Zum Tod von Carrie Fisher - Das Leben als Kunst

28.12.2016 - 14:20 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Carrie Fisher als Leia OrganaDisney
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Carrie Fisher ist im Alter von 60 Jahren gestorben und wir blicken zurück auf eine beeindruckende Persönlichkeit, die weit größere Herausforderungen meisterte als nur den Krieg der Sterne.

Als vergangenen Freitag die Nachricht herumging, Carrie Fisher habe einen Herzinfarkt erlitten, hieß es um Hoffnung ringen. Weder eine bipolare Störung noch Rosenkohlstückchen in der Luftröhre  oder der übermäßige Konsum von Drogen hatten Carrie Fisher dauerhaft niederzwingen können. Wenn ein Keith Richards anno 2016 auf Tour geht, dann können sechs Jahrzehnte auch für die wild filmende, schreibende und vor allem lebende Carrie Fisher nicht genug gewesen sein. Denn was bedeutet schon "genug", was das viel beschworene "erfüllte Leben", wenn es einem nach Leinwandauftritten und, weit mehr noch, entwaffnend ehrlichen Interviews und Memoiren dürstet? Carrie Fishers Auftritte in der Star Wars-Reihe bilden nur die Spitze des abgedroschenen Karriere-Eisbergs. Ihre autobiografischen Arbeiten lassen ein Abenteuer erahnen, in dem das Imperium noch den mickrigsten Gegner darstellte. Abschiednehmen hieß es gestern dennoch, als es feststand. Carrie Fisher, Prinzessin Leia Organa, erste Actionheldin unzähliger Kindererinnerungen, Hollywood-Überlebende, ist im Alter von 60 Jahren in Los Angeles gestorben.

I don’t want life to imitate art. I want life to be art. (Postcards from the Edge)

Der Durst der Öffentlichkeit saugte Carrie Fisher ins Scheinwerferlicht, da lag sie noch in der Wiege. Aus den Klatschspalten über die beiden Freundinnen Elizabeth Taylor und Debbie Reynolds sowie Taylors Affäre mit Reynolds Ehemann Eddie Fisher ließe sich wohl ein maßstabsgetreuer Todesstern falten. Carrie Fishers Eltern waren zentrale Akteure eines der großen Hollywood-Skandale der 50er Jahre. Beide arbeiteten bis dahin erfolgreich als Entertainer. Die Berühmtheit von Elizabeth Taylor bewegte sich allerdings auf einem ganz anderen Niveau. In gewisser Weise war Debbie Reynolds' Schatten, der über Carrie Fishers früher Karriere lag, auch der von Elizabeth Taylor, der des klassischen Hollywood-Kinos in seinen letzten Atemzügen. Der Besuch der Beverly Hills High School zeugt von der privilegierten Herkunft, doch Harry Karl, der zweite Ehemann ihrer Mutter, trank und verspielte Reynolds' Vermögen. Umso passender eigentlich, dass Carrie Fisher ihr Spielfilmdebüt 1975 im New Hollywood-Eintrag Shampoo von Hal Ashby gab. Eine ausgemachte schicksalhafte Ironie schien die Tochter aus dem Showbiz-Adel danach geradewegs ans Set von Krieg der Sterne zu führen. Jenem Film, der Hollywood einen blockbusterförmigen Ausweg aus der Krise zeigen sollte. Debbie Reynolds Schauspielerin Kathy wurde im Musical-Klassiker Du sollst mein Glücksstern sein während des Wandels vom Stumm- zum Tonfilm ein Star, ihre Tochter Carrie Fisher als Leia Organa zur ersten weiblichen Ikone des Blockbuster-Zeitalters.

