Endlich ein richtig guter deutscher Fantasy-Blockbuster: Hagen haucht 800 Jahre alter Sage mit einem Trick neues Leben ein

17.10.2024 - 15:23 Uhr
Hagen - Im Tal der Nibelungen startet im Kino
Constantin Film
Hagen - Im Tal der Nibelungen startet im Kino
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Heute startet mit Hagen - Im Tal der Nibelungen eine gelungene Fantasy-Verfilmung im Kino, die aus spannender neuer Perspektive einen Helden-Mythos auf den Kopf stellt.

Heute startet der wohl düsterste deutsche Fantasy-Film des Jahres im Kino und das ist ein Grund zur Freude. Denn Hagen - Im Tal der Nibelungen liefert Genre-Fans mit der Verfilmung einer 800 Jahre alten Sage große Bilder, die zeigen, was das sonst eher Fantasy-scheue Filmland Deutschland alles kann.

Hagen feiert seinen Kinostart als imposante Fantasy-Verfilmung mit neuer Perspektive

Von der Nibelungensage beziehungsweise dem Nibelungenlied hat wohl so gut wie jede:r Deutsche schon mal gehört. Schließlich ist die Geschichte des Drachentöters Siegfried fast schon Teil der heimatlichen DNA – zumindest, wenn es um weit zurückreichende Mythen und Legenden geht. Circa 1250 wurde die Erzählung das erste Mal schriftlich niedergeschrieben. Selbst wer kein Opern-Fan ist und nicht Richard Wagners Ring der Nibelungen kennt, hatte womöglich Berührungspunkte mit so unterschiedlichen Verfilmungen wie Fritz Langs Nibelungen-Adaption oder Tom Gerhardt als Siegfried.

Was gäbe es also Deutscheres und Ehrgeizigeres, als diese Sage als großes Fantasy-Epos neu zu verfilmen? Wohl nur noch den Wunsch des Regie-Duos Cyrill Boss und Philipp Stennert (Neues vom Wixxer), das Nibelungenlied anders zu verfilmen. Denn genau das geschieht in ihrem neuen Film, der nicht Siegfried, sondern seinen Gegner Hagen von Tronje zur Hauptfigur – und zum verkannten Helden – erhebt. Und zwar nach dem gleichnamigen Buch * des berühmten deutschen Fantasy-Autors Wolfgang Hohlbein.

Den Perspektivwechsel zu Hagen, der natürlich etwas Basiswissen zur Nibelungensage voraussetzt, löst der Film geschickt mit seiner Eröffnung: Ein Puppenspieler stellt die Geschichte nach, wie der Bösewicht Hagen den Helden Siegfried hinterrücks tötet. Doch anschließend stellt die Fantasy-Erzählung an der Seite von Hagen (Gijs Naber) infrage, was wirklich passiert ist.

Hagen braucht nicht viele Effekte, um das Gefühl von großer Fantasy zu wecken

Das Reich der Burgunder im 5. Jahrhundert: Der in Worms regierende König fällt zum Entsetzen seines treuen Waffenmeisters Hagen einem Hinterhalt zum Opfer, woraufhin Nachfolger Gunter (Dominic Marcus Singer) den Thron besteigt. Mit der Bedrohung der anrückenden Hunnen im Osten braucht Burgund allerdings Verbündete, weshalb Gunter seine Schwester Kriemhild (Lilja van der Zwaag) strategisch verheiraten will. Hagen, der in die Königstochter verliebt ist, versucht das zu akzeptieren. Erst mit dem Auftauchen des Drachentöters Siegfried (Jannis Niewöhner), der Gunter ein Bündnis mit der Walküren-Königin Brunhild (Rosalinde Mynster) in Aussicht stellt, wendet sich das (Linden-)Blatt.

Eine unscharfe Drachenleiche hier, ein sich verwandelndes Gesicht dort: Auch wenn Hagen ein Fantasy-Film ist, halten sich die auffälligen Computer-Effekte in Grenzen. Doch das tut dem Gefühl von Größe keinen Abbruch. Eher im Gegenteil: Weil die Verfilmung stattdessen auf edle Kostüme und echte Drehorte setzt, verbildlicht sie die Legende mit einem realistischen Ansatz. Statt auf ein Übermaß an CGI zählt Hagen lieber auf eindrucksvolle Bildkompositionen. Zum Beispiel in einer Parallelmontage sich windender Leiber, die eine Schlacht mit einem Festgelage verbindet.

