Mit Eden hat Ron Howard den düstersten Film seiner Karriere gedreht: Im Interview verrät er, warum er über 15 Jahre dafür gebraucht hat

06.04.2025 - 18:27 UhrVor 20 Tagen aktualisiert
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Der Survival-Thriller Eden erzählt von Aussteiger:innen, die sich im Paradies an die Gurgel gehen. Regisseur Ron Howard verrät uns im Interview, wie er auf diese verstörende Geschichte gekommen ist.

Ausgerechnet während eines Familienurlaubs wurde Ron Howard zu seinem düstersten Film inspiriert. Als der Regisseur vor über 15 Jahren die Galápagos-Inseln besuchte, stolperte er in einem Museum über die blutige Geschichte der Insel Floreana. Drei Aussteiger:innen sind hier im Jahr 1934 zu Tode gekommen. Drei weitere spurlos verschwunden. Sie suchten das Paradies, aber fanden die Hölle.

Die Galápagos-Affäre zog Howard, der eigentlich für Comfort-Blockbuster wie Apollo 13 und die Robert Langdon-Filme bekannt ist, sofort in den Bann. Dennoch sollte sehr viel Zeit vergehen, bis das Projekt konkrete Züge annahm. Nun startet der erbarmungslose Überlebenskampf Eden im Kino und zeigt uns Howard von einer abgründigen Seite, die selbst Im Herzen der See wie einen gemütlichen Bootsausflug wirken lässt.

Als Ron Howard vor wenigen Wochen in Berlin zu Besuch war, um sein Herzensprojekt vorzustellen, hatten wir die Möglichkeit, uns mit der Hollywood-Legende zum Interview zusammenzusetzen. Warum hat es so lange gedauert, bis Eden das Licht der Welt erblickte? Howard erzählt von der langen Entstehungsgeschichte, wichtigen kreativen Entscheidungen und wie er über sich als Regisseur denkt.

Moviepilot: Schön, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Wie lief die Deutschlandpremiere gestern Abend?

Ron Howard: Ich fand es sehr schön und spannend. Seitdem wir den Film im Spätsommer letztes Jahr fertiggestellt und auf dem Toronto Film Festival gezeigt haben, fallen mir mehr und mehr Unterschiede darin auf, wie das Publikum auf den Film und seine Ideen reagiert. Vermutlich liegt das daran, dass man sich so gut in die Figuren hineinversetzen kann. Sie wollen die Gesellschaft, in der sie leben, hinter sich lassen und an einem abgelegenen Ort eine neue, bessere Welt aufbauen.

Was glaubst du, ist der Auslöser dafür, dass sich viele Menschen in diesen Figuren und ihrer Aussteiger-Ambitionen wiederfinden?

Da kommen verschiedene Dinge zusammen. Der Krieg [in der Ukraine] dauert an, während die westliche Politik droht, mehr und mehr autokratisch zu werden. Viele gesellschaftliche Normen werden auf die Probe gestellt und wir erleben so viele Veränderungen. Es ist ein ständiges Schwanken von links nach rechts und wieder zurück. Man kommt gar nicht hinterher. Unsere Realität gleicht einer Achterbahnfahrt, die wir unmittelbar in Echtzeit erleben, was sich destabilisierend auf unsere Leben auswirkt.

Ist das der Grund, warum du den Film genau jetzt gedreht hast?

Ja und nein. Als ich zum ersten Mal auf diese Geschichte gestoßen bin, dachte ich nur, dass es ein großartiges Drama über Menschen ist, vielleicht sogar eine Komödie. Nicht zuletzt hat die Situation, in die sich die Figuren begeben, auch etwas Absurdes an sich. Man könnte fast meinen, man taucht in eine Kafka-Geschichte ein.

Ich musste zudem an Dostojewski denken und natürlich Joseph Conrad, der uns mitten ins Herz der Finsternis bringt. Im Lauf der Zeit wurde die Geschichte immer greifbarer und ich habe erkannt, dass ähnliche Projekte einen Nerv beim Publikum treffen. Ich denke da an so etwas wie The White Lotus und die anhaltende Popularität von Survivor. Das Publikum interessiert sich momentan sehr für diese abgründigen Geschichten.