Carrie Fisher in Star Wars

Blockbuster-Ruhm war damals 1977 ein nahezu unentdecktes Land. Für Han Solo-Darsteller Harrison Ford bildete das Sternenabenteuer von George Lucas nur einen von vielen Abstechern in die Kinocharts. Die Film-Geschwister Mark Hamill und Carrie Fisher schienen TIE-Fighter, Sternenzerstörer und Storm Trooper schwerer abzuschütteln. Mit Engagements in Blues Brothers, Hannah und ihre Schwestern und Meine teuflischen Nachbarn war Carrie Fisher zwar auch außerhalb von Lucas' Saga im Kino präsent. Aus der klischeehaften Rolle der besten Freundin in Harry und Sally zauberte Fisher im Zusammenspiel mit Bruno Kirby einen Genre-Maßstab, so authentisch und gelebt wirkte die Filmbeziehung der beiden zwischen den vorgetäuschten Orgasmen und Schnellfeuerdialogen ihrer Co-Stars. Mit der von Millionen verehrten Prinzessin haderte Carrie Fisher allerdings ebenso wie mit der Beziehung zu ihrer Mutter. Letztere verarbeitete sie zusammen mit ihrem Kampf gegen die Drogensucht im autobiografischen Roman Postcards from the Edge. Auch so eine typische Carrie Fisher-Wendung: Mike Nichols, Regisseur des Liz Taylor-Dramas Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, bringt die Verfilmung Grüße aus Hollywood 1990 mit den veritablen Schauspielgöttinnen Meryl Streep und Shirley MacLaine ins Kino. Hollywood musste schon alle Geschütze auffahren, um dem filmreifen Leben Carrie Fishers bzw. ihres Alter Egos Suzanne Vale gerecht zu werden.

Im Schreiben fand Carrie Fisher denn auch zu ihrer wichtigsten Rolle. Zunächst spiegelten fiktionale Heldinnen in fünf Romanen ihr turbulentes Leben, Lieben und Leiden wider, bevor Carrie Fisher sich in Wishful Drinking, Shockaholic und jüngst The Princess Diarist ganz offen und gewohnt humorvoll ihren Erinnerungen widmete. Fishers unverblümter Umgang mit ihrer bipolaren Störung, ihre Schilderung manischer und depressiver Episoden und des Drogenkonsums, der diesen entgegenwirken sollte, hatte Vorbildcharakter. Sie schrieb aus einer Industrie heraus, die zwischen schönem Schein und skandalösem Absturz kaum Graustufen auszumachen weiß. In gewisser Weise instrumentalisierte Fisher unser Verlangen, alles über Stars und ihre Fehltritte wissen zu wollen. Sie trug zur Aufklärung über und Empathie für psychische Erkrankungen bei und legte frei, was es heißt, Carrie Fisher zu sein, Tochter von Debbie Reynolds, Darstellerin der Prinzessin Leia und Überlebende der Traumfabrik.

Carrie Fisher und Bruno Kirby in Harry und Sally

Die schönste Folge des viel bemängelten Sequel- und Reboot-Wahns war deshalb die Pressetour für Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht. In hinreißenden Auftritten, ob morgens  oder abends , sprudelten die One-Liner nur so aus Carrie Fisher heraus. Gefragt nach ihrem Gewicht in Star Wars 7 meinte Fisher bei Good Morning America zur Moderatorin: "Ich habe Gewicht verloren und ich denke das ist ein blödes Thema. Aber sie sind so dünn! Reden wir darüber. Wie machen sie das? Trainieren sie jeden Tag?" Als gefragte Skript-Doktorin peppte Carrie Fisher mit ihrem Esprit schließlich auch jahrelang Drehbuchdialoge auf, darunter Hook, Sister Act - Eine himmlische Karriere, Last Action Hero, Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung, Coyote Ugly und Ein unmöglicher Härtefall. Im unmittelbaren Schein, nicht Schatten, von Star Wars Episode 7 wurde Fisher eine Wertschätzung zuteil, welche die Special Edition oder Prequels schwerlich in diesem Maße bewirken konnten.

I feel I'm very sane about how crazy I am. (Wishful Drinking)

Carrie Fisher sollte im Kino für immer Prinzessin - bzw. General - Leia sein. Im Trubel rund um Das Erwachen der Macht wirkte das jedoch nicht mehr wie eine Last. Oder Fisher hatte gelernt, es leicht aussehen zu lassen, Star Wars ein Gesicht zu leihen. Leichtigkeit und Härte lagen in ihrem Witz ja auch nah beieinander. Alles gesehen zu haben, muss ein wenig entspannen. Kein Computer-Ebenbild kann diese Frau im Film ersetzen, Rogue One: A Star Wars Story hin oder her. Für eines stand die wunderbare Carrie Fisher aber, im neuen Prequel und vor allem in ihren Büchern und Interviews: Hoffnung. Trotz allem.

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