320-Millionen-Grab auf Netflix: An The Electric State begeistert nur eine einzige Sache

18.03.2025 - 11:18 UhrVor 1 Monat aktualisiert
The Electric State
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Seit vielen Jahren freuen sich Sci-Fi-Fans auf The Electric State. Netflix' Blockbuster ist leider eine große Enttäuschung, die auch Millie Bobby Brown und Chris Pratt nicht retten können.

Netflix stellt seine Kino-Konkurrenz dieses Jahr tatsächlich in den Schatten, und zwar mit einem einzigen Werk: The Electric State ist der teuerste Film des Streamingdienstes, glänzt mit zahlreichen Stars und stammt von Regisseuren, die auch Marvel zu Milliarden-Einnahmen verholfen haben. Er basiert auf einer gefeierten Graphic Novel-Vorlage. Er ist das mit Abstand größte Sci-Fi-Spektakel des Jahres. Aber er enttäuscht maßlos.

The Electric State langweilt mit eindimensionalen Figuren und künstlichen Emotionen, die weder Millie Bobby Brown noch Chris Pratt retten können. Die Geschichte hat jeder Fan des Genres schon 100 Mal gesehen. Und selbst manche Bilder, die eigentlich alle von dem millionenschweren Budget profitieren sollten, sind belangloser Durchschnitt. Nur ein Aspekt des größenwahnsinnigen Blockbusters gefällt wirklich.

Darum geht's in The Electric State

The Electric State spielt in einer retrofuturistischen Version der USA im Jahre 1994. Nach einem Krieg zwischen Menschen und ihren Arbeitsrobotern werden die Maschinen in ein wüstenähnliches Ghetto, die sogenannte Exclusion Zone, gepfercht.

Schaut euch hier den Trailer zu The Electric State an:

The Electric State - Finaler Trailer (Deutsch) HD
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Die Teenagerin Michelle (Brown), die während des Krieges ihre ganze Familie verloren hat, bekommt eines Abends Besuch von einem Roboter (Originalstimme: Alan Tudyk). Wie sich herausstellt, wird die Maschine von dem Geist ihres totgeglaubten Bruders Christopher (Woody Norman) beherrscht, der sie drängt, seinen Körper zu finden und zu befreien. Und dazu muss sie in die Exclusion Zone.

Mithilfe des abgehalfterten Ex-Soldaten Keats (Pratt), der mit seinem Roboter-Kumpel Herm (Anthony Mackie) Fundstücke aus dem Ghetto verkauft, kann sie ihre Reise beginnen. Aber ihr auf den Fersen sind bereits Tech-Milliardär Ethan Skate (Stanley Tucci) und sein eiskalter Handlanger Bradbury (Giancarlo Esposito). Denn Christopher spielt in ihren Plänen eine wichtige Rolle.

Das größte Problem in The Electric State ist das fehlende Herz

Die Geschichte des Netflix-Films The Electric State nahm bereits 2017 ihren Anfang, als die Regisseure Joe und Anthony Russo die Rechte an einer Adaption der gleichnamigen Graphic Novel von Simon Stålenhag kauften. Die Vorlage begeistert mit ergreifenden Bildern von gigantischen Roboterwracks vor dem Hintergrund der Weiten Amerikas.

Über die Jahre reicherten die Russos das Versprechen der Vorlage mit einem beeindruckenden Cast und Netflix-Millionen Budget an. Auf dem Papier konnte das Projekt gar nicht scheitern. Aber das Endprodukt ist alles andere als ein Erfolg.

Vor allen anderen Dingen fehlt The Electric State ein schlagendes, menschliches Herz: vielschichtige Figuren und Emotionen, glaubhafte Handlungen, überraschende Wendungen. Michelle und Keats sind so dreidimensional wie Pappaufsteller. Wie stark hat Michelle unter dem Tod ihrer Familie gelitten? Warum lehnt sie neumodische Technologie so vehement ab? Ist Ex-Soldat Keats vom Krieg traumatisiert? Weshalb hilft ausgerechnet er, der stolze Reden auf seinen moralischen Nihilismus hält, dem jungen Mädchen so bereitwillig? Wir erfahren es nicht.