Als ich Eden gesehen habe, war ich überrascht, wie düster der Film war. Wenn ich an deine Filme denke, fallen mir zuerst Blockbuster wie Apollo 13 und Solo: A Star Wars Story ein, die mir eher das Gefühl eines Comfort-Blockbusters geben. Hattest du von Anfang an vor, dieses Mal einen raueren Film zu drehen?

Ich gebe zu, dass es für mich ein Novum war, aber ich habe mich nie als Marke gesehen, sondern als jemand, der sehr neugierig auf das Kino ist und alle Arten von Geschichten liebt. Ich hoffe, ich habe mir die Fähigkeiten und das Vertrauen meiner Kollegen verdient, um Filme in verschiedenen Tonlagen auszuprobieren. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte meinen Namen aus dem Film herausnehmen, damit man ihn unvoreingenommen als das erleben kann, was er ist. Also ohne, dass man vorher denkt: "Ah, das könnte jetzt wie Solo oder Apollo 13 oder Cinderella Man oder Rush werden.

Aber prinzipiell stimmt deine Beobachtung: Ich bin ein Optimist und mache gerne Filme, die diese Einstellung teilen, ja sogar feiern. Auch in diesem Film steckt etwas von diesem Optimismus, aber ich musste Kompromisse eingehen, um zur Wahrhaftigkeit von dem vorzudringen, was die Figuren auf Floreana erleben. Das ist natürlich ein starker Kontrast zu meinem letzten Film, Dreizehn Leben, der eine pure Feier von Optimismus ist. Bei Eden gibt es deutlich mehr moralische Ambiguitäten. Entscheidend ist, dass es am Ende eine menschliche Geschichte ist und ich hoffe, dass ich in der verbleibenden Zeit meiner Karriere noch sehr viel mehr dieser Geschichten erforschen kann.

Du hast dich im Lauf deiner Karriere in so vielen Genres ausprobiert, dass ich mich oft frage: Was ist das eine Motiv, das alle Ron Howard-Filme vereint? Ich suche jetzt nicht unbedingt nach einem Beweis für die Auteur-Theorie, aber trotzdem wollte ich die Möglichkeit nutzen, direkt bei dir nachzufragen, wie du darüber denkst.

Ich würde es mal so formulieren: Ich liebe Herausforderungen und spannende Figuren. Egal, in welchem Genre ich mich gerade bewege, es geht mir immer um meine eigene persönliche Neugierde. Viele Leute erwarten, dass man in Hollywood eine verlässliche Marke wird. Die einzige Verlässlichkeit, die ich bieten kann, ist, dass ich sehr viel Sorgfalt und Arbeit in meinem Film stecke, genauso wie in die Zusammenarbeit mit all den Menschen, mit denen ich die Filme drehe.

Gibt es ein Traumprojekt, zu dem du bisher noch nicht gekommen bist?

Lange Zeit war das für mich Eden. Jetzt habe ich den Film gedreht.

Warum hat es so lange gedauert? Wenn ich das richtig verstanden habe, bist du schon vor über 15 Jahren auf diese Geschichte gestoßen.

Ich war mit meiner Familie im Urlaub auf den Galápagos-Inseln. Gleich am ersten Tag gingen wir in ein Museum über die Geschichte der Galápagos-Inseln. Da ging es um die Tierwelt und um Darwin. Und dann war da ein Raum, der sich diesem Floreana-Rätsel widmete. Es war wirklich faszinierend. Meine Tochter Bryce [Dallas Howard] sagte: "Oh, das klingt doch nach einem perfekten Film." Und ich dachte mir: "Ja, vielleicht drehe ich das eines Tages." Schon damals war mir allerdings klar, dass der Film deutlich düsterer als alle meine anderen Filme werden würde, was die Sache verkomplizierte.

