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Luke Skywalker - Die Entwürdigung einer großen Filmfigur

30.12.2017 - 19:32 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Luke in täuschend würdevoller Pose
The Walt Disney Company Germany GmbH
Luke in täuschend würdevoller Pose
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Luke Skywalker ist unbestritten die emblematische Figur der Star-Wars-Saga. Man braucht da nicht in Prequel- oder Uralt-Fanbase aufzuteilen, oder wer wie wo und was in welchem Lebensalter an Sternenkrieg mitgenommen hat. Er ist Sohn, Zögling, Vorbild, schlicht der Held aller positiven Werte, auf die auch die Prequels hinsteuern, und zwar im Abwehrkampf gegen die dunkle Seite der Macht. Star Wars VIII - The Last Jedi relativiert nun die Figurenmotivation und ihre Wertleistungen auf drastische Weise.

Luke ist das blauäugige Bauernkind, das vom fernen Pilotieren träumt, für das die Macht und die großen Ereignisse in entfernten Galaxien - ähnlich wie für den Zuschauer - lediglich Legendengeschichten sind, in die er plötzlich selbst hinauffährt. Der Tod seiner Pflegeeltern und der seines Mentors sind die ersten traumatischen Erfahrungen, die ihn zur Macht führen. Er wird schlagartig zur Schlüsselfigur einer Rebellion, der die Vernichtung droht. Erlöserhaft wird er durch die Macht zum Sieg geleitet.
Der Junge setzt seine Ausbildung in der Stille fort, erfährt, dass seine Auseinandersetzung mit dem Bösen nicht nur jeweils eine politische und religiöse Komponente hat, sondern auch eine persönliche: Darth Vader, der dramaturgisch überzeugende Inbegriff des Bösen in Star Wars, ist niemand weniger als sein eigener Vater.
Schließlich tritt Luke freiwillig die umso schwerere Konfrontation an. Er liefert sich aus, opfert sich fast, streckt im Moment des scheinbaren Sieges seine Waffen und droht nun, tatsächlich vernichtet zu werden. Warum streckt Luke Darth Vader nicht nieder? Aus Vaterliebe? Nein, zumindest nur zu einem peripheren, nicht weiter nachweisbaren Anteil!

Luke handelt aus Liebe zu seiner Schwester und aus dem Glauben heraus, aus dem winzigsten Fünkchen Hoffnung das Gute zu bergen. Außerdem erkennt er, dass sein Kampf in eine Rachelogik mündet, die er ablehnen muss, wenn er der dunklen Seite abschwören will. So schwarz und düster die Seele eines Darth Vader geworden ein mag, Luke bleibt Optimist und reicht dem Feind die Hand. Er hätte guten Grund, aus Bequemlichkeit oder Angst die Seiten zu wechseln, das Angebot des Imperators anzunehmen. Stattdessen setzt er sich dem größten Schmerz und dem Tod selbst aus. Auf diese Weise gelingt ihm schließlich die tragische Bekehrung seines Vaters, an der dieser unweigerlich sterben muss.
Was heißt es also, wenn wir von Werten sprechen, die Luke Skywalker ausmachen?
Die Dialoge zwischen Luke und Darth Vader in Episoden V und VI sind vielleicht die stärksten und zentralsten der Familiengeschichte, die Star Wars ist. Darin beteuert der Sohn, wie sehr er vom Guten in seinem Vater überzeugt ist und wie er genau das durch Überzeugung in ihm hervorbringen will. Dabei setzt Luke mehrfach sein Leben aufs Spiel, was im Vater die Sehnsucht nach dem Guten aufgebaut haben muss. Der Akt der Bekehrung am Ende von Die Rückkehr der Jedi-Ritter ist nicht spontan, sondern liegt in der Überzeugungskraft von Lukes Selbstaufopferung. Drei Filme erzählen das Heranreifen einer Figur, die konsequent für das Gute eintritt und deren traumatische Erfahrungen nur im Vater ein Pendant finden.

