Uwe Boll gegen den Rest der Welt

14.02.2011 - 10:59 Uhr
Uwe Boll und sein Auschwitz
Boll Kino Beteiligungs GmbH & Co. KG
Uwe Boll und sein Auschwitz
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Gestern fand in Berlin die Deutschlandpremiere von Uwe Bolls Holocaustbeitrag Auschwitz statt, die mit einer Pressekonferenz eingeleitet wurde. Diese erläuterte das juristische Vorgehen von Boll gegen die Berlinale. Doch der Spaß sollte erst noch folgen.

Gestern gegen 19 Uhr war ein gut gefülltes Kino Babylon Schauplatz eines absonderlichen Schauspiels. Uwe Boll, längst kein Mann mehr, der noch in Nebensätzen vorgestellt werden muss, nutzte die von ihm organisierte Deutschlandpremiere von Auschwitz, um sich gleichzeitig auch Luft zu machen und gegen die Berlinale, insbesondere den Festivalleiter Dieter Kosslick und die gesamte deutsche Filmindustrie zu wettern. Eine Praxis, die wir bereits von dem Regisseur kennen.

Die Pressekonferenz
Der ganze Abend, der sich drei Stunden hinziehen sollte, obwohl der Film gerade mal 70 Minuten dauert, war geprägt von polarisierenden Meinung, Gegensätzen und generell einer gewissen Dualität, die sich über den ganzen Abend erstreckte. Es begann damit, dass Uwe Boll in seiner improvisierten Pressekonferenz, wie bereits angekündigt, seine Strafanzeige erläuterte und die sich auf eine über 20 Jahre lange Fehde zwischen Uwe Boll und Dieter Kosslick, Uwe Boll und der deutschen Filmindustrie, Uwe Boll gegen den Rest der Welt gründet. Es geht dem Regisseur laut eigener Aussage nicht darum, dass seine Filme bislang 20 mal von der Berlinale abgelehnt wurden oder generell noch nie an einem deutschen Festival zu sehen waren, sondern um die von ihm empfundene Ungerechtigkeit, dass er als einziger eine 125 Euro Einreichungsgebühr entrichten müsse und alle anderen nicht.

Stellt euch an dieser Stelle das Gesicht eines plärrendes Kindes vor, dem gerade der Schnuller geklaut wurde. Diesen Eindruck machte Uwe Boll nämlich den ganzen Abend über. Die gefühlte Ungerechtigkeit steht jedoch im Widerspruch mit den Festivalstatuten, die jedem Film eine Gebühr abverlangt, lediglich geladene Filme sind davon ausgeschlossen. Doch der Filmemacher fühlt sich hintergangen, glaubt Dieter Kosslick wolle ihn schikanieren und sah sich gezwungen, seine Anwälte einzuschalten, um seine 125 Euro – auch rückwirkend – wieder zurück erstattet zu bekommen. Der Regisseur redete sich wie gewohnt in Rage und holte zu einem Rundumschlag gegen die deutsche Filmindustrie und insbesondere die Filmförderanstalten aus – Uwe Boll, der Don Quijote der deutschen Filmbranche.

Der Film
Auschwitz an sich ist die Trommeln, die für den Film geschlagen werden, nicht wert – schließlich beabsichtigt Uwe Boll mit seinem Auftritt nichts anderes als kostenlose PR zu erzeugen. Ich glaube dem Regisseur, wenn er sagt, er hätte nur die besten Absichten. Er wollte das Grauen darstellen, solange es in der Realität solche Grausamkeiten existieren, sehe er sich als Filmemacher in der Verantwortung, diese auch zu zeigen. Auch sein Anspruch, einen Schulfilm zu machen, der an Schulen gezeigt werden könnte, um die – seiner Meinung nach nur noch beschämend lückenhaft über den Holocaust Bescheid wissenden – Schüler von heute aufzuklären, mag durchaus legitim sein. Doch seine Interpretation des Genozids, mit seinen stilisierten Bilder, Zeitlupenaufnahmen, CG-Blut und Pianobegleitung, könnte nicht weiter von seinen guten Absichten entfernt sein. Dem Filmemacher fehlt das Gespür für die Materie, der Willen zur Auseinandersetzung – als Hauptrecherchequelle diente Uwe Boll lediglich eine BBC-Dokumentation – und das Einfühlungsvermögen, um solch eine Thematik differenziert und dokumentarisch aufzuarbeiten.

Woran liegt es, dass Auschwitz den Zuschauer kalt lässt und sogar langweilt? Uwe Boll setzte seinen Anspruch, mit der Kamera drauf zu halten, wenn andere sich abwenden, konsequent um. Aber trotz aller dargestellter Brutalität und Unmenschlichkeit hat der Film keine Wirkung. Zu stilisiert und verzerrt serviert der Regisseur seinen persönliche Sicht, die er als Wahrheit und ernstzunehmende Studie empfindet. Das eigentliche Skandalöse am Film ist, dass diese “Dokumentation” Schüler über den Holocaust befragt und sie bloßstellt. Er drängt sie in eine Ecke und lässt sie ins offene Messer laufen. Uwe Boll verteidigt sich damit, dass die Schüler und ihre Eltern wussten, worauf sie sich einließen und zwei Wochen Vorbereitungszeit gehabt hätten. Somit rechtfertigt er sein Verhalten -ein fragwürdiger Beweis für die “Zustände” an deutschen Schulen. Dass der Regisseur nur an zwei Schulen war, in der ersten Hälfte seines Films eine Unterstufe zeigt, die bei der Thematik völlig überfordert ist, am Ende jedoch Abiturienten befragt, die im Kontrast dazu besser dabei wegkommen, zeigt, dass Uwe Boll der falsche Mann für solch ein Projekt war und immer sein wird.

Der Uwe
Das tragische ist, dass einem Uwe Boll mittlerweile leid tun kann. Eine sachliche Diskussion ist mit ihm schon lange nicht mehr möglich, was der Publikumstalk mit ihm bewies. Der Regisseur kann nicht mehr zwischen einer sachlichen Auseinandersetzung mit seinen Filmen, Kritik und Angriffen unterscheiden. Für ihn – als gebranntes Kind, das sich seit Jahren missverstanden fühlt – wirkt mittlerweile alles wie ein persönlicher Angriff, was jede vernünftige Diskussion im Keim erstickt. Was bleibt, ist ein Mensch, dem eine herzliche Umarmung richtig gut tun würde.

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