Denn zu dieser Zeit arbeitete ich noch sehr viel mit großen Studios zusammen. Denen hätte ich diesen Film niemals pitchen können. Die hätten sich nicht getraut, den Film zu machen, und ich wollte niemanden dazu zwingen, einen Film zu machen, an den er nicht glaubte. Also begann ich, für mich selbst daran zu schreiben, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich keine Fortschritte machte. Drei bis vier Seiten pro Jahr – mehr habe ich nicht geschrieben. Und die waren dann nicht einmal sonderlich gut. Aber die Geschichte ging mir einfach nicht aus dem Kopf.

Schließlich erzählte ich [Drehbuchautor] Noah Pink davon. Mit dem hatte ich zuvor bei der Serie Genius zusammengearbeitet. Er schrieb ein Spec-Script, also ein Drehbuch, für das man nicht bezahlt wird und hofft, dass es genommen wird. Mehr und mehr Menschen wurden auf das Drehbuch neugierig, denn es hatte von Humor bis Spannung wirklich alles zu bieten. Und wie ich bereits erwähnte: Als ich den Erfolg von The White Lotus gesehen habe, war mir klar, dass es definitiv auch ein Publikum für Eden gibt.

Du hast den Film dann ohne Studio finanziert. War diese Unabhängigkeit für dich auch eine Möglichkeit, dich als Filmemacher neu zu erfinden?

Nicht wirklich. Ich habe einfach weitergemacht. Schon in der Vergangenheit habe ich mit kleineren Budgets und strafferen Zeitplänen gearbeitet. Bei Genius zum Beispiel oder bei Frost/Nixon. Der wurde in einem ähnlichen Zeitraum wie Eden gedreht. Rush hatte zwar einen längeren Drehplan, aber der war vor allem für die aufwendigen Action-Szenen da. Für die Dialoge hatten wir damals nur sehr wenig Zeit.

Oft denkt man als Filmemacher, dass man mit weniger Budget einen Kompromiss nach dem anderen eingehen muss. Da viele unserer Cast- und Crew-Mitglieder für geringere Gehälter als gewöhnlich gearbeitet haben, konnten wir den Film aber problemlos umsetzen. Wir haben sogar vor Ort auf den Galápagos-Inseln gedreht. Das war mir besonders wichtig, um den Film so immersiv wie möglich zu gestalten. Man sieht all die Tiere und Landschaften, in denen sich die Figuren bewegen. Eden ist eine sehr filmische Erfahrung, die man auf der großen Leinwand gesehen haben muss.

Eine Sache, über die ich unbedingt noch reden will, ist der Look des Films. Eden kommt mit sehr entsättigten Farben daher. Alles wirkt so hoffnungslos, geradezu endzeitlich. Was waren deine Gedanken dahinter?

Das ist eine der großen Besonderheiten des Films. Zum Teil liegt es daran, dass Floreana eine einsame Insel ist, die einer Wüste gleicht. Sie ist nicht schön, sondern rau und unwirtlich. Eden haben wir zu großen Teilen aber in Queensland [in Australien] gedreht. Meistens hat die Umgebung zu unseren Aufnahmen von den Galápagos-Inseln gepasst. Manchmal waren die Hintergründe aber sehr grün. Um trotzdem das Gefühl der einsamen Insel und der Dürre zu vermitteln, mussten wir einige der Grüntöne entsättigen.

Außerdem wurde der Look des Films von den Schwarz-Weiß-Aufnahmen inspiriert, die Allan Hancock von den echten Menschen auf der Insel gemacht hat. Überraschend viel davon kann man sich einfach im Internet anschauen. Das ist echt interessant. Am besten sucht man nach Empress of Floreana. Das ist ein sehr lustiger Kurzfilm über die Baronin [Eloise Bosquet de Wagner Wehrhorn]. Wirklich urkomisch. Aber die Umgebung ist kein Paradies – und das wollten wir von Anfang an vermitteln.

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Eden läuft seit dem 3. April 2025 in den deutschen Kinos.

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