Und bei einem Freifahrtschein über 320 Millionen muss man annehmen, dass solche Fragen den Russo-Brüdern wohl egal waren: Die Hintergrundgeschichten der Figuren dienen nur dazu, schnell die nächste Gabelung einer belanglosen Story zu erreichen und sind kein Ausdruck emotionalen Reichtums. Der gesamte dramaturgische Verlauf des Films hat etwas Mechanisches an sich.

Das wäre weniger schlimm, wenn auf dem Standstreifen dieser seelenlosen Plot-Autobahn gelegentlich irgendein interessanter Anblick aufblitzen würde. Aber beeindruckende, neue Ideen, unterhaltsame Dialoge oder effektiver Witz fehlen über weite Strecken ebenfalls. Chris Pratt und Millie Bobby Brown bemühen sich um Lebendigkeit, aber solche Ambitionen laufen bei einem Drehbuch von der Neugier eines Thermomix schlicht ins Leere.

Wirklich interessante Figurendetails schenken die Russos und ihre Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely nur Figuren wie Stanley Tuccis Steve Jobs-Hommage, die sich etwa in einer Videosimulation von den Erinnerungen an eine alkoholkranke Mutter reinigen will. Aber solche Ideen führen nirgendwohin: Tuccis Ethan Skate bleibt am Ende ein völlig einseitiger, archetypischer Widersacher.

Die Roboter sind der einzige tolle Aspekt an The Electric State

Es wäre allerdings falsch, The Electric State mit Russo-Bombast wie The Gray Man oder Blockbuster-Massenware wie Red One auf eine Stufe zu stellen. Erstens sieht The Electric State an manchen Stellen wirklich toll aus: Die Roboterfiguren sind sehr detailverliebt konzipiert und fügen sich nahtlos in die Realfilmaufnahmen ein. Da fällt sogar der Netflix-Look, der vielen Szenen ihre visuelle Tiefe raubt und vor allem in vielen Wohnzimmer- und Büroszenen durchscheint, nicht so schwer ins Gewicht. Die 320 Netflix-Millionen wurden also nicht völlig verschwendet.

Im Übrigen verdankt der Film seinen Roboter-Figuren das ganze mühsam ersparte Saldo an Charme und Humor. Wer kann, sollte die Originalfassung hören, denn die Südstaaten-Aura von Mr. Peanut oder die Schlagfertigkeit von Herm kommen durch die Stimmen von Woody Harrelson und Anthony Mackie besonders gut zur Geltung.

Der Sci-Fi-Blockbuster bleibt ein Reinfall

Aber solche Oasen von Witz und Stimmung sind zu selten, um eine Verbindung zwischen Zuschauenden und Figuren aufzubauen, von Interesse am Film ganz zu schweigen. The Electric State ist ein seelenloser, ultrateurer Sci-Fi-Reinfall und eine der größten verpassten Chancen des Filmjahres, so lautet trotz allem das ernüchternde Fazit.

Es ist im Übrigen kein Wunder, dass viele Kritiker:innen, etwa auf Metacritic , mit solcher Wut und Gehässigkeit auf den Film einprügeln. Die Russo-Brüder, die schon vor Jahren dem ersten KI-generierten Film freudig entgegensahen, haben ihren Roboter-Film mit einem Maschinenherz ausgestattet und verlangen von Filmfans nun die phlegmatische Akzeptanz braver Konsumenten.

Wie kann man sich da nicht mit den Süchtigen aus dem Film vergleichen, die langsam in Simulationen verdorren, die ebenso kantenlos sind wie The Electric State selbst?

The Electric State ist seit dem 14. März 2025 bei Netflix verfügbar. Er hat eine Laufzeit von 128 Minuten.

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