Zum Tod von Gene Hackman: Der Bluthund mit den 100 Gesichtern

27.02.2025 - 18:02 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
Gene Hackman in French Connection
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Gene Hackman in French Connection
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Gene Hackman ist tot. Das Schauspiel-Genie spielte in über 100 Filmen mit und meisterte verschiedenste Rollen. Eine traumatische Wucht entfesselten Auftritte wie in Mississippi Burning.

Selbst seine größten Fans werden Zeit brauchen, um Gene Hackmans Verlust wirklich zu erfassen. Der Hollywood-Star, der vielen als einer der größten Schauspieler aller Zeiten galt, verstarb am 27. Februar zusammen mit seiner Frau. Sein titanisches Werk umfasst über 100 Filme und Serien in fünf Jahrzehnten, 2 Oscars und unzählige meisterhafte Rollen. Hackman besaß eine extreme Vielseitigkeit. Er konnte erbärmlich leiden oder mit schweinischer Wut eine ganze Welt verbrennen, beides zeigte er auf der Leinwand.

Gene Hackman meisterte unterschiedlichste Rollen

Hackmans Karriere begann, wie die meisten, bescheiden: Ab Ende der 50er schlug er sich mit kleinen Rollen in TV-Dramen wie Brenner oder The Defenders durch und lebte währenddessen mit späteren Stars wie Dustin Hoffman und Robert Duvall in Wohngemeinschaften. Eine Nebenrolle im vielbeachteten Gangster-Drama Bonnie und Clyde brachte ihm 1967 eine erste Oscar-Nominierung ein. Drei Jahre später folgte eine zweite für Kein Lied für meinen Vater.

Der große Durchbruch kam mit seiner Rolle als knallharter Ermittler Doyle im Thriller-Meisterwerk French Connection - Brennpunkt Brooklyn: Wie ein Bluthund jagte er Drogendealer durch die Straßen New Yorks und fesselte damit Millionen. Für seine Rolle gewann er den Oscar als bester Hauptdarsteller, und ab diesem Zeitpunkt standen ihm die Tore Hollywoods offen.

In den nächsten zehn Jahren arbeitete er sich zu einem der beliebtesten und erfolgreichsten Schauspieler der Traumfabrik empor, spielte im New Hollywood-Meisterwerk Der Dialog einen sensiblen Abhörspezialisten, einen deprimierten Privatdetektiv in Die heiße Spur, einen knallharten Fallschirmjäger im Kriegsepos Die Brücke von Arnheim und gleich zweimal den Comic-Bösewicht Lex Luthor in Superman und Superman II - Allein gegen alle.

Anders als viele seiner Kollegen legte Hackman bis zu seinem letzten Film 2004 nie eine längere Pause ein, blieb in Hollywood sehr gefragt und begeisterte bis ins hohe Alter mit genialem Schauspiel. Als unkonventioneller FBI-Agent erhielt er für das Rassismus-Drama Mississippi Burning - Die Wurzel des Hasses eine weitere Oscar-Nominierung, für die Rolle als brutaler Sheriff in Clint Eastwoods Western Erbarmungslos gewann er 1993 den Academy Award erneut.

Gene Hackman brannte sich als brutaler Bluthund ins Gedächtnis

Gene Hackman gilt zurecht als einer der vielseitigsten Darsteller der Hollywood-Geschichte. Aber vielen wird er vor allem für seine brutalen, bösartigen Rollen im Gedächtnis bleiben: Es ist kein Wunder, dass er ausgerechnet als gnadenloser Ermittler in French Connection seinen Durchbruch schaffte.

Die Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert. Doyle lebt und atmet den Gestank des New Yorker Molochs, er treibt ihn an. Wie ein wilder Hund hetzt er seine Meute, getrieben, gnadenlos und ohne Skrupel. Hackmans verbissenes, grobes Gesicht, das Aussehen eines Durchschnnittsbürgers, unter dessen Sakko eine Bulldoggenherz pocht, ließen ihn die Rolle zu einem Meisterwerk machen.

