash-TV-King zum Comic-Spinnen-Dompteur

Dort verortete dieser sich aber längst nicht mehr. Er wollte sich ausprobieren und nutzte die 90er Jahre nicht nur für filmische, sondern auch für Fernseh-Experimente. Als Produzent zeichnete er für einige Hits und Flops verantwortlich: Von Xena und Hercules über das unterschätzte Juwel American Gothic und veritable Fehlschläge wie Cleopatra 2525 und Jack of all Trades.

Nachdem sich der Versuch eines klassischen Horrorfilms mit The Gift – Die dunkle Gabe als Fehlschlag erwies, überraschte Raimi 2002 als Regisseur des Comic-Sommerhits Spider-Man und dessen Sequels. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich der Genre-Regisseur und TV-Produzent als Mainstream-Macher etabliert. So wie Peter Jackson den meisten nur als Regisseur von Herr der Ringe I-III und nicht als Vater von Bad Taste und Braindead im Kopf ist, so haben gerade jüngere Zuschauer Raimi wohl nur noch als Spektakel-Regisseur erlebt.

Doch Raimi hat seine Genre-Anfänge nicht vergessen, auch wenn dies vielleicht besser gewesen wäre: Mit seiner eigenen Firma produziert er seit Anfang des Jahrtausends Horrorfilme. Leider keine wirklich guten. The Grudge – Der Fluch und seine Fortsetzungen oder die Boogeyman – Der schwarze Mann -Reihe boten vergessenswerten 08/15-Grusel für Nervenschwache.

Drag Me To Hell – Mach keinen Scheiß mit alten Frauen

Zeit also für Sam Raimi, sich nach den ganzen Blockbuster-Eskapaden doch mal wieder selbst am Thema Horror zu versuchen. Neun Jahre nach The Gift liefert er jetzt wieder einen reinrassigen Kreisch-Streifen ab, Drag Me to Hell bietet alles, was seine früheren Fans erwarten: Dämonische Erscheinungen, derbe Schockeffekte und unheimliche alte Frauen, denen auch Dr.Best und der Dentagard-Biber nicht mehr helfen können.

Die Handlung ist wieder einmal übersichtlich: Christine Brown führt ein glückliches Leben mit ihrem Freund Clay Dalton in Los Angeles. Als Kreditsachbearbeiterin entscheidet sie über die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden und kann vielleicht sogar ihrem hinterlistigen Kollegen eine Beförderung wegschnappen, wenn sie etwas skrupelloser mit Risikokandidaten umgeht. Bei einer geheimnisvollen Zigeunerin, die sie um Hilfe anfleht, bietet sich ihr genau diese Chance – sie hätte ihr ein Darlehen bewilligen können, entschließt sich aber mit schlechtem Gewissen für eine Ablehnung, um Punkte bei ihrem Chef zu sammeln. Eine Entscheidung, die nicht folgenlos bleibt. Christines Leben wird zur Hölle auf Erden, denn die jetzt obdachlose Zigeunerin belegt sie mit einem mächtigen Fluch. Beistand und Rat findet sie allein bei dem Seher Jas, der ihr einen möglichen, aber schwierigen Weg zeigt, der ewigen Verdammnis zu entgehen. Während die finsteren Mächte immer näher rücken, muss Christine eine weitere Entscheidung treffen: Wie weit wird sie gehen, um sich von dem Fluch wieder zu befreien?

Für Fans bietet sich hier ein gemischter Spaß. Einerseits ist es zweifellos der beste und spannendste Raimi-Film seit 20 Jahren und die Anzahl der Anspielungen und Selbstzitate auf die Tanz der Teufel-Reihe sind unübersehbar und witzig. Und natürlich ist der Film Meilen besser als die Streifen, die Raimi nur produziert hat.

Andererseits schafft er es nie wirklich, neue Impulse zu setzen und spielt über die komplette Laufzeit sehr auf Nummer Sicher. Raimi beherrscht die Klaviatur des Schreckens noch ganz gut, doch die visuelle Originalität ist ihm etwas abhanden gekommen. Die Schocks in Drag me to Hell beschränken sich fast alle auf Buh-Effekte und lautes Kaschrimm! auf der Tonspur, die alte Frau weist mehr als nur kleine Gemeinsamkeiten zu den Deadites in Evil Dead auf und die Handlung selbst überrascht an keiner Stelle. Dazu kommt die relativ zahme optische Umsetzung, denn wie heutzutage üblich wurde der Film auf eine PG13- (also etwa FSK16) Freigabe getrimmt, die zu derbe Effekte von vornherein ausschließt.

Zurück zum Mainstream

Dennoch, in Zeiten, in denen Horrorfilme zu oft uninspirierte Zombie-Streifen und reine Folterpornos im Stile der Saw-Reihe sind, werden sich viele Fans freuen, wieder altmodischen Grusel mit übersinnlichem Einschlag serviert zu bekommen. Denn auch wenn Raimi nur solide Hausmannskost serviert, schafft er es damit, die schwächliche Konkurrenz auszustechen. Die beeindruckend positiven Kritiken sprechen dort Bände.

Und auch die deutschen Fans dürfen sich freuen, denn so harmlos wie Drag Me to Hell daherkommt, besteht wohl kaum die Gefahr, dass er hierzulande indiziert oder gar beschlagnahmt wird.

Sam Raimi kehrt nach dem kurzen Ausflug allerdings schnell zu seiner Comic-Spinne zurück. Derzeit laufen die Vorbereitungen für Spiderman 4.

Drag Me to Hell läuft ab dem 11. Juni in den deutschen Kinos.

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