Bereits 2018 wurde die Verfilmung des preisgekrönten Romans The Narrow Road to the Deep North von Richard Flanagan angekündigt. Dennoch sollten sieben Jahre vergehen, bis die erschütternde Geschichte über einen Soldaten, der seiner Zeit in einem japanischen Kriegsgefangenenlager in Thailand während des Zweiten Weltkriegs nicht entkommen kann, nun in Form einer Miniserie das Licht der Welt erblickt.
The Narrow Road to the Deep Sea läuft auf der Berlinale 2025 und entführt in ein düsteres Kapitel der Menschheitsgeschichte, das nach dem Schauen noch lange beschäftigt. Das liegt nicht nur an einer genialen Darsteller-Kombination, sondern auch der starken Inszenierung von The Order-Regisseur Justin Kurzel, der der Grausamkeit durch ein berührendes Erinnerungsgeflecht unerwartete Schönheit gegenüberstellt.
Vom Kriegsgefangenen zum Chirurgen: Das ist die Geschichte von The Narrow Road to the Deep Sea
The Narrow Road to the Deep Sea beginnt mit den Silhouetten von Soldaten vor orange-bräunlich glühendem Hintergrund. Im Kino haben wir dieses Bild schon oft gesehen, von Apocalypse Now bis 1917. Das hier ist aber keine Kriegsserie, die das Vermächtnis von Band of Brothers und Co. weiterträgt. Die von Shaun Grant (Mindhunter) geschriebene Adaption interessiert sich mehr für die Zeit vor und nach den Schützengräben.
Zuerst lernen wir den australischen Soldaten Dorrigo Evans (Jacob Elordi) im Jahr 1943 kennen, wo er in Gefangenschaft mit seinen Kameraden unter unmenschlichen Bedingungen den Bau der Thailand-Burma-Eisenbahnstrecke vorantreibt. Das Leid und die Erschöpfung steht den Männern ins Gesicht geschrieben. Ihre Körper sind gezeichnet von der harten Arbeit und hüllen sich in einen Kokon aus Schlamm und Dreck.
In seinen Erinnerungen flüchtet sich Dorrigo in die Zeit vor dem Krieg, wo er eine Affäre mit der Frau seines Onkels hatte. Jedes Mal, wenn Amy Mulvaney (Odessa Young) in einer der lichtdurchfluteten Aufnahmen auftaucht, vergisst er kurz das Grauen und eine völlig andere Welt kommt zum Vorschein. Frei von Zweifeln ist diese allerdings auch nicht – genauso wie der Handlungsstrang, der sich 1989 in Australien entfaltet.
Dorrigo (nun gespielt von Ciarán Hinds) ist vom Kriegsveteranen zum Star-Chirurgen geworden und steht vor der Veröffentlichung seiner Memoiren. Gedankenverloren blickt er durch unnatürlich stille und sterile Räume, die sich kaum mehr vom schwülen Dschungel unterscheiden könnten. Kurzel verwebt alle Zeitebenen trotzdem geschickt durch fließende Bildübergange, die Dorrigo zurück in den Albtraum bringen.
In The Narrow Road to the Deep Sea blitzt der Geist von Terrence Malick und Claire Denis auf
Seinen visuell beeindruckendsten Film lieferte Kurzel 2015 mit Macbeth ab, der die Schlachtfelder der Shakespeare-Verfilmung in einen feuerroten Höllenort verwandelte, durch den die Figuren wie Geister aus dem Jenseits wanderten. Auch in The Narrow Road to the Deep North setzt Kurzel auf atmosphärische Bilder. Dieses Mal lehnt er sich an einen der ungewöhnlichsten Kriegsfilme überhaupt an: Der schmale Grat.
Selten lagen Schönheit und Schrecken so nah beieinander, wie in dem von Terrence Malick inszenierten Meisterwerk, während uns die Stimme aus dem Off mitnimmt auf einen existenziellen Grenzgang. Kurzel ist natürlich nicht Malick, dennoch erinnert sein Werk in einigen Passagen an die Art und Weise, mit der die Soldaten in Der schmale Grat von der Kamera eingefangen werden – ihre Blicke, ihre Augen, ihre Körper.
The Narrow Road to the Deep North verbringt sehr viel Zeit mit den Soldaten, die dicht an dicht gedrängt sind. Eine verschwitzte, abgemagerte Körpermasse in der Dunkelheit, die tiefer und tiefer in einem Loch in der Erde zu verschwinden droht. Klaustrophobisch, niederschmetternd. Mitunter fühlen sich diese Momente wie die hoffnungslose Antwort auf das Körperkino von Claire Denis' Der Fremdenlegionär an.
Doch dann legt Kurzel seine Figuren ins Wasser und lässt sie zumindest für einen Augenblick schweben, als hätten sie sich tatsächlich in einem Film von Terrence Malick verirrt. Die schwerelos im Wasser liegenden Körper ziehen sich als verbindendes Element durch alle Ebenen des Films: Dorrigo verliebt im Meer mit Amy, Dorrigo verloren in einem Gewässer in Thailand, Dorrigo einsam in einem Pool in Australien.
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Die Schauspiel-Kombi Jacob Elordi und Ciarán Hinds ist die unerwartete Stärke der Kriegsserie
Die Szenen in Thailand sind definitiv die stärksten der Serie. Der Übergang von Jacob Elordi zu Ciarán Hinds erweist sich trotzdem jedes Mal als Geniestreich, wenn die vom Krieg gezeichnete Jugend des aufsteigenden Hollywood-Stars aus Euphoria und Priscilla in Hinds' nachdenkliches und gleichzeitig steinernes Gesicht übergeht. Wo Elordis Körper mit den anderen Soldaten verschwimmt, lähmt Hinds die Einsamkeit.
Kurzel beobachtet die ältere Version der Figur aus der Distanz und durch die Reflexionen auf Glasflachen. Hinds' Dorrigo wirkt deutlich weniger präsent und greifbar wie sein junges Ebenbild, weil er in Erinnerungen gefangen ist, die er nicht teilen kann. Erwartet werden Heldengeschichten, doch Dorrigo sucht verzweifelt nach einem Weg, um das, was Kurzel mit seinen erschütternden Bildern zeigt, endlich zu formulieren.
The Narrow Road to the Deep North erweist sich somit als ein Pendeln in plagenden Gedanken. Zwar ist Dorrigo eine frei erfundene Figur. Seine Geschichte, die von wahren Begebenheiten und den Berichten australischer Kriegsgefangener inspiriert wurde, fühlt sich durch das clevere Casting und durch viele eindringliche Momente sehr greifbar an, vor allem, wenn er komplett verletzlich durch die Kriegsumgebung driftet.
Wir haben die ersten beiden Folgen von The Narrow Road to the Deep North im Rahmen der Berlinale 2025 gelesen. Insgesamt umfasst die Miniserie fünf Folgen. In Deutschland feiert sie im Sommer 2025 bei Sky und dem Streaming-Dienst WOW ihre Premiere.