Noch ausgeprägter kommt dieser Zug in Mississippi Burning zum Vorschein, weil die Rolle von Hackmans FBI-Agenten komplexer ist. Rupert Anderson stammt aus dem Süden, dessen Weiße Bürger ihre schwarzen Mitmenschen an Bäumen aufknüpfen. Er ist unter ihnen aufgewachsen, nimmt es mit dem Rassismus nicht so genau, plaudert gern mit den Menschen auf der Straße und hält seinen Kollegen Ward (Willem Dafoe) für einen anämischen Erbsenzähler, dem die Anpacker-Natur einfach fehlt. Aber dann platzt auch ihm der Kragen.

In einer Szene, die auch nach 37 Jahren nichts von ihrer Wucht verloren hat, stellt er den rassistischen Sheriff Bell (Brad Dourif) zur Rede. In rasender Wut misshandelt er dessen Kollegen und hält eine Ansprache von so glühender Gnadenlosigkeit, dass auch die vorlauten Umstehenden sofort verstummen. Anderson setzt Hass gegen Hass. Er hätte genauso gut jeden Kunden des Lokals erschossen und den Laden angezündet, so wirkt es jedenfalls.

Schaut euch hier die Szene aus Mississippi Burning auf Englisch an:

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Seine Oscar-Rolle in Clint Eastwoods Erbarmungslos ist von ähnlicher Intensität. Als ein alternder Pistolero (Richard Harris) die Ruhe in seiner Stadt bedroht, zeigt sich erneut der animalische Mann der Gewalt: Brutal statuiert Sheriff Little Bill an dem Wehrlosen ein Exempel, schlägt ihn zusammen und demütigt ihn noch, als er längst gebrochen im Gefängnis liegt.

Aber auch in dieser knallharten Rolle zeigt sich Hackmans Vielseitigkeit: Little Bill ist brutal, ja – aber vor allem, um die Sicherheit in seiner Stadt zu gewährleisten. Er hat Mitleid mit den Prostituierten, die aus Rache Desperados wie William Munny (Eastwood) anheuern, hindert sie aber mit der Waffe an ihren Plänen.

Wie ein grausamer Rassist lässt er Munnys Freund Ned (Morgan Freeman) auspeitschen und seine Leiche zur Schau stellen. Aber er ist beliebt unter seinesgleichen, er baut ein Haus, er hat tiefe Wurzeln in seiner Gesellschaft, die er pflegt. Bevor Clint Eastwoods Figur ihn erschießt, erklärt Bill: "Das habe ich nicht verdient, ich baue ein Haus!" Sein Richter entgegnet nur: "Was du verdienst, hat damit nichts zu tun."

Mit Gene Hackman haben wir einen der größten Schauspieler Hollywoods verloren

Dass Gene Hackman solche Figuren glaubhaft verkörpern konnte, zeigt, wie viel Talent, wie viel Sinn und Vernunft und Humanismus in ihm schlummerten. Little Bill ist nicht einfach eine Abziehfigur, ein eindimensionaler Bösewicht: Er ist das Symptom, an dem die Gesundheit einer Gesellschaft gemessen wird.

Doyle ist nicht vergleichbar mit den abgehalfterten Detectives der Groschenromane: Er ist ein Produkt seiner Stadt, getrieben, leidenschaftlich, wild, tragisch. Und FBI-Agent Anderson, der die Rassisten misshandelt, macht sich dadurch nicht zum Sympathieträger: Er bleibt Ausdruck einer schwierigen Wahrheit im Herzen seines Landes.

Durch ihre Komplexität verlieren Hackmans Figuren aber nie an Wucht. Vielleicht haben sie deshalb über Jahrzehnte eine fast schon traumatische Wirkung auf die Zuschauenden: Hackman zeigt in ihnen die pure Menschlichkeit, die zur selben Zeit geliebt und gehasst werden kann, beide Emotionen rechtfertigt und in Zweifel zieht. Über welchen Schauspieler könnte man das heute sagen? Gene Hackman hinterlässt ein Loch, das Hollywood womöglich niemals wieder füllen wird.

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