Wenn der erste Kampf in Hagen schon nach wenigen Minuten im Schnee eines nebligen Wiesenlagers entbrennt, zeigt sich der Film mit überzeugendem Look. Die altertümlichen tschechischen Drehorte und später die majestätischen Landschaften Islands tun ihr Übriges, um die Tragweite der Erzählung in imposante Bilder zu gießen. Dass hier in echten Gemäuern statt gebauten Kulissen gedreht wurde, sieht man – und das verleiht dem Fantasy-Setting eine glaubhafte Bedeutungsschwere.

Hagen vs. Siegfried: Der Perspektivwechsel geht auf

Gelegentlich hätte die eine oder andere Actionszene mehr zwischen den vielen ernsten Gesprächen und Intrigen gutgetan, um den etwas dialoglastig-schleppenden Mittelteil aufzulockern. Die Höhepunkte sind zuweilen etwas ungleich über die Laufzeit von 2 Stunden und 15 Minuten verteilt. Aber die Besetzung bügelt kleinere Schwächen leicht aus, wenn etwa Gijs Nabers Hagen uns mit seiner schüchternen Stärke auf seine Seite zieht. Seine tragische Romanze mit Kriemhild besticht ebenso wie seine fatale Loyalität gegenüber dem unfähigen König Gunter.

Jannis Niewöhner darf als Siegfried (wie gewohnt) mindestens dreimal im Film sein Hemd ausziehen. Zum Glück überzeugt er über seinen nackten Oberkörper hinaus auch aus herrlich arroganter Kämpfer, der trotz (zu) großem Selbstbewusstsein nach Anerkennung lechzt. Das Volk mag ihm zujubeln, am Herzen liegen die Untertanen dem "Helden" dadurch nicht. Nach Siegfrieds ersten Arschloch-Auftritt schleichen sich zum Glück weitere Nuancen ein, denn seine wahre Schwäche ist nicht echte Bosheit, sondern dass der rastlose Einzelkämpfer gemeinsame Strategien allzu häufig in den Wind schlägt.

Brunhild-Darstellerin Rosalinde Mynster überzeugt als nordisches Wesen, das weibliche Stärke in einen Kampf bringt. Dass der magische Schwarzalb Alberich (Johanna Kolberg) nun als geschlechts- und altersloses Wesen statt als Zwerg auftritt, funktioniert ebenfalls. Doch abseits des Übernatürlichen gesteht Hagen seinen Held:innen vor allem ihre Menschlichkeit zu, die im epischen Gewand leicht untergehen könnte.

Hagen entwickelt sich zum perfekten Nachschub für Vikings-Fans

Damit verfolgt Hagen einen ähnlichen Ansatz wie die beliebte Historienserie Vikings, die ebenfalls Mythen und Geschichte verschmolz, um mit einem Maximum an Realismus und einem gekonnt platzierten Tropfen Fantasy ein paar "Barbaren" aus einem neuen Blickwinkel zu beleuchten. Wenn Hagen am Ende den Kreis zur Puppentheater-Eröffnung schließt, wird klar: Wer Helden und Schurken sind, hängt häufig von den Strippenziehern der Geschichte ab.

Hagen gelingt im Kino das Kunststück, einer vor vielen Jahrhunderten angesiedelten Geschichte einen modernen Anstrich zu geben. Weil die ambivalenten Charaktere alles andere als angestaubt wirken und ihr Schwanken zwischen Egoismus und Gemeinwohl ins Heute passt. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich nach diesem Film-Event eine neue Generation der alten Sage zuwenden würde: um die Details der Legende mit dem veränderten Kino-Abenteuer abzugleichen. So trägt die Verfilmung ihre Geschichte in die Zukunft – die sich nicht allein auf einen Film beschränken wird.

Denn Hagen soll 2025 nach dem Kinostart auch noch in einer längeren Fassung als Serie Hagen - Im Tal der Nibelungen bei RTL+ bekommen. Das passt als moderner Kniff zur Größe des Projekts und zum gegenwärtigen Streaming-Zeitalter. Zum Glück merkt man der Gangart der Filmversion nur selten an, dass sie gestrafft wurde. Stattdessen macht das Wissen um eine zweite, längere Auswertung Lust darauf, sich auch die ausführlichere Umsetzung der Sage anzusehen. Davor lohnt sich aber unbedingt der Kinobesuch. Wann schließlich bekommen wir sonst so bildgewaltige Fantasy aus Deutschland?

Hagen - Im Tal der Nibelungen ist ab dem heutigen 17. Oktober 2024 im Kino zu sehen.

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