Die Berlinale 2025 wickelt sich gerade selber ab, doch bevor der letzte Vorhang für die diesjährige, von Eis und Schnee heimgesuchte Ausgabe des Festivals fällt, dürfen wir in den ewigen Sommer von Los Angeles abtauchen. Hier wohnt Popstar und Rapper Oliver (Archie Madekwe), der es schon ziemlich weit gebracht hat. Zum ganz großen Fame fehlt aber noch ein Schritt. In Lurker trifft er seinen persönlichen talentierten Mr. Ripley, der sich in sein Leben einnistet und zu folgenreichen Maßnahmen greift, um da auch zu bleiben.
Harmloser Fan oder Psycho? Das ist die Frage im Thriller Lurker
Gespielt wird Matthew vom Kanadier Théodore Pellerin, der in einer Nebenrolle in Niemals Selten Manchmal Immer positiv auffiel und ein Jahr später in Netflix' Horrorfilm Jemand ist in deinem Haus eine der Hauptrollen übernahm. Im Verlauf der Streaming-Produktion gerät auch seine Figur unter Mordverdacht und wer kann es den Verantwortlichen verdenken? Je nachdem wen er gerade spielt, strahlt er die Bedrohlichkeit eines Dackelwelpen aus oder die des letzten Gesichts, dass du siehst, bevor deine Gliedmaßen in einen Häcksler gestopft werden. In Lurker legt er irgendwo dazwischen eine Punktlandung hin, sodass man nie genau weiß, wie weit er in die eine oder andere Richtung manövrieren wird.
Ihm gegenüber steht eine nicht weniger passende Besetzung. Archie Madekwes bis dato größter Auftritt war wahrscheinlich die Hauptrolle in Neill Blomkamps Rennspielverfilmung Gran Turismo. Thematisch näher liegt aber die Hochstapler-Geschichte Saltburn von Emerald Fennell, in der Madekwe als Rivale von Barry Keoghan um die Gunst von Jacob Elordis reichem Spross wirbt. In Lurker gibt er selbst das Objekt der Begierde.
Popstar Oliver spaziert in den trendigen Klamottenladen, in dem Matthew arbeitet und plötzlich ertönt einer der Songs, der ihn tief beeinflusst hat. Natürlich wurde das von Improvisationstalent Matthew in die Wege geleitet, der so tut, als kenne er den Musiker nicht. Oliver kauft ihm die Lüge ab. Was der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein könnte, entwickelt sich zum Spiel um Demütigung und Kontrolle zwischen dem Star und dem neuen Mitglied seiner Entourage.
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2 Aspekte heben Lurker vom Einerlei der Aufsteiger-Geschichten ab
Lurker ist das Regie-Debüt von Alex Russell, der sich in der Vergangenheit als Autor bei den beiden Stress-Serien schlechthin einen Namen gemacht hat, nämlich Netflix' Beef und The Bear: King of the Kitchen bei Disney+. Sein Spielfilmdebüt nimmt ein gemächlicheres Tempo an, das von der Beobachtung der ziemlich glaubhaften Mikroökonomie lebt, die sich in Olivers Haus in den Hügeln von Los Angeles entwickelt hat.
Darin sichern sich alle in einer parasitären Beziehung zum Musiker das Auskommen, während dieser ganz genau filtert, welcher Ja-Sager in seine neue Familie adoptiert oder auf die Straße gesetzt wird. Fremdscham-Momente sind vorprogrammiert. Matthew schleimt sich ohne Rücksicht auf die eigene Würde ein, wobei es ihm an der Professionalität eines Tom Ripley aus den Romanen von Patricia Highsmith mangelt.
Lurker fehlt es an der satirischen Überspitzung von Saltburn genauso wie an der verführerischen Kraft von Anthony Minghellas Ripley-Verfilmung oder der jüngsten Netflix-Serie mit Andrew Scott, ganz zu schweigen von der Finesse eines Parasite. Aus dem Einerlei von Aufsteiger-Geschichten dieser Art hebt sich der Film jedoch durch zwei Aspekte hervor.
Erstens ist da das Setting im Musikgeschäft, dem der Film genau beobachtete Facetten abringt, für die in The Idol Zeit und Interesse fehlten. Zum anderen die beiden hervorragenden Hauptdarsteller, die sich wunderbar komplementieren. Wenn Théodore Pellerins Matthew beobachtet, wie jemand ihm seinen Platz in der Entourage streitig macht, brennt sich sein ängstlich-planender Blick fast schon in die Leinwand ein. Man sieht die Rädchen im Getriebe sich hastig drehen und schon steigt die Angst auf, wie weit er diesmal gehen wird. Archie Madekwe bringt hingegen die desolate Einsamkeit des Star-Daseins zum Ausdruck. So richtig berühren will keines der beiden Schicksale, aber manchmal kann auch ein böser Traum unter der Sonne wärmen, bevor man hinaus in die Kälte spaziert.
Lurker wurde bei der Berlinale 2025 in der Sektion Berlinale Special gezeigt. Der Film hat noch keinen deutschen Kinostart.