Die neue Trilogie seit Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht konterkariert leider das Erbe des Skywalkerkonflikts. In The Force Awakens tritt Luke kaum auf: man erfährt, dass er eine Fährte zu seinem Refugium gelegt hat. Er wirkt wie der vom Kampf gezeichnete, weise Mönch im Eremitenkloster, von dem man die ultimativen Ratschläge erwartet.
Episode VIII schlägt direkt einen anderen Ton an: das Laserschwert, das Rey ihm entgegenstreckt, wirft er leichtfertig über die Schulter. *Lacher im Publikum* Luke verweigert das Gespräch; warum er die Fährte überhaupt gelegt hat, obwohl er quasi beteuert, sich zum Sterben zurückgezogen zu haben, wird erst gar nicht thematisiert. Stattdessen sieht man, wie Luke lebt, Fische fängt, Milch absaugt, sich kontinuierlich verweigert und Rey letztlich demütigt. Er spielt für die Novizin eigentlich kaum eine Rolle, da ihre Ausbildung keine Progression durch ihn erfährt, sondern erneut - ähnlich wie im Vorgängerfilm - irgendwie selbsterfüllend verläuft. Auch das Verhältnis Lukes zu den Jeditempeln und -schriften ist kein souveränes, von dem Rey lernen könnte. Vielmehr ist er sturer und passiver Begleiter eines autodidaktischen Prozesses, für den er lediglich nostalgisches Beiwerk zu sein scheint. Schließlich muss ihm ein retro-kauziger Yoda auf die Finger hauen, um ihm selbst noch die Bedeutungslosigkeit seiner eigenen Rolle zu zeigen.
Den Gipfel der Entwürdigung erlebt die Figur allerdings durch ein "Tatmotiv" in der Vergangenheit: sein Schüler Kylo Ren, der Sohn seiner Schwester, droht auf die dunkle Seite der Macht gezogen zu werden. Die Konsequenz, die Luke in einem schwachen Moment daraus zieht, ist die hinterlistige Ermordung seines Neffen durch das Laserschwert. Die Konsequenz - Luke hätte es besser wissen müssen - ist der endgültige Seitenwechsel Kylo Rens. Wieder einmal ein Familienmitglied, allerdings völlige Unangemessenheit der Mittel bei einem, der sich noch im Stadium des offensichtlichen Konflikts befindet und nicht bereits vollkommen der dunklen Seite verfallen ist, wie es Vader einst war. Nüchtern betrachtet: Überzeugungskraft und Optimismus sind einer banalen, nicht weiter begründeten Angst gewichen, die bekanntlich auf die dunkle Seite der Macht führt - mit Erfolg.

Nicht nur, dass Reys Eltern bedeutungslos sind und die Machtsensitivität nicht mehr in besonderer Weise an die Familie Skywalker gebunden ist, werden die Skywalkers auch unwürdig aus der Saga verabschiedet. Lukes Motive und Prinzipien aus der alten Trilogie werden nicht nur relativiert, sondern geradezu entwertet. Man könnte Luke hier eine tragische Fehlbarkeit bescheinigen, sei er doch auch nur ein Mensch. Ja, das kann man. Für diese Lehre fehlt aber der Charakterbogen, dafür spielt Luke eine zu geringe Rolle in zwei Filmen und dafür sind die traumatischen Erfahrungen der Ersttrilogie zu prominent, um solch eine Motivlage in der Rückblende nachzuliefern.
Die Kritik, die an Star Wars VIII - The Last Jedi also laut geworden ist, kann man nicht als ewige Meckerei oder Miesepetrigkeit wegwischen. Die Verantwortlichen um Produktion, Drehbuch und Regie haben nicht nur Inkonsistenzen im Ton zwischen VII und VIII kreiert, sondern Figuren ganz übergreifend deformiert.
Wie sagte es ein Kritiker auf Youtube: schlecht durchdacht, auf Effekte heischend und mit massiven Inkonsequenzen. Die neue Trilogie wirke damit wie "Der Hobbit" im Verhältnis zu "Der Herr der Ringe". Das ist nicht nur einfach schade, sondern wird das Konzept "Star Wars" nachhaltig verändern. Wie ein jeder diese Veränderung bewertet, bleibt ihm selbst überlassen.

MichaelJ

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